Politik

Viel Kritik aus Opposition und SPÖ

Die Debatte der Klubobleute in der konstituierenden Landtagssitzung am Donnerstag war von massiver Kritik am schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen geprägt – sowohl von der Opposition als auch von der SPÖ, die selbst in der Proporz-Regierung vertreten ist.

Nachdem die Mitglieder der Landesregierung gewählt und angelobt wurden, präsentierte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in einer Regierungserklärung die Schwerpunkte des Arbeitsübereinkommens mit der FPÖ – mehr dazu in „Ein Kompromiss ist keine Niederlage“ (noe.ORF.at; 23.3.2023).

Collini: „Unwürdiges Schauspiel“

Im Anschluss hagelte es in der Debatte der Klubobleute Kritik an den Plänen. NEOS-Landessprecherin Indra Collini sprach von einem „unwürdigen Schauspiel, das die Menschen hier ertragen müssen“. Zuerst das „Verhandlugnsdebakel“ mit der SPÖ, danach das „rückwärtsgewandte Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ.“

In Bezug auf die Wahl von Landeshauptfrau Mikl-Leitner und ihrem Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ), bei der ungültige Stimmen abgegeben wurden, um die nötigen Mehrheiten sicherzustellen, sprach sie von „Taschenspielertricks“ für den Machterhalt. „Jetzt sitzen wir alle im Flugzeug nach Ibiza und die ÖVP hat für uns eingecheckt.“

Das Arbeitsübereinkommen sei ein „Festhalten am Alten“, es gehe nur ums „Verwalten“ und um „hübsche Überschriften“. Der Auftrag für die NEOS sei nun klar: „Der Landesregierung auf die Finger schauen, Fehlentwicklungen aufzeigen und mit aller Kraft die Umsetzung echter Zukunftsmaßnahmen einfordern.“

Krismer: „Korridor der Zusammenarbeit“ beendet

Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen, meinte, dass die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg Niederösterreich ausmache. So habe man es von einem „Agrarland“ zu einem „Wissenschafts- und Forschungsland“ geschafft. Auch in der Pandemie habe es eine „breite Parteienallianz“ gegeben, die alle mitgetragen hätten außer die FPÖ.

Dass es diesen „Korridor der Zusammenarbeit“ nun nicht mehr gebe, „das ist, was das Land so erschüttert, dass das jetzt alles anders sein soll.“ Die FPÖ habe, „so wie wir alle, die Angst der Menschen erkannt, hat aber etwas anderes daraus gemacht.“ Sie habe die Angst „instrumentalisiert und zum Spielball gemacht, immer nur gehetzt und sich neben eine Gesellschaft füreinander gestellt.“

Krismer rechnete mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner ab, die dafür verantwortlich sei, „dass wir heute keinen guten Start in die nächste Legislaturperiode haben“, mit Landeshauptfrau-Stv. Stephan Pernkopf (ÖVP), „dem Totengräber der Energiepolitik“, aber auch SPÖ-Landeschef Sven Hergovich bekommt von Krismer „ein glattes Nicht genügend“, weshalb er auch von den Grünen keine Stimme als Landesrat bekommen habe. Denn dass Verhandlungen scheitern, „da gehören schon zwei dazu“. Mit einer „derart rechtsradikalen Truppe“ wie der FPÖ könne man keine „Gräben zumachen“, sie würden „das Land mit in den Schützengraben ziehen“.

Konstituierende Sitzung des Niederösterreichischen Landtages
APA/HELMUT FOHRINGER
Eine historisch niedrige Zustimmung gab es für die neue Landesregierung am Donnerstag

Weninger: Programm ist „unsozial und visionslos“

Für SPÖ-Klubobmann Hannes Weninger sei das Ziel, mit den beiden SPÖ-Landesräten „möglichst viele sozialdemokratische Inhalte“ umzusetzen. Das Weltbild von ÖVP und FPÖ lasse einem „einen kalten Schauer über den Rücken laufen“, es sei „unsozial, visionslos und rückwärtsgewandt“ – das habe sich Niederösterreich nicht verdient, so Weninger.

Die SPÖ habe daher die schwarz-blauen Regierungsmitglieder „aus Überzeugung nicht gewählt“. Dem Vorwurf, dass die SPÖ die eigenen Interessen nicht gut genug vertreten hätte, entgegnete Wenigner, dass man nicht weiter „Bettvorleger der ÖVP“ habe sein wollen. Neben den bekannten SPÖ-Forderungen, wie etwa einer flächendeckenden Kinderbetreuung oder einer Anstellung pflegender Angehöriger, wolle sich die Partei etwa auch für ein Transparenzpaket einsetzen.

Teufel: Auftrag, „Niederösterreich freiheitlicher zu machen“

Reinhard Teufel (FPÖ) räumte ein, dass es zuvor große Differenzen zwischen ÖVP und FPÖ gegeben habe, doch das Wahlergebnis sei ein Auftrag an die FPÖ, Niederösterreich „ein gutes Stück freiheitlicher zu machen“. Das Ergebnis sei ein ernsthafter Versuch, die „Gräben der letzten Jahre zuzuschütten“, wobei Teufel auf die Pandemie verwies, während der die Menschen unter „unfreiwilligen Hausarresten“ gelitten hätten.

Teufel kritisierte die unterschiedlichen Folgen der Lockdowns auf Menschen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Situationen. Außerdem forderte er die Oppositionsparteien zu mehr Demut auf: „Das Schlimme ist nicht, was Sie über uns sagen, das Schlimme ist, wie Sie über unsere Wähler denken“, so Teufel. Der Wähler habe entschieden, nun gehe es darum, die Interessen der Niederösterreicherinnen und Niederösterreich zu vertreten, so Teufel.

Danninger: „Vertrauen zurückgewinnen“

Auch Jochen Danninger, der den langjährigen ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger in dieser Funktion ablöst, verwies auf den „Wählerwillen“. Der Wahltag sei für die ÖVP aufgrund der Verluste „schmerzhaft“ gewesen, aber man wolle verloren gegangenes Vertrauen wieder gewinnen „mit harter und ehrlicher Arbeit.“

Wie auch schon Mikl-Leitner in ihrer Rede betonte, stelle das Arbeitsprogramm „Leistungsträger in den Mittelpunkt unserer Politik“. Gleichzeitig wolle man jenen helfen, die es brauchen, denn Niederösterreich sei ein „soziales Land“. Jetzt müsse die „Sacharbeit beginnen“, man werde um die „beste Lösung und den besten Kompromiss ringen“.

Nehammer gratuliert Mikl-Leitner

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hielt in seiner Gratulation an Parteikollegin Mikl-Leitner fest, dass „die Kompetenz und das gelebte ‚Miteinander‘ der Landeshauptfrau der beste Weg sind, um Niederösterreich weiterhin voranzubringen“. Da die Zusammenarbeit „zu jeder Zeit eine sehr konstruktive und vor allem erfolgreiche“ sei, freue er sich sehr auf die kommenden fünf Jahre. Mikl-Leitner sei „das beste Aushängeschild für Niederösterreich“.

Hergovich: „Werden Punkte nach nächster Wahl umsetzen“

Die Sozialdemokratie werde alle vorgeschlagenen Verbesserungen ihres „5 plus 1“-Pakets durchsetzen, kündigte indes Landesrat Sven Hergovich, designierter SPÖ-Landesparteivorsitzender, an. „ÖVP und FPÖ können unsere Projekte aufschieben, aber nicht aufhalten.“

Sven Hergovich am 30. Jänner 2023
APA/HELMUT FOHRINGER
Hergovich kündigt harte Oppositionspolitik an

„Die demokratisch legitimierte Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ ist natürlich zu akzeptieren, auch wenn wir als SPÖ viele der Inhalte dieser Koalition zutiefst ablehnen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass ÖVP und FPÖ mit ihrem Pakt nicht das Beste für Niederösterreich erreichen wollen, sondern nur das Beste für sich selbst und ihre Funktionäre“, so Hergovich.

„Als Sozialdemokratie werden wir bis zur nächsten Wahl harte, aber konstruktive Oppositionsarbeit gegen den schwarz-blauen Pakt der Unehrlichkeit machen“, kündigte der designierte Landesparteivorsitzende an. „Und nach der nächsten Wahl werden wir unsere vorgeschlagenen Projekte umsetzen.“ Den schwarz-blauen Pakt habe Niederösterreich nicht verdient.

Arbeiterkammer-Präsident sieht „lose Überschriften“

Jede Regierung werde danach beurteilt, was sie bereit sei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu leisten, betonte Arbeiterkammer-Niederösterreich-Präsident und ÖGB-Niederösterreich-Vorsitzender Markus Wieser. Bisher sei außer losen Überschriften wenig bekannt, wie den Herausforderungen der Arbeitswelt begegnet werden soll. „Es braucht konkrete Maßnahmen, um die notwendige Qualifizierung der Facharbeit auszubauen, das damit verbundene Einkommen der Menschen zu sichern und der Teuerung wirksam entgegenzuwirken“, sagte Wieser.

Nach dem heftig geführten Wahlkampf hofft der Superintendent der Evangelischen Kirche in Niederösterreich, Lars Müller-Marienburg, am Donnerstag, „dass auch in der Landespolitik nun wieder ein Stil einkehren wird, der gegenseitigen Respekt zeigt und Hoffnung macht“. „Gutes Leben zu gestalten“ könne nur in einem Klima des Vertrauens gelingen.