Politik

Große Kritik an fehlenden Klimaplänen

Beim Umwelt- und Klimaschutz wird der Pakt zwischen ÖVP und FPÖ als „unambitioniert und widersprüchlich“ kritisiert. NGOs zeigen sich überrascht und irritiert von den Inhalten. LH-Stv. Stephan Pernkopf (ÖVP), der die Agenden behält, weist die Kritik zurück.

Der Weltklimarat (IPCC) veröffentlichte am Montag seinen neuesten Bericht. Sein Fazit: Die Erderwärmung liegt – im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung – bereits bei rund 1,1 Grad. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung, bis zu 3,6 Milliarden Menschen, leben laut dem Bericht in Regionen, die besonders starke Folgen des Klimawandels erleben dürften.

Der IPCC lässt keinen Zweifel offen, dass die Klimaerwärmung in vollem Gang ist und drastische Schritte nötig sind, um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten. Noch sei es möglich – aber im Marathon gegen die Klimakrise seien nun Sprintqualitäten gefragt, betonen Fachleute. Das aktuelle Arbeitsübereinkommen von ÖVP-FPÖ in Niederösterreich fällt in die letzten Jahre, in denen die Schritte für ein Abfedern der Klimakatastrophe und für die Energiewende noch gesetzt werden können.

Neue Straßen unvereinbar mit Bodenschutz

Dementsprechend hart fällt die Kritik von Organisationen in diesem Bereich aus: Es sei die letzte Legislaturperiode in Niederösterreich, in der das Bundesland seinen Beitrag für das Einhalten des 1,5-Grad-Zieles leisten könne, so die Plattform „klimaNÖtral“. Deren Sprecher Erwin Mayer kritisiert, dass im Übereinkommen zwar stehe, dass man „unnötigen Bodenverbrauch“ vermeiden will, aber gleichzeitig Straßenprojekte wie S1, S8 oder S34 vorangetrieben werden sollen. Das Festhalten an Verbrennern und das Betonen auf E-Fuels sorgt ebenso für Kopfschütteln.

E-Fuels müssten nämlich aus weit entfernten Regionen importiert werden, was wiederum gegensätzlich zur angestrebten Energieunabhängigkeit sei, wie sie im Abkommen festgehalten wird. Positiv gesehen wird der angekündigte Ausbau erneuerbarer Energien. Dazu seien aber auch ein Netzausbau, eine Zonierung für Windräder und PV-Anlagen sowie eine Einspeisgarantie für alle erneuerbaren Energieanlagen notwendig, fordert „klimaNÖtral“-Sprecher Mayer.

Stau auf der Westautobahn
ORF/Markus Posch
Das Festhalten am Individualverkehr und Verbrennermotoren steht in der Kritik. Mit 6,8 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf liegt Niederösterreich über dem österreichischen Durchschnitt.

Offener Brief des Naturschutzbundes an Mikl-Leitner

Der Naturschutzbund Niederösterreich hat sich am Dienstag in einem Offenen Brief an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) „äußerst überrascht und irritiert“ gezeigt, dass im Arbeitsübereinkommen „keine einzige Maßnahme zu finden“ sei, die den größten aktuellen Bedrohungen, der Biodiversitäts- und der Klimakrise, entgegenwirke. „Es geht nicht ohne Klima- und Biodiversitätsschutzmaßnahmen“, wurde in dem Schreiben festgehalten.

„Heute“ seien Maßnahmen erforderlich, die Warnungen des IPCC und die Befunde zum Biodiversitätsverlust könnten nicht eindeutiger sein, so der Naturschutzbund. Es werde zwar erkannt, dass Niederösterreich „als flächenmäßig größtes Bundesland im Umweltschutz viel bewirken kann“, aber der Naturschutzbund bezweifelt, ob sich die Schwarz-Blaue-Koalition tatsächlich „ihrer Verantwortung bewusst“ ist.

„Maßnahmen, die Klimakrise weiter befeuern“

Unter den bis 2028 geplanten Maßnahmen finde sich keine einzige, die die Erhaltung der Natur im Fokus habe. Der Begriff „Natur“ kommt im Übereinkommen nicht vor. Begriffe wie „Schonung der Ressourcen“ oder „Erhaltung intakter Lebensräume“ würden zwar in einleitenden Statements genannt, nach konkreten Maßnahmen suche man allerdings vergeblich.

Sonnenblumen hinter einen Getreidefeld
APA/HARALD SCHNEIDER
Der Naturschutzbund spricht von „bedenklicher Agrochemie“ die in der Landwirtschaft weiter eingesetzt werde

Vielmehr, so der Naturschutzbund weiter, stoße man auf Maßnahmen, „die die Klima- und Biodiversitätskrise weiter befeuern werden". So sollen Straßen ausgebaut werden, außerdem soll keine Lkw-Maut auf Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen eingehoben werden. Der Einsatz bedenklicher Agrochemie im Pflanzenbau werde als unabkömmlich gesehen, wenn man „genussfähige, heimische“ Lebensmittel produzieren wolle.

Adäquates Budget für Naturschutz gefordert

Der Naturschutzbund fordert, „den Schutz der Biodiversität und des Klimas als wesentliche Herausforderungen anzuerkennen, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem aktuellen IPCC-Bericht 2023 und konkrete Klima- und Biodiversitätsmaßnahmen in einem hohen Ausmaß zu forcieren." Dazu gehöre unter anderem ein den Anforderungen dieser Krise gerecht werdendes Budget für den Naturschutz.

„Fridays for Future“ kritisiert, dass die Parteien den Klimaschutz nicht ernst nehmen würden. Unter dem Motto „Schwarz-Blau? – Klima GAU“ ruft die Bewegung am Mittwoch zur Demonstration in St. Pölten auf.

Von der Umweltschutzorganisation Global 2000 heißt es, dass das Thema Klimaschutz in der Präsentation des schwarz-blauen Übereinkommens fast komplett gefehlt habe. „Stattdessen gab es ein Bekenntnis zum motorisierten Individualverkehr und einen Ruf nach dem Vorantreiben weiterer Straßenbauprojekte“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000.

ÖVP verweist auf geplante Energiewende

Diese massive Kritik wies Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) gegenüber noe.ORF.at zurück. Er war in der auslaufenden Legislaturperiode unter anderem für Natur-, Umwelt- und Bodenschutz zuständig und wird diese Kompetenzen auch weiterhin beibehalten. Die Landesregierung werde sehr wohl den Klimaschutz vorantreiben, beteuerte Pernkopf: „Wir haben einen massiven Ausbau der Erneuerbaren vorgesehen, nämlich eine Verdreifachung der Windkraft und eine Vervierfachung der Photovoltaik. Die Aktion ‚Raus aus Öl‘ wird außerdem noch mehr forciert.“

Allerdings habe Niederösterreich schon bisher mehr geleistet als andere Bundesländer, so der ÖVP-Politiker: „Wir sind eines von neun Bundesländern und werden beim Finanzausgleich mit 20 Prozent berücksichtigt. Wir haben aber 40 Prozent der gesamten Photovoltaik und Windkraft“. Man könne Niederösterreich nicht vorwerfen, dass es zu wenig tue – „im Gegenteil, wir sind die Spitzenreiter“, erklärte Pernkopf.

Pernkopf
ORF
Pernkopf war in der Landesregierung schon bisher für Umweltschutz zuständig

Pernkopf: FPÖ beeinträchtigt Klimaschutz nicht

Warum dem Klimaschutz im Arbeitsübereinkommen dann kein eigenes Kapitel gewidmet sei? „Weil Klimaschutz und Umweltschutz schon immer zusammengehören“, so der Landeshauptfrau-Stellvertreter. Im Arbeitsübereinkommen ist Klimaschutz Teil des Kapitels „Umwelt, Klimaschutz, Energie und Raumordnung“. Neben der Energiewende nannte er als konkrete Projekte den „blau-gelben Bodenbonus, mit dem Boden entsiegelt wird, wir haben auch viele Aktionen im Bereich des Naturschutzes geplant und wir haben das blau-gelbe Klima- und Energieprogramm, das weiter umgesetzt wird“.

Negative Einflüsse der tendenziell skeptischen FPÖ auf die Klimapolitik der Landesregierung befürchtete Pernkopf unterdessen nicht: „Wir haben im Arbeitsprogramm ganz genau festgeschrieben, dass mein Kompetenzbereich der Klimaschutz, die Energiewende und der gesamte Umweltschutz ist. Das wird gut funktionieren.“