Sonja Hoffmann, Herrenmodeverkäuferin in Amstetten
ORF/Nina Pöchhacker
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Wirtschaft

Immer mehr arbeiten in der Pension weiter

Die Babyboomer gehen in Pension und so gut wie alle Branchen spüren es. Aber diese Generation ist so gesund und fit wie keine zuvor und immer mehr arbeiten weiter. Derzeit gibt es etwa 75.000 arbeitende Pensionisten. Firmen kommt das wegen des Personalmangels gelegen.

Der Samstag im Modegeschäft Steinecker in Amstetten ist Sonja Hoffmanns Tag (Bild oben). Jeden Samstag ist sie in der Herrenabteilung anzutreffen und verkauft Sakkos, Hemden oder Krawatten. Sieben Stunden pro Woche arbeitet die 64-jährige Hoffmann geringfügig – und das, obwohl sie seit bald zehn Jahren im Ruhestand ist.

„Es macht mir Spaß, es ist eine Bereicherung für mich selbst, ich fühle mich jünger. Und ich sage alle Jahre, nächstes Jahr höre ich auf, aber meistens gehe ich dann doch noch ein Jahr“, erzählt Hoffmann. Ihre Pension konnte sie durch die Hacklerregelung schon mit 55 antreten. Geht man vor dem regulären Pensionsantrittsalter – bei Frauen noch 60, bei Männern 65 Jahre – darf man bis zum Erreichen dieses Alters nur geringfügig arbeiten.

Das heißt, zur Pension verdienen diese Seniorinnen und Senioren maximal 500,91 Euro monatlich dazu. Ist es ein Cent mehr, wird die gesamte Pension für diesen Monat nicht überwiesen, erklärt Christian Tschank, Experte für Sozialrecht und Sozialpolitik bei der Arbeiterkammer Niederösterreich: „Wenn ich neben meiner vorzeitigen Alterspension über diese Grenze verdiene, dann würde meine Pension wegfallen, nicht gekürzt werden, sondern gänzlich wegfallen.“

Die Babyboomer im Pensionsalter

Im Modegeschäft in Amstetten ist Hoffmann bei weitem nicht die einzige arbeitende Pensionistin. Ob man in der Pension weiterarbeiten will, fragt Prokurist Matthias Seifert hier jeden: „Wir haben in den letzten und kommenden Jahren viele, die in Pension gehen, und jetzt wird das wahrscheinlich hoffentlich eher die Regel werden, dass wir Mitarbeiter in der Pension weiter beschäftigen können.“ Etwa ein Drittel nehme dieses Angebot auch an.

Es ist die Babyboomer-Generation – die geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre – die nach und nach in den Ruhestand geht und bei vielen Unternehmen für offene Stellen sorgt. In diesem Ausmaß und so schnell könne man keine Lehrlinge ausbilden oder fachkundige Modeverkäufer finden, sagt Seifert. Zu Jahresende werden von den 265 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zehn in der Pension weiterarbeiten.

Der Anästhesist als „Teilzeitpensionist“

Andere Branche, andere Stadt, selbes Problem: Im Landesklinikum Scheibbs ist man ebenso auf Personalsuche. Als sich der Anästhesist Kurt Schlögl bei der Personalabteilung meldete, um zu fragen, ob er nicht in der Pension weiterarbeiten könnte, war man im Spital erleichtert. „Ich sage immer, ich bin jetzt Teilzeitpensionist, weil ich mit fünfzehn Stunden pro Woche Teilzeit arbeite“, sagt Schlögl im Gespräch mit noe.ORF.at.

Seit 30 Jahren ist er im Haus, 14 Jahre lang leitete er die Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin. Er werde durchaus gebraucht, damit sich im Dienstplan keine Lücken auftun: „Einerseits geht es mir gesundheitlich gut, ich möchte die Abteilung unterstützen, wir haben ein gutes Arbeitsklima. Auf der anderen Seite ist es sicher ein Zeichen des Personalmangels“, sagt Schlögl.

Kurt Schlögl, Anästhesist im Landesklinikum Scheibbs in einem Patientengespräch
ORF/Nina Pöchhacker
Direkte Arbeit mit Patientinnen, weniger Administratives und keine Nachtdienste: Arbeiten in der Pension hat für Schlögl Vorteile.

Seit 2018: Um 30 Prozent mehr arbeitende Pensionisten

Derzeit arbeiten in Österreich etwa 75.000 Pensionistinnen und Pensionisten in der Pension weiter. 2018 waren es noch 58.000 und damit um 17.000 weniger, wie aus Daten der Sozialversicherung hervorgeht. Das ist zwar ein großer Anstieg, aber gegen den Personalmangel seien die arbeitenden Senioren keine Hilfe, sagt Christian Tschank von der Arbeiterkammer.

„Bei den Männern gehen zum Beispiel 60 Prozent in eine vorzeitige Schwerarbeits-, Hackler-, oder Korridorpension. Die können also nur geringfügig arbeiten und die meisten werden dann nicht mit 65 auf einmal wieder mehr machen wollen.“ Bei den Frauen wechselt überhaupt nur die Hälfte direkt vom Arbeitsleben in die Pension, die andere ist zuvor arbeitslos oder im Krankenstand.

Das langsame Übergleiten in den Ruhestand

Mit den geringfügig arbeitenden Pensionisten könne man kurzfristig angespannte Personalsituationen entlasten, aber gegen den allgemeinen Personalmangel seien sie keine Hilfe. „Ob da ein paar Tausend einen Unterschied machen, ist schwer zu sagen. Es könnte eher ein Verdrängungswettbewerb werden, weil sich eine Firma eher für einen Mann oder eine Frau entscheidet, bei denen keine Pensionsversicherungsbeiträge mehr zu leisten sind, als für jemanden, der jünger ist und für den die vollen Bezüge zu leisten sind“, sagt Tschank.

Abseits des Aushelfens bei knappen Personalsituationen fällt vielen der Übergang in den Ruhestand mit ein paar Stunden Arbeit pro Woche leichter. Kurt Schlögl etwa kann jetzt wieder so arbeiten wie zu Beginn: „Die ganze Verantwortung ist weg, ich war ja 14 Jahre lang Chef. Ich kann mich auf die Arbeit am Patienten konzentrieren, das ist sehr angenehm.“ Wie lang der 65-Jährige noch im Spital in Scheibbs tätig sein wird, kann er noch nicht abschätzen. In Landeskliniken darf man aber maximal bis 70 arbeiten.

Pension aufschieben oder antreten und weiter arbeiten?

Sollten Personen, die gerne über das reguläre Pensionsalter arbeiten möchten, dann nicht einfach die Pension aufschieben? Vom Gesetzgeber gibt es dafür einen Anreiz. Für ein Jahr Aufschieben erhält man zum Beispiel 4,2 Prozent der Pensionsleistung als Bonus.

Pensionsexperte Tschank von der Arbeiterkammer sagt dazu: „Wenn ich in einer regulären Alterspension bin, darf ich unbegrenzt dazuverdienen und bekomme auch meine normale Pension. Die Frage ist dann auch, wie ist meine Lebenserwartung. Wenn ich jetzt ein Jahr lang aufschieben und auf die Pension verzichte, dann fehlt mir einiges, was ich an Pensionsleistung vorher eingezahlt hab“, so Tschank. Die Arbeiterkammer neige deswegen dazu, den Pensionsantritt zu empfehlen.

Ein Zuverdienst in der Teuerung

Die Pensionisten, die noe.ORF.at bei ihrer Arbeit begleitet hat, verrichten ihren Dienst im eigentlichen Ruhestand, weil sie gerne arbeiten, aber das Geld sei natürlich ein schöner Nebeneffekt. Etwa für Modeverkäuferin Sonja Hoffmann: „Das ist mein Taschengeld. Im Verkauf hat man ja nie so viel verdient und jetzt ist auch meine Pension nicht so hoch.“