Soziales

Viele 24-Stunden-Betreuungskräften wollen aufhören

Eine Studie der Universität Wien stellt den Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Betreuung ein schlechtes Zeugnis aus: Nur 32 Prozent der befragten Betreuungskräfte sind im Beruf zufrieden. Größtes Problem sei die unzureichende Kommunikation.

Der Bedarf an Betreuung zu Hause steigt, viele in diesem Bereich Tätige sind aber unzufrieden. Belastend seien etwa mangelnde Wertschätzung und das „Auseinanderklaffen von Aufgabe und Realität“, sagt Michaela Schaffhauser-Linzatti von der Universität Wien, Autorin des Buches „Die Situation der 24-Stunden-Betreuungskräfte in Österreich“, am Mittwoch bei der Buchpräsentation in St. Pölten.

„Die Lücke in der Betreuung ist größer als man glaubt“, so Schaffhauser-Linzatti. Es gehe nicht nur darum, neue Kräfte zu bekommen, sondern auch die bestehenden halten zu können. Laut der Studie wollen lediglich 32 Prozent der Befragten in der derzeitigen Form weitermachen, der Rest will aussteigen oder unter anderen Rahmenbedingungen arbeiten. Bei dem Projekt wertete ein Forscherteam der Universität Wien 2.275 Fragebögen und Ergebnisse aus Fokusgruppen aus.

Studienautorin zur Umfrage der 24-Stunde-Pflege

Studien- und Buchautorin Michaela Schaffhauser-Linzatti im Interview über ihre Empfehlung nach einem Leistungskatalog für 24-Stunden-Pflegerinnen

Erwartungen klaffen auseinander

Eines der Hauptprobleme sei, dass dienstleistende und in Anspruch nehmende Personen zu wenig über die erwarteten Leistungen sprechen, so Schaffhauser-Linzatti im „Niederösterreich heute“-Studiogespräch. „Betreuerinnen wollen Klarheit, sie wollen sich um die Pflegeperson kümmern, und dann fallen ganz andere Aufgaben an, mit denen sie nicht gerechnet haben.“

Ein Beispiel sei etwa, dass eine zweite Person mitbetreut werden müsse oder dass nicht vereinbarte Haushaltsaufgaben übernommen werden müssen. „Die Betreuerinnen wollen einfach wissen, was auf sie zukommt, und dass diese Aufgaben auch extra remuneriert werden.“

24-Stunden-Betreuung in Niederösterreich

Laut Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) gibt es in NÖ 5.000 bis 7.500 24-Stunden-Betreuungsverhältnisse. Dafür werden 15.000 Betreuungskräfte benötigt.

In ganz Österreich arbeiten 70.000 Personen in der Betreuung, überwiegend Frauen aus Rumänien und der Slowakei.

Betreuerinnen müssen häufig auch pflegen

Häufig müssen Betreuerinnen und Betreuer auch Pflegeaufgaben wahrnehmen, für die sie im Zweifel nicht ausgebildet sind. „Das ist eine große Belastung, weil sie dafür dann verantwortlich gemacht werden“, so Schaffhauser-Linzatti. Sie empfiehlt regelmäßig stattfindende neutrale Kontrollen, die den körperlichen Gesundheitszustand der zu betreuenden Person feststellt.

Empfängerinnen und Empfänger einer 24-Stunden-Pflege würden auf der anderen Seite oft von versteckten Kosten überrascht, so Schaffhauser-Linzatti: „Hier gilt es transparent zu sein.“ Schaffhauser-Linzatti fordert einen transparenten Leistungskatalog, um die Kommunikation zwischen den Vertragspartnern zu verbessern.

Neue Plattform soll Situation entschärfen

Für mehr Zufriedenheit würden zudem standardisierte Verträge und Informationsplattformen auch in der Erstsprache sowie mehr Wertschätzung vor allem durch die Politik, ein höherer Tagsatz und steuerliche Änderungen – etwa in Sachen Doppelbesteuerung – sorgen. Geäußert wurde der Wunsch nach einer „unabhängigen Vermittlungsplattform“ für einen direkten und persönlichen Kontakt zwischen Arbeitskräften und zu Betreuenden bzw. deren Familien.

„Immer weniger Betreuerinnen wollen nach Österreich kommen“, viele Ursachen dafür seien „hausgemacht“, meint Christoph Lipinski, Geschäftsführer der vidaflex BetreuerInnen Service GmbH. Als Problem sah er Intransparenz, etwa bei Pauschalverträgen. Dem wolle man mit der neuen Plattform Betreuerinnen.at entgegentreten. Die Vermittlung über die Plattform soll damit fair, sicher, transparent und frei von versteckten Kosten ablaufen. Angeboten wird ein Direktvertrag mit Mindesttarifen.

„Wir müssen wegkommen von der ausbeuterischen Scheinselbstständigkeit“, verlangte Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) einheitliche Qualitätsstandards. Wie der Präsident des Niederösterreichischen Gemeindevertreterverbands Rupert Dworak (SPÖ) verwies die Landesrätin angesichts der demografischen Entwicklung auf einen steigenden Personalbedarf.