Regenwurm
ORF/Tobias Mayr
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Landwirtschaft

Regenwürmer als Rezept gegen Trockenheit

Durch Trockenheit und Starkregen gerät die Landwirtschaft unter Druck. Ein Landwirt im Waldviertel setzt nun auf Regenwürmer, um seinen Boden zu erhalten. Die Tiere helfen dabei, bei Starkregen Wasser im Boden einzulagern.

Der Sommer 2018 war für den Landwirt Hans Gnauer aus Grübern (Bezirk Hollabrunn) eine harte Zeit. Der fehlende Niederschlag trocknete seine Böden aus, der Ertrag seiner Ernte sank enorm. „Wir leben von und mit der Landwirtschaft, und ich muss natürlich mit meinem Einkommen auskommen“, sagt Gnauer. Solche Schwankungen im Ertrag könne er auf Dauer nicht finanzieren – deshalb habe er nach Lösungen gesucht.

Im gleichen Sommer machte Gnauer eine interessante Beobachtung. Eines seiner Felder schien von der Trockenheit deutlich weniger betroffen zu sein als die anderen. Es handelte sich um jenes Feld, auf dem Gnauer zuvor immer wieder Ausscheidungen von Regenwürmern aufgefallen waren. Der Landwirt verzichtete nun auf diesem Feld auf die Bodenbearbeitung mit schweren Maschinen, die für Regenwürmer schädlich ist. „Mir ist aufgefallen, dass die Kulturen besser wachsen.“

Heute spricht der Landwirt von einem Schlüsselerlebnis. Seither versuche er, die „regenwurmfreundlichste“ Form der Landwirtschaft zu finden, auch, aber nicht nur wegen des Tierwohls. Vielmehr würden die Tiere dabei helfen, „die Erträge zu stabilisieren und halbwegs vernünftig für die Zukunft Landwirtschaft zu machen“.

Röhren der Regenwürmer lassen Wasser in den Boden

Das Geheimnis um die feuchten Regenwurmböden kennt Pia Euteneuer. Sie forscht für die Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) am Standort Groß-Enzersdorf (Bezirk Gänserndorf) zu Regenwürmern in der Landwirtschaft. Dass die Böden mit vielen Regenwürmern feuchter sind, liege an den Grabaktivitäten, erklärt sie. Denn die Würmer sind ziemlich aktiv.

„Es gibt Regenwürmer, die vertikale Röhren graben. Da kann der Regen sofort eindringen, was zum Beispiel bei Starkregenereignissen sehr von Vorteil ist. Dann gibt es andere Regenwürmer, die waagrechte Röhren machen, und dort kann der Regen direkt zur Pflanzenwurzel hinfließen“, erklärt die Wissenschaftlerin.

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Acker ohne Bodenbearbeitung
ORF/Tobias Mayr
Auf diesem Feld werden die Reste der Vorfrucht nicht maschinell in die Erde eingearbeitet
Acker ohne Bodenbearbeitung
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Stattdessen keimt der Weizen hier im Schatten der Stoppeln, bis diese verrotten, der Boden ist dadurch viel feuchter
Acker mit Bodenbearbeitung
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Ganz anders bei der konventionellen Bodenbearbeitung: Durch das Lockern der Erde ist der Humus bereits im Frühjahr trocken

Wasser von Starkregenereignissen im Boden speichern

Die Sache mit den Starkregenereignissen hat auch Gnauer schon beobachtet. In der Region des mittleren Waldviertels, wo seine Felder liegen, kommen solche Ereignisse häufig vor. Zum Teil sei es die einzige Wasserzufuhr, die es in dieser Region gebe, sagt der Bauer.

„Wenn wir es schaffen, durch Bewirtschaftungsmaßnahmen plus Regenwurm das Wasser schneller und besser im Boden zu speichern, dann hilft uns das dabei, drei, vier Wochen länger mit dem Wasser auszukommen“, sagt er. Auf den „regenwurmfreundlich“ bewirtschafteten Feldern misst Gnauer derzeit doppelt so viel Feuchtigkeit wie auf den konventionell bewirtschafteten Böden.

Doch wie bewirtschaftet man Böden so, dass sich Regenwürmer vermehren können? Als Faustregel gelte: je geringer die Eingriffe, desto besser, so Euteneuer. Gnauer ackert den Boden nach der Ernte zum Beispiel nicht mehr um, stattdessen sät er die Folgefrucht in die Stoppeln der Vorfrucht. Im Schatten der Stängel kann sie keimen, das Auflockern der Erde übernehmen dann die Regenwürmer.

Regenwürmer steigern Ertrag

Abgesehen von der Feuchtigkeit bringen Regenwürmer auch natürlichen Dünger zu den Pflanzen: „Es gibt zahlreiche Tests im Labor und auch schon im Feld, die beweisen, dass Pflanzen mit Regenwürmern viel höhere Erträge haben als Pflanzen ohne Regenwürmer“, so Euteneuer von der BOKU.

Züchten und künstlich ausbringen könne man Regenwürmer allerdings nicht, so die Regenwurmforscherin. Vermehren würden sich die Würmer aber von selbst, solange möglichst wenig in den Boden eingegriffen wird. Dabei können die Tiere die Spur anderer Regenwürmer riechen, auch wenn diese in einer bis zu 15 Zentimeter entfernten Röhre lebten. „Sie finden sich so trotzdem und können sich an der Oberfläche paaren.“