Luftaufnahme von der Zerstörung in der Stadt Hatay nach dem Erdbeben im Südosten der Türkei (7.2.2023)
MURAT SENGUL / AFP / picturedesk.com
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Chronik

Einsatzkräfte in der Türkei: „Jede Minute zählt“

Immer mehr internationale Rettungskräfte treffen im Erdbebengebiet ein. Dienstagabend sind auch die 82 Soldatinnen und Soldaten der Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) aus Korneuburg in der Türkei gelandet. Mittlerweile suchen sie nach Verschütteten.

Zwei Tage nach den schlimmen Erdbeben in der Türkei und Syrien mit mehr als 11.200 Toten wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher. Ohne Unterbrechung wurde die Suche nach Verschütteten auch in der Nacht fortgesetzt – mehr dazu in Frau nach 52 Stunden lebend geborgen (news.ORF.at; 8.2.23).

Auch jene 82 Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres, die am Dienstag auf dem Flughafen Wien-Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) Vorbereitungen für den Hilfseinsatz getroffen hatten, sind mittlerweile in der Türkei angekommen, um die Einsatzkräfte dort bei der Suche nach Überlebenden zu unterstützen. Errichtet wird auch ein Basislager, von dem die österreichischen Helferinnen und Helfer vorerst für die nächsten zehn Tage ihre Einsätze planen. Das Lager ist laut Bundesheer autark.

Der Weg des Bundesheeres zum Suchort

Schutt säumt die Straße, Straßenbeleuchtung gibt es keine. Video: Bundesheer.

Die Gruppe besteht aus Soldaten und Soldatinnen der AFDRU-Einheit aus Korneuburg sowie Rettungshundeführern aus diversen Organisationen, etwa der Feuerwehr, und aus Bergrettern, die mit ihren Erfahrungen im Bereich des Rettens aus Höhen und Tiefen unterstützen. Mit dabei sind auch Statiker, Vermesser und Dolmetscher des Bundesheeres.

„Unsere Einsatzstruktur ist so aufgesetzt, dass, sobald das Team hier eintrifft, die Suche und Rettung beginnt. Ein kleiner Teil baut das Camp auf, die Masse des Kontingents kommt direkt vom Flughafen ins betroffene Gebiet und beginnt mit der Rettung“, sagte Kontingentskommandant Bernhard Lindenberg gegenüber noe.ORF.at. Seit Dienstag ist bereits das Vorkommando in der vom Erdbeben stark betroffenen Provinz Hatay im Einsatz. „Wir wissen, wo wir beginnen werden, es geht sofort los, es gibt keine Unterbrechungen.“ Die Österreicher sind derzeit an zwei Orten im Einsatz.

Kommandant: „Lage schlimmer als erwartet“

Aufgrund der schwierigen Flughafensituation habe das Kontingent nicht geschlossen anreisen können, schilderte Lindenberg Mittwochfrüh. „Ich bin mit einem Vorkommando vor Ort, und der Hauptteil des Kontingents wird in der nächsten Stunde eintreffen.“ Die betroffene Gegend sei so groß wie Niederösterreich und das Burgenland zusammen, „es gibt weder Strom- noch Gasversorgung, und die Gebäude sind flächendeckend zerstört. Die Leute campieren zwischen den Häusern auf freien Flächen, schlafen in ihren Autos, niemand traut sich mehr in die Häuser zurück.“

„Die Lage ist schlimmer als erwartet“, so Lindenberg. Das Bundesheer werde darum mit offenen Armen empfangen, berichtete er. Aufgrund der winterlichen Temperaturen seien die Bedingungen „extremst schwierig“, und „daher ist es so wichtig, jetzt mit der Rettung rasch zu beginnen, weil hier jede Minute zählt“.

Wie viel Zeit den Helfern bleibt, sei schwierig zu sagen. Weiterhin werden immer wieder Lebende aus den Trümmern gerettet. „Es ist aber so, dass mit jeder Minute die Chance einfach sinkt. Normalerweise spricht man von den ‚goldenen 100 Stunden‘, wo der Verschüttete noch Überlebenschancen hat, aber man wird natürlich so lange weitersuchen, solange nur die geringste Chance auf eine lebende Rettung besteht.“

Bereits wenige Stunden nach der Ankunft in der Türkei habe man einen Mann lebend aus den Trümmern retten können, teilte der Sprecher des Verteidigungsministerium, Michael Bauer, via Twitter mit:

Einsatzgruppen sind autark

Die internationale Hilfe werde von speziellen Koordinierungszentren unterstützt. Die Einheit aus Niederösterreich ist so aufgebaut und trainiert, dass sie für die gesamte Einsatzdauer völlig autark ist. „Das heißt, wir haben Lebensmittel, Trinkwasser, alles mit. Das ist auch ein Grundsatz der internationalen Katastrophenhilfe, dass man im betroffenen Land diese Sachen nicht einfordern muss und sozusagen keine Belastung für das Land darstellt.“

Bericht aus dem Katastrophengebiet

Schaltung zu Oberstleutnant Pierre Kugelweis, der mit dem Bundesheer im Katastrophengebiet eingetroffen ist.

Teil des Vorkommandos ist auch Oberstleutnant Pierre Kugelweis, der in der ZIB2 am Dienstag seine ersten Eindrücke schilderte. „Wir befinden uns derzeit in der Region Hatay, wo auch die Schadensstellen sind, bei denen wir zum Einsatz kommen werden. Wir sind als Vorkommando acht Personen stark und haben auch bereits Verbindung aufgenommen mit den lokalen Koordinierungsbehörden. Es ist hier sehr wichtig, dass wir hier in der Gesamthilfe eingebettet sind, und wir wurden mit offenen Armen aufgenommen.“

„Kämpfen natürlich gegen die Zeit an“

Die katastrophale Lage zeige, so Kugelweis, dass es wichtig sei, dass das Bundesheer dort ist. Eine spezielle Herausforderung sei, „aufgrund der großen Ausdehnung, der katastrophalen Situation, hier Plätze zu finden, wo die Rettungswahrscheinlichkeiten am höchsten sind. Und da kämpfen wir natürlich gegen die Zeit an, aber unsere Experten und Expertinnen haben hier sehr große Erfahrung und werden dieses Know-how einbringen.“