Der Schwurgerichtssaal im Landesgericht St. Pölten
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Gericht

Pflegeheim-Prozess: Ex-Kolleginnen sagten aus

Im Prozess gegen vier frühere Mitarbeiter eines Pflegeheims in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) haben am Donnerstag ehemalige Kolleginnen ihre Beobachtungen geschildert. Sie berichteten von mehreren Auffälligkeiten sowie von Schlägen und Stößen.

Laut zwei Zeuginnen, die ihre Wahrnehmungen im Heim auch gemeldet hatten, waren mehrere der dementen Bewohnerinnen und Bewohner 2020 und 2021 „sehr müde“ und „konnten kaum mehr gehen“. „Das war schon auffällig“, meinte eine 49-Jährige vor Gericht. Ihr war aufgefallen, dass in der Früh viele der dementen Personen länger geschlafen hatten und erst mittags aus dem Zimmer gekommen waren.

Sie habe zu ihrer Vorgesetzten gesagt, sie solle sich „die Leute einmal anschauen, da stimmt irgendetwas nicht“, sagte sie aus. Eine Kollegin hatte ebenfalls Meldung erstattet: „Ich habe gesagt, da passt irgendetwas nicht auf der Station.“ Die Reaktion sei gewesen, dass das „beobachtet“ werde. Eine weitere Zeugin berichtete von einem „schlappen Allgemeinzustand“ mehrerer Bewohner.

Der Anklage zufolge sollen Beschuldigte Bewohnerinnen und Bewohnern zusätzliche Medikamente gegeben haben, um sie ruhigzustellen. Das Quartett bestreitet diese Vorwürfe. Vor Gericht berichteten die Zeuginnen, dass, nachdem die Angeklagten entlassen worden waren, die demenzkranken Personen auch in der Nacht wieder aktiver gewesen seien. Der Zustand der meisten Bewohnern habe sich wieder verbessert, es sei „wieder viel lebendiger geworden auf der Station“.

Der männliche Angeklagte ergänzte in diesem Zusammenhang seine frühere Aussage und berichtete, dass Bewohnerinnen und Bewohner Anfang 2021 gegen Corona geimpft worden seien. Mehrere Personen hätten Fieber bekommen und „sind deswegen vermehrt im Bett gelegen“, sagte der 36-Jährige.

Heimhelferin berichtete von Schlägen und Stößen

Eine weitere Zeugin, die nur wenige Wochen als Heimhelferin beschäftigt war, berichtete zudem von Schlägen und Stößen der Viertangeklagten gegen Bewohner: „Ich hab mir gedacht, ich bin im falschen Film“, sagte sie. Die 39-jährige Beschuldigte bestritt die Vorwürfe. Befragt wurde am Donnerstag auch die Tochter einer Bewohnerin. Sie berichtete von Hämatomen, die ihre Mutter im März 2021 aufwies.

Unterschiedliche Aussagen gab es, ob in dem Heim wie vorgeschrieben immer diplomiertes Personal hinzugezogen worden war, bevor etwa bei Schmerzen zusätzliche Mittel in Form von Einzelverordnungen gegeben wurden. Laut Anklage sollen Schlafmittel oder starke Psychopharmaka mit dem Ziel verabreicht worden sein, ruhige Dienste zu haben. Ein Bewohner hatte eine Medikamentenvergiftung erlitten.

Vier Angeklagte vor Gericht

Die Ermittlungen in dem Fall waren durch zwei Mitarbeiterinnen ins Rollen gebracht worden. Die Angeklagten – drei Frauen und ein Mann – wurden sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe entlassen. Ihnen wird nun das Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexueller Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen von März 2020 bis März 2021 angelastet. Zu Beginn der Schöffenverhandlung im Jänner bekannten sich alle vier nicht schuldig – Pflegeheimprozess: Keine Geständnisse (noe.ORF.at; 24.1.2023). Weitere Verhandlungstage am Landesgericht St. Pölten sind für 16. und 30. März geplant.