Politik

Viel Kritik an schwarz-blauem Pakt

Das Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ stößt auf viel Kritik. Die SPÖ kündigte „starke und konstruktive Oppositionsarbeit“ gegen diesen „Pakt der Unehrlichkeit“ an. Die Grünen sprechen sich gegen die Wahl von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur Landeshauptfrau aus.

„Ein Pakt zwischen ÖVP und FPÖ katapultiert das Land in die Vergangenheit“, reagierte die Landessprecherin und Klubobfrau der Grünen, Helga Krismer, am Freitag in einer Aussendung. Volkspartei und Freiheitlichen gehe es um Machtverliebtheit. „Unter diesen Vorzeichen können die Grünen Johanna Mikl-Leitner nicht wählen.“

Krismer stößt sich vor allem an der Einstellung bzw. Politik der Freiheitlichen in Bezug auf den Klimawandel und das Coronavirus. „Wer auf die Idee kommt, mit Klimaleugnern, Wissenschaftsverweigerern, Kunstfeinden und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren“, sagte Krismer in Richtung der Landeshauptfrau.

Kritik kam auch von Grünen-Vizekanzler Werner Kogler. Mikl-Leitner sage, dass ihre Koalition die Gesellschaft wieder zusammenführen soll, so Kogler via Twitter: „Sie wird noch lange erklären müssen, wie das an der Seite jener gelingen soll, die Erdbebenopfer verunglimpfen, Jugendlichen ihre österreichische Heimat absprechen und Nazi-Liederbücher verherrlichen.“

Hergovich: „Unehrliche und unsoziale Politik“

„ÖVP und FPÖ finden in Niederösterreich im Rekordtempo zueinander. Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze“, teilte SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner via Twitter mit. Die Freiheitlichen dürfen „kein Partner für die Sozialdemokratie“ sein, betonte Rendi-Wagner. Ähnlich äußerte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch per Aussendung. Für ihn ist das Bündnis ein „gewaltiger Rückschritt für Niederösterreich und eine gefährliche Drohung für ganz Österreich“.

„Eine politische Zusammenarbeit, die mit einem Jein beginnt, kann und wird nicht gut enden“, kritisierten der designierte SPÖ-Landesparteivorsitzende Sven Hergovich und SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander. „Die Menschen in Niederösterreich werden einen hohen Preis für diesen Pakt der Unehrlichkeit zahlen.“

„Das Ergebnis dieses ‚Johanna-Mikl-Leitner-Herbert-Kickl-Pakts‘ der sozialen Kälte wird eine Politik sein, die unehrlich, unglaubwürdig und unsozial ist“, wurde kritisiert. Die SPÖ werde alles tun, um den Schaden für Niederösterreich durch diesen Pakt „mit starker und konstruktiver Oppositionsarbeit so klein wie möglich zu halten“, kündigte Hergovich an.

Aus Sicht des designierten Klubobmanns der SPÖ, Hannes Weninger, habe die ÖVP „mit Landbauer, Waldhäusl und Co. handzahme Bettvorleger für den Erhalt ihres absolutistischen Machtanspruches gefunden. Ein Renommee für Niederösterreich ist dieser Kickl-Mikl-Pakt nicht.“ Die SPÖ will im Landtag deshalb Mehrheiten „für ein soziales und demokratisches Niederösterreich suchen“.

Ex-Ministerin tritt aus ÖVP aus

Kritik an der ÖVP kam am Freitag auch aus den eigenen Reihen. „Als Niederösterreicher bedauere ich, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ gekommen ist. Landbauer und Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist“, teilte Othmar Karas, erster Vizepräsident des Europaparlaments, via Twitter mit.

„Ich kann aber auch die SPÖ nicht aus ihrer Mitverantwortung entlassen. Taktik darf nicht über das Land gestellt werden“, meinte Karas, der sich für ein Ende des Proporzes aussprach. Einen Schritt weiter in der Kritik ging die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky. Sie teilte am Freitag via Facebook mit, dass sie „wohl überlegt und mit Wehmut“ wegen des „zunehmenden Rechtsrucks der Partei“ und der nunmehrigen „Kooperation der ÖVP NÖ und der FPÖ NÖ“ ihre Mitgliedschaft zurücklegen werde.

NEOS: „LH kann keine tragfähige Basis aufbauen“

„Die ‚Ibiza-Koalition‘ ist eine Reise in die Vergangenheit“, meinte NEOS-Landessprecherin Indra Collini in einer Aussendung. „Dass ÖVP und FPÖ bei den Themen Bildung, Transparenz und Klimawandel in dieser Legislaturperiode Meter machen werden, ist nicht zu erwarten. Umso wichtiger wird unsere Rolle als Opposition sein, bei diesen Themen nicht lockerzulassen.“ Weiters erklärte Collini: „Eine Landeshauptfrau, die nur von den eigenen Abgeordneten gewählt wird, kann keine tragfähige Basis für die nächsten fünf Jahre aufbauen.“

Kritische Worte kamen auch von NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos. Er warnte „vor der drohenden Rückkehr der rechtspopulistischen und korrupten schwarz-blauen Koalition auch im Bund und nach der Landtagswahl in Salzburg“. Die Volkspartei habe mit dem Pakt mit der Landbauer-Waldhäusl-FPÖ bewiesen, dass sie vor nichts zurückschrecke und sich auf Biegen und Brechen an die Macht klammere.

Kunst & Klima: Widerstand gegen Bündnis

Bereits am Mittwoch sprachen sich mehrere niederösterreichische Künstler und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, offen gegen ein Bündnis von Volkspartei und Freiheitlichen aus. Am Donnerstag folgte der Verein „Willkommen – zum Finden einer neuen Heimat“, der Medienberichten zufolge in einem offenen Brief gemeinsam mit acht weiteren Organisationen die Demokratie in Gefahr sah und einen Verhandlungsstopp forderte.

Für Samstag plant die Plattform für eine menschliche Asylpolitik laut einer Aussendung ab 15.00 Uhr auf dem Wiener Karlsplatz eine Kundgebung samt Konzerten, die auch gegen die „Beteiligung der neonazistischen FPÖ an der niederösterreichischen Landesregierung“ gerichtet ist. Angesagt haben sich demnach u. a. Cornelius Obonya und Marco Pogo. Am Donnerstag, dem Tag der konstituierenden Landtagssitzung, plant zudem SOS Mitmensch eine Kundgebung auf dem Landhausplatz.

Global 2000 zeigte sich in einer ersten Reaktion kritisch, weil das Thema Klimaschutz in der Präsentation des schwarz-blauen Übereinkommens fast komplett gefehlt habe. „Stattdessen gab es ein Bekenntnis zum motorisierten Individualverkehr und einen Ruf nach Vorantreiben weiterer Straßenbauprojekte“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher der Umweltschutzorganisation.

JöH: "Schlag ins Gesicht für alle Juden und Jüdinnen

Victoria Borochov, Präsidentin der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), zeigte sich über das Arbeitsübereinkommen schockiert: “Die Entscheidung der ÖVP, mit dieser FPÖ-Niederösterreich zu koalieren, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Jüdinnen und Juden in Österreich. Gerade die ÖVP betont immer wieder, dass ihnen der Kampf gegen Antisemitismus besonders wichtig sei. Dabei beweisen sie durch diese Koalition erneut das genaue Gegenteil. Dass so bereitwillig mit einer Partei koaliert wird, die sich offen antisemitisch zeigt, wirft erneut die Frage auf, ob die ÖVP ihren Kampf gegen Antisemitismus ernst meint."

Mit dieser politischen Zusammenarbeit erteile die ÖVP Niederösterreich der FPÖ und ihrer judenfeindlichen wie menschenverachtenden Politik eine Legitimation, die nicht zu akzeptieren sei. Diese Koalition zeige auf schockierende Art und Weise, wie die österreichische Regierungspartei ÖVP abermals dazu bereit ist, bei Antisemitismus beide Augen zuzudrücken, obwohl sie sich den Kampf gegen diesen auf die Fahnen schreibt, so die Kritik der JöH.

IV und WKNÖ: „Arbeit muss wieder beginnen“

Indes freut sich die Wirtschaftskammer Niederösterreich, sowie deren Präsident Wolfgang Ecker, auf eine künftige Zusammenarbeit mit der neuen Landesregierung. In einer Aussendung wurde betont, dass es eine gute Nachricht sei, dass die Wirtschaft zur Chefsache erklärt wurde. Die Wirtschaftskammer NÖ stehe für die Fortführung bewährter gemeinsamer Initiativen und Entwicklung neuer Projekte bereit, betonte Ecker.

Die Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ) wünschte der neuen Landesregierung in einer Aussendung alles Gute für die Zusammenarbeit. Der Blick müsse nun nach vorne gerichtet und wieder gemeinsam an die Arbeit gegangen werden, heißt es. Seitens der IV begrüßte man die Umsetzung der Kinderbetreuungsoffensive. Ebenso forderte man, dass die Landesregierung weiters tragfähige Lösungen gegen den vorherrschenden Arbeitskräftemangel findet. „Wir appellieren, dass an den Themen konstruktiv und lösungsorientiert gearbeitet wird. Niederösterreich benötigt eine tatkräftige Regierung, um den Wohlstand der Menschen zu sichern", so IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer.

„Verhandlungen abgeschlossen“

In der Nacht auf Freitag gaben ÖVP und FPÖ bekannt, dass die seit der Vorwoche laufenden Verhandlungen über ein Arbeitsübereinkommen „abgeschlossen“ sind und man sich „geeinigt“ habe. „Im Ringen um Lösungen haben wir uns auf Maßnahmen geeinigt, die Niederösterreich voranbringen werden“, betonte ÖVP-Parteiobfrau Mikl-Leitner in einer Aussendung.

„Wir haben uns auf ein ambitioniertes Arbeitsprogramm im Sinne einer echten Veränderung und unserer Landsleute geeinigt“, teilte FPÖ-Landespartei- und -klubobmann Udo Landbauer mit – mehr dazu in ÖVP – FPÖ: Gremien tagen zu Arbeitsprogramm (noe.ORF.at; 17.3.2023).