ABD0036_20230317 – ST. P…LTEN – …STERREICH: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (…VP) und FP…-Landesparteichef Udo Landbauer am Freitag, 17. MŠrz 2023, anl. der PrŠsentation des …VP-FP…-ArbeitsŸbereinkommens nach der niederšsterreichischen Landtagswahl in St. Pšlten. – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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Politik

CoV-Pläne: Zweifel im Bund, ÖVP NÖ ortet „Beißreflex“

Die Pläne von ÖVP und FPÖ, wonach verfassungswidrige CoV-Strafen zurückgezahlt werden sollen, sorgen für Skepsis – nicht nur in Expertenkreisen, sondern auch innerhalb der ÖVP. ÖVP Niederösterreich und FPÖ orten hingegen einen „Beißreflex“ und „destruktive Kräfte“.

Es ist vor allem das erste Kapitel im Arbeitsübereinkommen, das seit Tagen für Diskussionen und Skepsis sorgt. Laut diesem sollen jene Strafen, die auf Grundlage von Bestimmungen, die später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, vom Land zurückerstattet werden. 30 Millionen Euro will das Land dafür sowie für die Wiedergutmachung von Schäden, die durch die Maßnahmen entstanden seien, in die Hand nehmen. Wie das genau funktionieren soll, ist allerdings fraglich.

In die Reihe der Juristinnen und Juristen, die Bedenken äußerten, reihte sich am Wochenende sogar Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ein. „Für mich geht sich das weder als Juristin noch als Verfassungsministerin aus“, sagte sie in einem Interview mit der „Krone“ (Online-Ausgabe). Und auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) räumte in der „ORF-Pressestunde“ am Sonntag ein, dass die Rückzahlung rechtlich schwierig werden könnte. Es gehe aber darum, in der Pandemie entstandene Gräben zuzuschütten.

Skepsis zu Rückzahlung von CoV-Hilfen

Die Bundesregierung betont, dass keine bundesweite Regelung zur Rückzahlung von CoV-Strafen kommen wird. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler haben rechtliche Bedenken.

ÖVP und FPÖ verweisen auf beigezogene Juristen

Sowohl FPÖ als auch ÖVP Niederösterreich waren am Montag bemüht, die Pläne zu verteidigen. Niederösterreichs ÖVP ortete – auch in Anbetracht der massiven Kritik an dem Arbeitsübereinkommen generell – einen „Beißreflex“ der Öffentlichkeit. Klubobmann Jochen Danninger betonte bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, dass er die Rückerstattung von verfassungswidrigen Covid-Strafen als rechtlich machbar erachte – mit Verweis auf beigezogene Juristen.

Bereits am Vormittag war FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz der vermehrten Kritik in einer Aussendung entgegengetreten: Er verwies ebenfalls darauf, dass die Rückzahlung von CoV-Strafen gemeinsam mit Fachexperten bei den Verhandlungen geprüft worden sei. „Die Rückzahlung geht, wird passieren und ist nur gerecht“, so Schnedlitz, der außerdem fordert: „Destruktive Kräfte sollen aufhören, die Wiedergutmachung von außen schlechtzureden.“ Er sprach von einem „einzigartigen Meilenstein“, der der FPÖ gelungen sei. "Das ist der Weg der Gerechtigkeit. Das ist der Weg der konstruktiven Kräfte.“

ABD0053_20221115 – WIEN – …STERREICH: Innenminister Gerhard Karner (…VP) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (…VP) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Hofburg am Dienstag, 15. November 2022. – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
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Skepsis und Zweifel angesichts der CoV-Plänen waren am Wochenende auch von Innenminister Gerhard Karner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu hören. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz verweist hingegen auf Prüfung durch Fachexperten.

Mehrere Expertinnen und Experten sehen das dennoch anders. „Diese Strafen wurden vom Land im Namen des Bundes verhängt. Das heißt, letztlich muss der Bund entscheiden, ob das zurückgezahlt wird“, äußerte sich Verfassungsjurist Karl Stöger am Wochenende als einer der ersten skeptisch. Es sei nicht klar, ob es dafür überhaupt eine ausreichende Rechtsgrundlage gebe – mehr dazu in ÖVP-FPÖ-Pakt bringt CoV-Strafenrückzahlung (noe.ORF.at; 18.3.2023).

In dieselbe Kerbe stieß am Montag auch Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger. Er sah im Ö1-Mittagsjournal in Bezug auf die geplante Rückerstattung der Strafen Probleme bei der praktischen Umsetzung. Es seien viele Fragen offen. Verfassungsrechtler Heinz Mayer sah die Regelung kritisch und verwies darauf, dass Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes immer für die Zukunft gelten.

Skepsis auch an der ÖVP-Basis

Für Unmut sorgt das schwarz-blaue Bündnis allerdings auch auf regionaler Ebene innerhalb der ÖVP. Cornelia Sturm-Wagner, ehemals ÖVP-Vizebürgermeisterin von Aschbach-Markt (Bezirk Amstetten) trat laut einem Onlinebericht der „NÖN“ („Niederösterreichische Nachrichten“) aus der Volkspartei aus. „Diese Regierungspartei in NÖ ist nicht mehr meine ÖVP. Impfgegner und Homeschooling-Eltern werden gefördert“, wird sie zitiert. Verständnis zeigte ihr Parteikollege, Ortschef Martin Schlöglhofer: „Ich verstehe ihre Handlungsweise und wenn ich nicht die Funktion als Bürgermeister innehätte, würde ich eine ähnliche Reaktion ins Auge fassen und mich von der jetzigen Landes-ÖVP distanzieren.“

Klubobmann Danninger sieht in dem umstrittenen Übereinkommen hingegen auch Grundprinzipien der Volkspartei gestärkt, wie er am Montag betonte. Dazu zählen für ihn Eigentum, Pflege, Mobilität und das Bekenntnis zu Europa. „Wir wissen, dass es da jetzt natürlich eine große Aufregung gibt“, betonte auch ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner zur herrschenden Kritik am schwarz-blauen Übereinkommen. Er verwies darauf, dass es bereits in der Vergangenheit auf diversen Ebenen Bündnisse von Volkspartei oder auch SPÖ mit den Freiheitlichen gegeben habe. Generell sei der „Aufschrei erwartbar laut“, aber auch einer, „den man im Detail anschauen muss“.

Der CoV-Fonds sei naturgemäß ein „Zugeständnis der ÖVP“ im Rahmen der Verhandlungen mit den Freiheitlichen gewesen, so Danninger. Es gehe jedoch um mehr als die Strafenrückzahlung. Vorgesehen ist mit den zur Verfügung stehenden 30 Millionen Euro laut Arbeitsübereinkommen u.a. auch die Finanzierung von Beratungsleistungen im Fall individueller Schäden, von medizinischer Betreuung von Personen mit Impfbeeinträchtigungen sowie die Beteiligung an Kosten zur Behandlung psychischer Probleme.

Mikl-Leitner Landbauer Präsentation Arbeitsübereinkommen
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Der CoV-Fonds sei ein „Zugeständnis der ÖVP“ im Rahmen der Verhandlungen mit den Freiheitlichen gewesen, hieß es am Montag von der ÖVP Niederösterreich

Das Geld komme nicht nur Maßnahmenkritikern zugute, so Danninger: „Menschen, die sich an alles gehalten haben, dürfen jetzt nicht die Dummen sein.“ Die Einrichtung des Fonds und eine Erarbeitung von Förderrichtlinien durch die Landesregierung solle „so schnell wie möglich“ über die Bühne gehen.

Kritik reicht von „Entsetzen“ bis „Fahrlässigkeit“

„Entsetzt“ zeigte sich am Montag Rupert Dworak, Präsident des Sozialdemokratischen GemeindevertreterInnenverbandes NÖ (GVV NÖ). Er spricht von einem „Schlag ins Gesicht“ für alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie zigtausende Ehrenamtliche. „Und es ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die sich bemüht haben, in dieser schweren Zeit regelkonform zu leben und die nun erfahren müssen, dass sie angeblich falsch gelegen sind“, so Dworak.

Dem widersprach am Montagabend wiederum der Präsident des niederösterreichischen ÖVP-Gemeindebundes, Johannes Pressl und betonte, dass nur „alle verfassungswidrigen Strafen rückersetzt werden“ sollen. „Strafen die aufgrund eines Gesetzes verhängt wurden, das später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Eine Forderung, die so auch von der SPÖ und den NEOS im Nationalrat aufgestellt wurde, namentlich etwa Pamela Rendi-Wagner und Nikolaus Scherak. Also eine zentrale Forderung der gesamten Opposition im Nationalrat“, so Pressl.

Kritisch sieht die Pläne auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Er bezeichnete die Umsetzung bei einem Radfahr-Termin mit Umweltministerin und Parteikollegin Leonore Gewessler als schwierig: „Das wird Niederösterreich klären müssen, wie sie das zu tun gedenken“, sagte er. Auf Bundesebene sei so etwas definitiv „keine Option“, Niederösterreich „wird die Bundesregierung in ihrer Arbeit nicht beeinflussen“.

Vereinbart wurde von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich auch, dass das Land keine weiteren Werbemaßnahmen für die Corona-Impfung durchführt. Auch dazu äußerte sich Rauch. Der Gesundheitsminister will selbstverständlich „weiterhin für die Corona-Impfung eintreten, weil sie vor allem auch ältere Personen, die besonders gefährdet sind, gut vor Long Covid schützt“. „Im Herbst wird es von Seiten des Ministeriums den Aufruf geben, auch in Niederösterreich sich auffrischen zu lassen“, bekräftigte Rauch.

Ein Mann wird mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft am Montag, 29. November 2021, im Rahmen eines Fototermins bei der Impfstraße im Hallenbad Amalienbad in Wien
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Dass ÖVP und FPÖ künftig keine Empfehlungen mehr für die CoV-Impfung aussprechen wollen, sorgte vor allem auch bei Ärzte- und Apothekerkammer für Kritik

Der Vorstoß, künftig keine Empfehlung mehr für die Corona-Impfung auszusprechen, sei aus gesundheitspolitischer und wissenschaftlicher Sicht strikt abzulehnen, hieß es indes per Aussendung seitens der Apothekerkammer NÖ. Ohne Impfung hätten wir die Pandemie noch nicht hinter uns, betonte Heinz Haberfeld, Präsident der niederösterreichischen Apothekerkammer. Damit stieß er ins selbe Horn wie die Ärztekammer bereits am Wochenende. Impfungen „aus rein politischen Gründen“ generell in Frage zu stellen sei „fahrlässig, ja sogar gefährlich“, kritisierte der Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, Harald Schlögel.

Viel Tadel auch abseits der CoV-Pläne

Auch abseits der CoV-Pläne reißt die Kritik am Arbeitsübereinkommen nicht ab: „Die Koalition mit diesem besonders radikalen Teil der FPÖ ist ein Tabubruch. Sie schadet dem internationalen Ansehen und damit dem Wissenschaftsstandort Österreich und Niederösterreich, sie befördert eine Politik der Ausgrenzung, des Rassismus und der Wissenschaftsfeindlichkeit“, heißt es in dem offenen Brief aus der Wissenschaft, der von mehr als 250 Personen unterzeichnet wurde. Als Initiatoren gelten Jörg Flecker von der Uni Wien, Ruth Simsa (Wirtschaftsuniversität Wien) und Ruth Wodak (Lancaster University/Universität Wien).

Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie stößt sich außerdem daran, dass das Übereinkommen vorsieht, dass „die Verwendung der deutschen Sprache auch in Pausen und am Schulhof durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen“ vorangetrieben werden soll. Geortet wurde eine „Missachtung der Kinderrechte“, „evidenzbasierte Beispiele für die Wirksamkeit solcher Maßnahmen“ gebe es nicht – mehr dazu in Kinderpsychiater kritisieren ÖVP-FPÖ-Abkommen (science.ORF.at, 20.3.2023).

Besonders deutlich wurde am Wochenende der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Wortwörtlich sagt er: „Die FPÖ Niederösterreich ist aufgrund ihrer Mandatare, die mehr oder weniger fast alle Kellernazis sind, eine ganz spezielle.“ – mehr dazu in Deutsch über FPÖ: „Fast alle Kellernazis“ (noe.ORF.at; 19.3.2023).