Koch am Herd in der Küche
unsplash/lasse bergqvist
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WIRTSCHAFT

Personalkrise in der Gastro: 5.600 wechselten Job

In den ersten elf Monaten des Vorjahres wechselten 5.600 Personen aus der niederösterreichischen Gastronomie ihren Job. Rund die Hälfte davon wechselte auch Branche. Verstärkt wird die Problematik durch die anstehende Pensionierungswelle.

Im vergangenen Jahr verlor Christian Straus die Hälfte seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von zehn Angestellten gingen fünf – nicht nur weg von ihm, sondern auch weg aus der Gastronomie, so Straus. Seit 2007 betreibt er ein mexikanisches Lokal in Zwettl. Aufgrund der angespannten Personal-Situation sah er sich vor einem halben Jahr dazu gezwungen, seine Öffnungszeiten anzupassen. Sonntag – sein eigentlich umsatzstärkster Tag – ist ab jetzt Ruhetag.

„Ich habe die Erfahrung am Arbeitsmarkt machen müssen, dass zwar schon Personal vorhanden ist, aber, dass die wenigsten auch am Wochenende, insbesondere am Sonntag, noch arbeiten wollen“, so der Gastronom. Das Problem der Personal-Knappheit bestehe seit Jahren, die Pandemie sei jedoch „ein Brandbeschleuniger“ gewesen. Viele hätten Branche gewechselt und seien in branchenähnliche Berufe eingestiegen.

Arbeitszeiten als Hauptproblem

Zahlen des AMS bestätigen die Einschätzungen des Gastronomen: Von Jänner bis November des Vorjahres entschlossen sich 5.600 Personen aus der Gastronomie, ihren Job zu wechseln. Rund die Hälfte davon blieb in der Branche, die andere Hälfte nahm jedoch einen Job in einer anderen Branche an. Der größte Anteil wechselte in den Handel.

Alexandra Bohmann, Köchin im Zwettler Lokal, sieht die Arbeitszeiten als Hauptgrund dafür, warum das Personal die Branche wechselt und niemand nachkommt: „Ich glaube ein großer Grund ist das Arbeiten am Wochenende und an Feiertagen, natürlich auch am Abend. Wir arbeiten hier bis halb zehn oder zehn am Abend.“

Vier mal so viele offene Stellen

Die Zahl der offenen Stellen in der niederösterreichischen Gastronomie schnellte in den letzten Jahren rasant nach oben. Gab es laut Daten des AMS im Jahr 2010 noch rund 280 offene Stellen (ohne Beherbergungs-Betriebe) waren es 2022 bereits über 1.100. Gleichzeitig ist die Zahl der im Vorjahr in Niederösterreich arbeitslos gemeldeten Personen aus der Branche Gastronomie mit rund 3.300 geringer als sie es 2010 war.

Auch die demographische Verteilung und somit die anstehenden Pensionierungen verstärken die Problematik. Die Wirtschaftskammer sieht die geringere Geburtenrate sowie die starke Konjunktur als Auslöser für den Personalmangel in praktisch allen Bereichen, im Tourismus komme dann noch die hohe Teilzeitrate dazu.

Offene Stellen in der niederösterreichischen Gastronomie sind in den letzten Jahren rasant angestiegen: 2010 gab es 278 offene Stellen, 2022 bereits 1.144
ORF

Nach drei Jahren im Krisenmodus seien die finanziellen Reserven bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern aufgebraucht, sagt Doris Schreiber, Bezirksstellenobfrau der Wirtschaftskammer im Bezirk Gmünd sowie Branchen-Obmann Stellvertreterin der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Neben der aktuell hohen Lebensmittel- und Energiepreise hätten viele Unternehmen während der Pandemie Überbrückungskredite aufnehmen müssen, die jetzt in den nächsten Monaten schlagend werden.

„Große Welle an Schließungen kommt“

„Da wird noch eine große Welle an Schließungen an uns herankommen. Ich hoffe, dass es viele Betriebe noch schaffen können“, so die Wirtschaftskammer-Vertreterin. Sie betreibt auch selbst ein Gasthaus im Bezirk Gmünd: Während der Pandemie habe sie zwar alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten können, aber auch sie sei in die Pensionierungs-Falle getappt. Wenn das Geschäft im Sommer so ablaufen soll wie immer, brauche sie noch fünf bis sechs Personen mehr.

Ansonsten müsse auch ihr Betrieb die Gästeanzahl und die Speisekarte reduzieren sowie eventuell an den Öffnungszeiten schrauben. Als Lösung sieht die Wirtschaftskammer-Vertreterin etwa einen Grundpreis für Lebensmittel, damit die gastronomischen Betriebe noch wirtschaftlich arbeiten können. Lokal-Betreiber Christian Straus wünscht sich mehr Aufklärungsarbeit der Branchen-Vertreter in den Schulen, um den Ruf des Gastronomie-Jobs aufzubessern und wieder mehr Personal anzulocken.