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Filzmaier: „Es geht darum, Druck auszuüben“

Bei den Regierungsverhandlungen ist die Stimmung zwischen ÖVP und SPÖ angespannt. Die Parteien sparen auch in der Öffentlichkeit nicht mit gegenseitiger Kritik. Politologe Peter Filzmaier hält eine ÖVP-SPÖ-Konstellation dennoch für die wahrscheinlichste.

Bis zur konstituierenden Landtagssitzung am 23. März müssen sich die Regierungsparteien auf ein Arbeitsübereinkommen einigen – ansonsten drohen Neuwahlen, sagt Politologe Peter Filzmaier gegenüber noe.ORF.at. Die Verhandlungsparteien ÖVP und SPÖ würden einander öffentlich kritisieren, um Druck auf den jeweils anderen auszuüben – mehr dazu in Zähe Verhandlungen: Mikl-Leitner mit Appell (noe.ORF.at, 8.3.2023).

Laut Filzmaier werde es zwar Gespräche mit der FPÖ geben, denn gemäß dem Proporzsystem stehen der Partei seit der Landtagswahl drei Regierungsmitglieder zu und es gelte, die Zuständigkeiten zu verteilen. Aber dennoch hält er eine Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ für die wahrscheinlichste Konstellation – trotz der gegenseitigen Kritik der letzten Tage, wie er im Interview mit noe.ORF.at sagt.

noe.ORF.at: Kann das noch eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ÖVP und SPÖ werden? Und was ist die Taktik hinter all dem?

Filzmaier: Die Taktik scheint klar zu sein, nämlich den Druck auf den jeweils anderen zu erhöhen und damit zur Kompromissbereitschaft zu zwingen. Denn beide Seiten stehen unter Druck. Die Mehrheit, sowohl der ÖVP-Wähler als auch der SPÖ-Wähler, will eine Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen. Also steht man unter Druck und das versucht man öffentlich zu verstärken. Das Problem ist nur: Wenn ich jemandem über Medien etwas ausrichte, dann wird es für ihn schwieriger, einen Kompromiss parteiintern darzustellen, es droht ein Gesichtsverlust und das erhöht nicht unbedingt die Kompromissbereitschaft.

noe.ORF.at: Wie sehr ist die SPÖ in Niederösterreich denn von den bundespolitischen Diskussionen getrieben? Geht es für sie da jetzt irgendwo auch um Macht?

Filzmaier: Es geht für die SPÖ vor allem einmal darum, ein Ergebnis vorzuweisen. Natürlich ist es nicht so, dass man mit einer Einigung in der Landesregierung in Niederösterreich die bundespolitischen Debatten und Querelen beiseite schieben kann. Aber wenn man jetzt in Niederösterreich auch nicht in die Regierung kommt, dann hat man noch eins draufgesetzt und eine neue Diskussion.

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Katharina Sunk spricht mit dem Politologen Peter Filzmaier in „Niederösterreich heute“ über Szenarien nach der Landtagswahl

noe.ORF.at: Die SPÖ wirft der ÖVP ja vor, so weiter machen zu wollen wie bisher. Tut sich die ÖVP da tatsächlich etwas schwer, die geänderten Machtverhältnisse in Niederösterreich zu akzeptieren?

Filzmaier: Die Regierungsmitglieder kann die ÖVP Niederösterreich schon durchzählen. Sie weiß, dass sie keine absolute Mehrheit mehr in der Regierung und im Landtag auch nicht hat. Aber das Problem ist: Dahinter verbirgt sich ja mehr. Es gab Zuständigkeiten in der Regierung und Abteilungen, die die ÖVP vielleicht fast als Erbpacht gesehen hat. Und wenn man jetzt schwierigere Verhandlungen hat, dann muss man mehr als früher abgeben, auch an Macht. Und das tut weh.

noe.ORF.at: Manche Medien spekulieren, dass die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ scheitern könnten – ist es denkbar, dass vielleicht doch noch die FPÖ statt der SPÖ als Partner ins Boot kommt?

Filzmaier: Wenn, dann wohl nur mit der ÖVP. Wenn die SPÖ das machen würde und versuchen würde, kann sie sich quasi gleich spalten. Die Freiheitliche Partei kann einerseits also nur bei Fuß stehen und abwarten. Sie muss aber schon auch Gespräche führen und die finden ja zwischen ÖVP und FPÖ auch statt. Denn unabhängig davon, wer eine de facto Koalition bildet – es muss ja auch Zuständigkeiten der drei FPÖ-Landesräte geben. Die können ja nicht einfach nur für die Parkraumüberwachung in St. Pölten im Regierungsviertel zuständig sein, dort gibt es eine Tiefgarage. Sondern man muss auch denen Aufgabenbereiche geben.

noe.ORF.at: Aber ist das ein realistisches Szenario, dass es doch ÖVP-FPÖ wird? Oder wird es trotz dieses ganzen Hickhacks doch höchstwahrscheinlich eine ÖVP-SPÖ-Zusammenarbeit?

Filzmaier: Eine ÖVP-SPÖ-Zusammenarbeit ist mit Abstand weiterhin am wahrscheinlichsten, aber es ist ein möglicher, wenn auch vielleicht nicht so sehr gewollter Plan B für die ÖVP.

noe.ORF.at: Bis zur konstituierenden Landtagssitzung sind es noch zwei Wochen. Was passiert, wenn es bis dahin kein Arbeitsübereinkommen gibt?

Filzmaier: In letzter Konsequenz würde das zu Neuwahlen führen. Denn natürlich können trotzdem Regierungsmitglieder im Landtag bestellt werden. Die wären ja aufgrund des Proporzsystems von der jeweils eigenen Partei quasi nominiert. Die anderen Parteien können gar nicht dagegen stimmen. Die Landeshauptfrau kann mit freien Mehrheiten auch gewählt werden, beispielsweise von ÖVP, Grünen und NEOS. Aber dann habe ich nicht das Problem gelöst, wer in der Regierung wofür zuständig ist. Es kann ja nicht sein, dass alle für alles zuständig sein wollen oder vielleicht auch alle für gar nichts – das würde in letzter Konsequenz dann in eine Neuwahl führen, was aber niemand will.