Akram Khans „Giselle“
Laurent Liotardo
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Kultur

Begeisterung für „Giselle“ im Festspielhaus

Mit der Österreich-Premiere von Akram Khans 2016 in Manchester uraufgeführten Neuinterpretation des Ballett-Klassikers „Giselle“ ist am Freitagabend im Festspielhaus St. Pölten eine spektakuläre Produktion über die Bühne gegangen.

Eine konventionelle Aufführung war ohnehin nicht zu erwarten gewesen, die gründliche Modifizierung überraschte dann aber doch in ihrer Radikalität. Akram Kham versetzt das Geschehen vom ruralen Ambiente ins Milieu frühindustrieller Wanderarbeiterinnen und erzählt die Geschichte unter diesem Blickwinkel, ohne jedoch die romantische Substanz zu opfern, und integriert in seine Choreografie eine vielschichtige stilistische Vielfalt.

Zu Beginn – noch ist die Bühne dunkel – erklingen Donnerschläge, gefolgt von einem Rauschen wie von einer Schallplatte, über die eine alte Nadel zieht. Musik und Sounddesign stammen von Vincenzo Lamagna, der zwar Elemente der originalen Komposition von Adolphe Adam integriert, aber dabei sehr eigenständig symphonische, elektronische und industrielle Klänge zu einer dynamisch vorantreibenden, perkussiv untermauerten auditiven Kulisse verarbeitet.

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Akram Khans „Giselle“
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„Giselle“ ist weit mehr als eine dramatische Liebesgeschichte
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Auf der Bühne stehen die Tänzerinnen und Tänzer des British National Ballet
Akram Khans „Giselle“
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Um seine geliebte Giselle zu besuchen, verkleidet sich der wohlhabende Albrecht als Ausgestoßener
Akram Khans „Giselle“
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Als die Textilfabrik schließt, dienen die Arbeiterinnen den Fabriksbesitzern als „Belustigung“
Akram Khans „Giselle“
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Für Design und Kostüme verantwortlich ist Tim Yip, der bereits mit einem Oscar ausgezeichnet wurde
Akram Khans „Giselle“
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Sehr schön wird auch der magische Gehalt der Handlung in eine poetische Bildsprache übersetzt, etwa wenn geisterhafte Wesen wie gespenstische Schattenrisse über die Bühne fegen. Insgesamt imposant ist die Präzision des Ensembles, besonders beeindruckend sind Erina Takahashi in der Titelpartie, James Streeter (Albrecht) und Ken Saruhashi (Hilarion).

Synthese aus Altem und Neuem

Er halte immer Ausschau nach etwas, das zugleich alt und modern ist, wird Akram Khan im Programmheft zitiert. Hier ist die Synthese gelungen, auch wenn mancher Background nicht sogleich ersichtlich ist: Es geht im Wesentlichen schlicht um Liebe, Verrat und Tod, nicht zuletzt um Macht und soziales Gefälle, und das wird in diesem modernisierten Tanzmärchen sicht- und spürbar. Das Gastspiel des English National Ballet erntete Standing Ovations. Auch der zweite Termin am Samstag ist bereits ausverkauft.