Eingangsbereich des Theaters
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Kultur

Neues Varieté-Theater in alter Fabrik

Niederösterreich hat seit Dienstagabend eine neue Art von Theater. In Klein-Neusiedl bei Fischamend (Bezirk Bruck an der Leitha) gibt es nun das Varieté-Theater in einer mehr als 200 Jahre alten Papierfabrik.

Dem spätbarocken Gebäudekomplex der einst größten Papierfabrik der Monarchie wurde mit dem Premierenprogramm am Freitag neues Leben eingehaucht – ein spektakuläres Leben mit atemberaubender Körperbeherrschung der Mitwirkenden.

„Bis jetzt gab es noch kein Varieté in Österreich, nun aber ist es soweit“, freute sich Marc Dorffner, Leiter des Varieté-Theaters, bei der Eröffnung. „Wir verstehen unser Varieté als eine Mischung aus Theater, Komik und einer Rahmenhandlung als roter Faden, entlang dem wir unsere akrobatischen Nummern platzieren. In unserem ersten Stück bilden ein Motel und der Broadway den Faden.“

Publikumssaal im Variete-Theater
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Der alten Papierfabrik wurde nun neues Leben eingehaucht

Marc Dorffner und seine Frau Seraina haben sich nach zehn Jahren Zirkus-Tour durch die Welt in Kleinneusiedl einen Traum verwirklicht. „Wir haben mittlerweile zwei kleine Kinder und vor allem für sie wollten wir sesshaft werden. Mit dieser Papierfabrik haben wir die ideale Location. Wir wohnen gleich gegenüber, es passt also alles“, erklärte Seraina.

Künstler mit vielen Talenten

Im ersten Programm mit dem Titel „Ein * Motel“ schafft es das Team, das gerade einmal aus sechs Artisten und Artistinnen besteht, ein vielfältiges und kurzweiliges Showprogramm auf die Bühne und in den Zuschauerraum zu zaubern. Viele spektakuläre Nummern werden über den Köpfen der Zuschauer präsentiert.

Die Vielseitigkeit der Künstler und Künstlerinnen erstaunt: Weil der Jongleur auch Pantomime beherrscht oder der Hebe-Künstler nicht nur seine Partnerin, sondern auch filigrane Objekte wie Weingläser zu balancieren versteht. Mit dabei ist auch eine Sängerin, die auf dem hohen Trapez turnend eine Swing-Nummer aus dem American Songbook singt, als gäbe es keinen Abgrund unter ihr.

Ein mühsamer Weg zur fertigen Spielstätte

1793 wurde die Papierfabrik gegründet, in den 1930er-Jahren wurde dieser Standort geschlossen, die Neusiedler übersiedelte nach Wiener Neustadt. Auch im Theater ist der spätbarocke Ursprung der Halle noch erahnbar. Der Komplex in Klein-Neusiedl verkam in den vergangenen Jahrzehnten, die letzten Pächter achteten offenbar nicht auf die Substanz des Areals. Langsam erwacht dieser „Lost Place“ mit der vielen Aura aus dem Dornröschenschlaf.

Viel wäre vermutlich noch weiter verödet, wenn nicht die Familie Dorffner mit ihrer Idee zum Varieté-Theater auf die Besitzerfamilie zugegangen wäre. Und das gemeinsame Restaurieren begann. „Wir haben wuchernde Pflanzen entfernt, Wände und Böden trocken gelegt, eine Fußbodenheizung eingebaut, die großen Fenster saniert, die Elektrik komplett erneuert und, und, und. Wir haben wirklich viel investiert“, zählte Eva Polsterer, die Eigentümer-Vertreterin nach der Premiere auf: „Die Entwürfe für die tollen Eisenkonstruktionen stammen von MarC Dorffner, die Ausführung von seinem Vater.“

„Zwei Jahre haben wir daran gearbeitet, vieles aus den historischen Beständen der Fabrik eingebaut, ergänzt oder nachgebaut“, ergänzte Wolfgang Dorffner, der Schlossermeister und Vater des künstlerischen Leiters Marc Dorffner, der auf dem Gelände eine Schlosserei betreibt. Nach der gelungenen Premiere kann man dem Varieté-Theater Papierfabrik nur ein langes Bestehen wünschen. Mit Cabaret, Musik, Theater und Akrobatik steht eine abwechslungsreiche Mischung für das Publikum auf dem Programm.