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Politik

Deutsch über FPÖ: „Fast alle Kellernazis“

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, übt heftige Kritik an der Zusammenarbeit der ÖVP mit den Freiheitlichen. Wortwörtlich sagt er: „Die FPÖ Niederösterreich ist aufgrund ihrer Mandatare, die mehr oder weniger fast alle Kellernazis sind, eine ganz spezielle.“

Das Bündnis ÖVP-FPÖ bezeichnet der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) als „grotesk“: „Dann macht man ein paar Tage nach der Verleihung des Wiesenthal-Preises eine Koalition mit der FPÖ in Niederösterreich, wo viele Funktionäre den Holocaust leugnen, wo man bei einigen zu Hause Liederbücher gefunden hat, wo einer Juden registrieren lassen wollte und so weiter – das kann nicht sein, das verstehe ich wirklich nicht.“

Er sei gegen jede Koalition mit der FPÖ – im Bund sowie in den Ländern. Die FPÖ Niederösterreich sei aber „eine ganz spezielle“, so Deutsch: „Die FPÖ in Niederösterreich ist aufgrund ihrer Mandatare die mehr oder weniger fast alle Kellernazis sind, eine ganz spezielle. Mit all den Vorwürfen, die ich schon letzte Woche erhoben habe.“

FPÖ weist Vorwürfe zurück

Von der FPÖ Niederösterreich heißt es am Sonntag, dass der Vorwurf des IKG-Präsidenten ins Leere laufe: „Die FPÖ ortet einen Versuch, dem Arbeitsübereinkommen für Niederösterreich und der zweitstärksten politischen Kraft zu schaden. Das Muster ist bekannt. Kurz vor Wahlen oder Eintritten der FPÖ in diverse Regierungsämter wird alles daran gesetzt, Mitglieder, Funktionäre, Abgeordnete und die Wählerschaft der FPÖ in ein schlechtes Licht zu rücken.“

IKG-Kritik an Schwarz-Blau in NÖ

Die schwarz-blaue Zusammenarbeit in Niederösterreich stößt weiterhin auf viel Kritik. Am Sonntag kam sie auch von der IKG. Diese hatte bereits vor Bekanntgabe des Arbeitsüberkommen vor dieser Koalition gewarnt. Jetzt legte Präsident Oskar Deutsch noch einmal nach.

Liederbuch-Affäre und Debatte um koscheres Fleisch

Deutsch hatte sich bereits während der Verhandlungen öffentlich geäußert und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aufgefordert, die Gespräche abzubrechen. In seinem Statement gegenüber der „ZIB1“ am Sonntag bezog er sich u.a. auf die Liederbuchaffäre rund um den FPÖ-Landesobmann und künftigen Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer. Ein Liederbuch seiner früheren Burschenschaft enthielt antisemitische und rassistische Texte.

Landbauer war eine Zeit lang stellvertretender Vorsitzender der schlagenden Burschenschaft. Er stritt ab, die Lieder zu kennen. Im Verfahren gegen Mitglieder der Burschenschaft wurde er als Zeuge, nicht als Beschuldigter geführt. Es wurde im selben Jahr eingestellt. Aus der Burschenschaft sei er ausgetreten, sagte Landbauer 2018.

Der Vorwurf der Registrierung von Jüdinnen und Juden geht auf eine Diskussion aus dem Jahr 2018 zurück, als der für Tierschutz zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl prüfen ließ, ob der Bedarf koscheren Fleisches an den Wohnort gekoppelt werden könnte. Die IKG befürchtete damals, dass sich Jüdinnen und Juden registrieren lassen müssten, damit sie koscheres Fleisch kaufen können – mehr dazu in IKG befürchtet Teilverbot koscheren Fleisches in NÖ (religion.ORF.at; 17.07.2018). Waldhäusl führte damals als Beweggrund den Tierschutz und das Einschränken von Schächtungen an.

„Kein Verständnis“ von jüdischer Community

Mikl-Leitner betonte am Wochenende in mehreren Interviews, dass ihr die jüdische Gemeinschaft ein großes Anliegen sei. Am Freitag hatte sie bei einer Pressekonferenz gesagt, dass sie von der jüdischen Community Verständnis für die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen erhalten habe. Deutsch widerspricht dem: „Das stimmt einfach nicht. Die Frau Landeshauptfrau sollte das unterlassen.“

Er sei am Samstag in einer Synagoge mit über 200 Leuten gewesen, viele hätten ihm ihr Leid geklagt „über das, was sich in Niederösterreich abspielt“: „Ich bin mit vielen Gemeindemitgliedern in Kontakt.“ Die IKG Wien ist auch für Niederösterreich zuständig.

„Bis Donnerstag ist noch Zeit“

Deutsch hofft, dass sich die Zusammenarbeit ÖVP-FPÖ bis Donnerstag noch auflöst: „Ich glaube, dass es Zeit gibt bis Donnerstag. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Donau runter. Vielleicht können einige Leute, die Funktionäre der ÖVP, aber vielleicht auch Funktionäre der SPÖ, sich besinnen und dann noch einen Meinungsschwenk hervorbringen.“

Welche Konsequenz die IKG aus der ÖVP-FPÖ-Einigung in Niederösterreich ziehe, stehe noch nicht fest. Ob er etwa Veranstaltungen des Landes künftig boykottieren wird, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

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Sein Ärger richte sich gegen die ÖVP, da die Zusammenarbeit mit der FPÖ „rein mathematisch“ nicht notwendig ist, so Deutsch im „ZIB1“-Interview

Die Inhalte im Arbeitsübereinkommen

Im Arbeitsprogramm heißt es in der Online-Version von Sonntagnachmittag im Kapitel „Kultur“, dass man Antisemitismus bekämpfen und das Gedenken an den Holocaust in den Fokus stellen will. Als Unterpunkte werden u.a. aufgeführt: „Stärkung des jüdischen Gemeinde- und Kulturlebens, Erhaltung und Erneuerung der Synagogen, Dokumentation zum jüdischen Leben (z.B. am Semmering), Sichtbarmachen ehemaliger KZ-Außenlager (wie insbesonders Besucherzentrum und Ausstellungsbereich in Melk und die „Serbenhalle" in Wiener Neustadt), Erhaltung und Sanierung der jüdischen Friedhöfe sowie Fürsorge für die Kriegs- und Opfergräber“.

Angesprochen auf diese Punkte sagte Deutsch: „Ich brauche keine Zugeständnisse. Es ist immer die Frage, mit wem man eine Koalition macht. Wenn man den Kampf gegen Antisemitismus ernst nimmt, dann sollte man mit einer Partei wie die FPÖ als Ganzes, aber speziell die FPÖ Niederösterreich, einfach schon als Vorbildwirkung keine Koalition machen.“ Diese Punkte seien wichtig, aber wichtiger sei, „dass diese Werte, von denen immer die Parteien in Österreich, von denen immer die ÖVP spricht, dass diese Werte eingehalten werden. Mit einer Zusammenarbeit mit so einer Partei gehen diese Werte flöten.“

Kritik an Schwarz-Blau kam auch vom Internationalen Auschwitz Komitee. Das Bündnis sei ein „bitteres Signal“ und für Überlebende des Holocaust und deren Angehörige „empörend und grauenerregend“, so der Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Samstag.