Schulklasse der Otto-Glöckel-Volksschule
ORF/Katharina Sunk
ORF/Katharina Sunk
Politik

Deutsch in der Pause: Blick in Brennpunktschule

Dass ÖVP und FPÖ Deutsch in Schulpausen forcieren wollen, sorgt für Diskussionen. Als Integrations-Musterschule wird in diesem Zusammenhang oft die Wr. Neustädter Otto-Glöckel-Volksschule genannt. noe.ORF.at hat sich angesehen, wie man dort damit umgeht.

Eines gleich vorweg: In der Hausordnung der Otto-Glöckel-Volksschule steht Deutsch als Pausensprache nicht festgeschrieben. Ganz bewusst, sagt Direktorin Ariane Schwarz – denn eine Hausordnung sei für sie eine „Anführung von Regeln“ und Regeln würden bedeuten, „dass ein Regelverstoß in irgendeiner Form geahndet werden sollte“. Genau das möchte sie aber nicht. Wenn Kinder in der Pause nicht Deutsch sprechen, dann wird „niemals ermahnt und niemals bestraft“, so Schwarz. Stattdessen gibt es „viel Lob“, wenn sie es tun.

Genau die Hausordnungen sind es aber, die ÖVP und FPÖ in ihrem Arbeitsübereinkommen explizit erwähnen. „Forcierung der Verwendung der deutschen Sprache auch in Pausen und am Schulhof durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen“ , lauten die Pläne von Schwarz-Blau im Wortlaut. Seit diese bekannt wurden gehen nicht nur in Niederösterreich die Wogen hoch – mehr dazu in Deutsch als Pausensprache „nicht umsetzbar“ (noe.ORF.at; 21.3.2023).

Eine „reine Empfehlung“, die zu funktionieren scheint

In der Otto-Glöckel-Volksschule ist Deutsch selbstverständlich Unterrichtssprache, sagt Direktorin Schwarz, aber Deutsch in der Pause sei „eine reine Empfehlung“. Allerdings: Es ist eine Empfehlung, die zu funktionieren scheint. Bei einem Besuch des ORF Niederösterreich diese Woche ist zumindest während der großen Pause in der 4B nicht ein einziges Fremdwort zu hören – und das obwohl die 19 Kinder dieser Klasse sechs verschiedene Muttersprachen sprechen. Bei nur einem einzigen Kind ist es Deutsch.

Schulklasse der Otto-Glöckel-Volksschule
ORF/Katharina Sunk
In der Otto-Glöckel-Volksschule wird trotz vieler Kinder mit Migrationshintergrund Deutsch in der Pause gesprochen – allerdings ohne Zwang

So gut funktioniere das allerdings nur bei den älteren Schülerinnen und Schülern, gibt die Direktorin unumwunden zu. Je jünger die Kinder, desto schwieriger sei die Umsetzung. Vor allem, weil viele Erstklässler ohne ein einziges Deutsches Wort in die Schule kämen. Damit sich das möglichst rasch ändert, bindet man an der Otto-Glöckel-Volksschule vor allem auch die Eltern ein, sagt Schwarz. Das beginne bereits bei einem Elternabend zu Beginn des Schuljahres, bei dem man die „Wichtigkeit der Deutschen Sprache“ bespreche.

Regelung über Hausordnung für die meisten nicht sinnvoll

Deutsch forcieren, aber nicht als Pflicht – so sehen das die meisten, wenn man sie fragt. „Wir sind natürlich dafür, dass die deutsche Sprache in Niederösterreich und auch in Österreich gefördert wird, aber wir glauben, dass es da andere Wege gibt, die besser funktionieren und auch mehr Sinn machen als eine Pflicht in der Hausordnung“, meint etwa AHS-Landesschulsprecher Marco Gayer.

Schülerinnen und Schülern zu verbieten, ihre Sprache zu sprechen, sei diskriminierend, ist der Schüler, der selbst auch in Wiener Neustadt zur Schule geht, überzeugt. Außerdem stelle sich die Landesschülervertretung die Frage, wie man das kontrollieren wolle, so Gayer: „Stellt man in jede Klasse einen Lehrer? Und was passiert, wenn jemand anders spricht? Gibt es dann Strafen?“

In diese Kerbe schlugen zuletzt auch viele Lehrervertreterinnen und -vertreter, die sich in den vergangenen Wochen kritisch äußerten. Es würde die Beziehung von Lehrern und Schülern belasten, wenn Lehrer in den ohnehin kurzen Pausen Sprach-„Polizist“ spielen müssten und man müsse auch an die Auswirkungen etwa auf die ukrainischen Schülerinnen und Schüler denken, meinte etwa Isabella Zins, Direktorin des Bundesoberstufenrealgymnasiums in Mistelbach und Sprecherin der AHS-Direktoren. „Lehrer sind keine Polizisten, sondern haben sich um die Pädagogik zu kümmern", kritisierte auch der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG).

Weniger ablehnend zeigt man sich beim Landeselternverband. Man begrüße „grundsätzlich alle Maßnahmen, die zur Integration beitragen“, heißt es von diesem in einer Stellungnahme gegenüber noe.ORF.at. Letztendlich liege es aber „in der Kompetenz der Schulleitungen zu entscheiden, ob eine Regelung über eine Hausordnung notwendig und sinnvoll ist oder nicht.“

Gebote für Linguistin „bedenklich und gefährlich“

Aus wissenschaftlicher Sicht beschäftigt man sich mit dem Thema am Institut für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Wien, wo unter anderem Sprachwissenschaftlerin Verena Blaschitz arbeitet. „Aus wissenschaftlicher Sicht sind Sprachgebote bedenklich und gefährlich“, sagt sie. „Sie haben keinen Deutsch-förderlichen Nutzen und sie haben auch keinen anderen linguistischen Nutzen. Sie dienen eigentlich nur dazu, dass Kindern zu verstehen gegeben wird, dass ihre Sprachen nichts wert sind.“

Ein Verbot funktioniere generell nicht, meint sie. „Wenn man Kindern etwas verbietet, besonders eine Sprache, dann führt das eher dazu, dass sie sprachlos gemacht werden, dass sie gar nicht mehr sprechen, dass sie verstummen oder diese Sprache heimlich verwenden.“ Zwang sei eine schlechte Motivation, so die Wissenschaftlerin. Der richtige Weg wäre hingegen „ein gut ausgebautes Deutsch-Förderangebot im gemeinsamen Unterricht“.

Damit spricht sie sich auch gegen die etablierten Deutsch-Förderklassen aus, denn hier würden Kinder, die weniger gut Deutsch können, von jenen, die es gut können, separiert werden. Und auch die Eltern dazu zu bringen, zuhause mit ihren Kindern Deutsch zu sprechen, sieht sie kritisch: „Von jemandem, der nicht gut Deutsch kann, Deutsch zu lernen – das wird nicht funktionieren.“

Christiane Teschl-Hofmeister
ORF
Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs

Teschl-Hofmeister: Geht nicht um Pflicht

Die zuständige Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) verteidigt unterdessen den Plan die Deutschförderklassen weiter auszubauen. Man habe gute Erfahrungen damit gemacht, so die Bildungslandesrätin im Studiogespräch in „Niederösterreich Heute“. Sollte es jedoch ein besseres Konzept geben, sei man dafür offen, so Teschl-Hofmeister.

Zum Beschluss Deutsch als Pausensprache zu forcieren betont die Bildungslandesrätin, es gehe bei dem Vorstoß nicht um eine Pflicht. „In Schulen, wo es sinnvoll ist, weil dort zum Beispiel verschiedene Sprachen vorherrschen, einigt man sich zum Beispiel darauf, Deutsch miteinander in der Pause zu reden“, so Teschl-Hofmeister.

Das hieße aber umgekehrt nicht, „dass jemand überwacht werden muss, dass einer bestraft wird, wenn er nicht Deutsch redet, weil er seinen Freund trifft, der die gleiche Muttersprache hat wie er.“ Ziel sei zu helfen und zu unterstützen in Schulen, in denen die Maßnahme sinnvoll ist, verteidigt die Bildungslandesrätin die Aufforderung an die Schulen.