Der Konzertbeginn mit Georg Friedrich Händels „Total eclipse“ aus der Oper „Samson“ wirkte explizit apokalyptisch: Ein Prolog über eine Welt in völliger Dunkelheit, mit Michael Schade, dem Leiter der Internationalen Barocktagen Stift Melk, als ausdrucksvollem Solisten, gefolgt von einem kurzen, zur Hoffnung überleitenden Ausschnitt aus „Dixit Dominus“ (eine Psalmvertonung, ebenfalls von Händel) und Bachs „Et misericordia“ aus dem „Magnificat“: gleichsam eine inhaltliche Vorwegnahme des Kommenden.
Nachzuhören und zu -sehen ist das auf Ö1 live übertragene Konzert am Pfingstsonntag um 20.15 Uhr auf ORF III und im Internet auf myfidelio.at sowie am 11. Juni um 10.55 Uhr auf 3sat.
Denn in Georg Philipp Telemanns heute kaum mehr aufgeführten Werk geht es genau darum: Die Welt ist sündhaft verkommen, die Frevler werden bestraft, die Gläubigen kommen zu ihrem Recht.
Das klingt moralinsauer, enthält aber in Wirklichkeit erstaunlich deutliche Sozialkritik, durchaus auch im Sinne des diesjährigen Festivalmottos „mensch:natur:wohin?“ – „Erbebt, Tyrannen, auf dem Throne“, lautet eine Textzeile aus dem Rezitativ des Glaubens, eine allegorische Figur wie unter anderem auch die Vernunft, die Andacht und die Religion. Oder auch der Spötter, bei dem Schade sein komödiantisches Potenzial entfaltet.

Bolton dirigierte „wohlproportionierten“ Klangkörper
Als weitere Solisten überzeugten der stimmlich gefestigte und textdeutliche Bass Matthias Winckhler, die Sopranistin Marie-Sophie Pollak und die Altistin Marie-Claude Chappuis in verschiedenen Rollen. Die Wiener Sängerknaben sowie ein Herrenchor des Chorus sine nomine ergänzten einander zu einem wohlproportionierten vokalen Klangkörper.
Telemanns Musik erweist sich bei genauerem Hinhören als vielschichtig, abwechslungsreich, oft lautmalerisch den Text interpretierend und dabei gelegentlich harmonisch kühn überraschend.