Der Angeklagte beim Prozess um Mordversuch mit Rattengift im Landesgericht St. Pölten
APA/Christopher Eckl
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Gericht

Prozess um Rattengift im Essen: Kein Mordversuch

Weil er seinem Vater Rattengift ins Essen gemischt haben soll, musste sich ein Mann vor Gericht verantworten. Die Geschworenen sahen keinen Mordversuch. Nicht rechtskräftig zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt wurde er wegen Körperverletzung und Nötigung.

Die Geschworenen verneinten die Hauptfrage nach versuchtem Mord mit fünf zu drei Stimmen. Bei der Bemessung der Strafhöhe wirkte sich laut dem vorsitzenden Richter der bisher ordentliche Lebenswandel des Beschuldigten mildernd aus. Als erschwerend seien das Zusammentreffen dreier Vergehen sowie die Tatbegehung zum Nachteil eines Angehörigen gewertet worden. Wegen Körperverletzung und Nötigung wurde der Mann verurteilt, weil er den Altbauern mehrmals geschlagen und bedroht haben soll.

Am 23. August des Vorjahres soll der damals 81 Jahre alte Vater des Beschuldigten im Wohnbereich eines Bauernhofs im Raum St. Pölten gestürzt sein. Der Senior alarmierte später selbst die Rettung, im Universitätsklinikum St. Pölten brachte eine Blutuntersuchung eine Vergiftung zum Vorschein. Vollständig von dem Vorfall erholt hat sich der Altbauer nicht.

Diverse Konflikte mit dem Vater

Entdeckt worden war im Blut des Opfers der Wirkstoff Brodifacoum – ein Rattengift, das die Substanz beinhaltete, wurde am Hof des 53-Jährigen sichergestellt. „Einen anderen Täter gibt es bei Weitem nicht“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag. Der Beschuldigte habe diverse Konflikte mit dem Vater und auch die Möglichkeit gehabt, das Gift beizumischen. „Motive gibt es wohl genug“, betonte die Vertreterin der Anklagebehörde. Für einen Suizidversuch des Seniors gebe es zudem keine Anhaltspunkte.

Der 53-Jährige sagte in seinem abschließenden Statement am Freitag, dass es ihm für seinen Vater leidtue, „dass er im Spital war“. Er selbst habe „mit dieser Sache nichts zu tun“.

Die 48-jährige Ehefrau des Angeklagten sagte aus, dass ihr Schwiegervater sie nicht akzeptiert habe und „ein sehr bestimmender Mensch“ sei. Dennoch sei man „miteinander ausgekommen“. Vor allem in Bezug auf die Landwirtschaft habe es Spannungen – sozusagen einen Generationenkonflikt – gegeben. Allgemein habe der Altbauer in der Umgebung keinen guten Ruf genossen. Die 18-jährige Tochter des Beschuldigten gab an, im möglichen Zeitraum der Vergiftungshandlungen keinerlei Heimlichtuereien des Vaters bemerkt zu haben.

Zeuge sprach von „Hickhack“ und „Hass“

Von einem in den vergangenen Jahren erheblich verschlechterten Verhältnis zwischen Vater und Sohn sprach der Bruder des Beschuldigten. Die Brutalität sowie Drohungen des Landwirts gegenüber dem Altbauern hätten immer mehr zugenommen, es seien „ein reines Hickhack“ sowie regelrechter Hass entstanden. Dass der Vater sonstige Feinde habe, schloss er aus. Auch ein befragter Polizist ortete dahingehend keine Hinweise.

In den Zeugenstand getreten sind außerdem zahlreiche weitere Personen aus dem Umfeld des Landwirts. Eine Nachbarin des Vaters berichtete von diversen Schreiorgien des Altbauern in Richtung des Angeklagten. Dieser habe dem 82-Jährigen nichts recht machen können, ergänzte ein weiterer Zeuge.

Angeklagter sei „Konflikttrinker“

Der psychiatrische Sachverständige Werner Brosch beschrieb den Beschuldigten als von der familiären Situation und von der Arbeit auf dem Hof „schon sehr belastet“. Es gebe zudem eine „Tendenz zur Selbstausbeutung“. Im Rahmen des Untersuchungsgesprächs habe sich der 53-Jährige hinsichtlich der Beziehung zum Vater „erstaunlich neutral“ gezeigt. Persönlichkeitsstörung liege keine vor, allerdings sei der Angeklagte ein „Konflikttrinker“, der als solcher Alkohol zunehmend als Medikament einsetze.

Als einer der Hintergründe in Sachen Motivlage gilt ein 2002 verfasster Übergabevertrag für die Landwirtschaft des Vaters des Beschuldigten. Der Angeklagte ist nunmehr der Eigentümer, lebt selbst jedoch seit Ende der 1990er Jahre auf dem landwirtschaftlichen Anwesen seiner Ehefrau. Aufkommen muss er für Kost und Logis des Seniors. Für Verteidiger Michael Sedlacek ist dieser Kontrakt „nichts Ungewöhnliches zur Absicherung der Altbauern“. Der Übergabevertrag „war nie ein Thema“, finanzielle Probleme habe es bei seinem Mandanten nicht gegeben, betonte der Jurist im Rahmen seines Schlussplädoyers.