Jóhann Jóhannsson
Jónatan Grétarsson
Jónatan Grétarsson
Kultur

Premiere: Jóhannsons „Last and First Men“

Im Festspielhaus ist am Samstag die Österreich-Premiere von „Last and First Men“ über die Bühne gegangen. Das 2020 bei der Berlinale uraufgeführte Werk des 2018 verstorbenen Komponisten Jóhann Jóhannsson verbindet Film und Musik zu einer Art Requiem.

Der brave Wunsch des Begrüßungstonbands wirkt angesichts der vermittelten Weltuntergangsstimmung diesmal etwas deplatziert, schreibt APA-Kulturredakteur Ewald Baringer in seiner Kritik. Das Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Viktor Orri Árnason spielt live, einiges an Sounddesign kommt ebenso hinzu wie zwei Sopranistinnen und die aufgenommene Stimme von Tilda Swinton, die Textausschnitte aus einem Roman von Olaf Stapledon rezitiert. Ganz im Sinne Jóhannssons: „Ich wollte, dass ihre Erzählung wie eine seltsame akademische Vorlesung klingt, mit einem Hauch von melancholischer Lyrik, gelesen von einer autoritären Stimme aus der Zukunft.“

Die Musik wirkt sehr meditativ, ja psychedelisch, die sphärischen Sopranstimmen mischen sich raffiniert hinzu, man könnte ganz angenehm dahindösen, wäre da nicht diese dreinfunkende Stimme, und wäre da nicht dieser menschenleere Schwarzweißfilm, bisweilen grieselnd-graupelig, in dem mehr oder weniger archaische Steingebilde aus Menschenhand zu sehen sind, gleichsam Relikte vergangener Zivilisationen.

Last and First Men
Sturla Brandth Grøvlen
Filmaufnahmen von Kriegsdenkmälern aus Ex-Jugoslawien kulminieren mit Jóhannssons Komposition zu einem Film-Konzert

Beton ansehen, Musik anhören und nachdenken

„Für das Publikum ist es doch viel verlangt, 70 Minuten lang zu sitzen, sich Beton anzusehen und etwas über das Ende der Menschheit anzuhören“, räumt Jóhannsson ein. „Aber hoffentlich haben wir aus all diesen Elementen etwas Schönes und Ergreifendes geschaffen.“ (Zitat aus dem Programmheft) Dem Schlussapplaus im schütter besetzten Saal zufolge könnte dies gelungen sein, wenngleich sich in der Tat die Frage stellt, woraus der Erkenntnisgewinn in der elegischen Betrachtung abstrakter Denkmäler und Bauwerke in kargen Landschaften letztlich bestehen mag.

Vor 41 Jahren hat Godfrey Reggio mit „Koyaanisqatsi“ einen zivilisationskritischen Kultstreifen vorgelegt, zu dem Philip Glass eine obstinate Filmmusik im Minimal-Stil beigesteuert hat. „Last and First Men“ wird diesen Kultstatus in seiner optischen Kargheit vermutlich nicht erreichen, hörenswert ist der Soundtrack allemal.