Alfred Komarek
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Ganz Persönlich

Komarek: „Angst vor schwachem Alterswerk“

Schriftsteller Alfred Komarek ist mit seinen 77 Jahren kein bisschen leise. Zuletzt kritisierte er die ÖVP-FPÖ Zusammenarbeit in Niederösterreich, er arbeitet aber auch an einem neuen Buch. Im Interview gibt er Rück- und Ausblicke und spricht über die Ähnlichkeit zur Figur Polt.

Seine Werkliste umfasst mehr als 80 Bücher, von „Otto, der Weihnachtsrabe“ bis zuletzt zu „Alfred“. Populär machte ihn aber Simon Polt. Die Romane mit dem Gendarmen Polt wurden mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt. Polt ist untrennbar mit dem Weinviertel verbunden, wo der Schriftsteller seit etwa vier Jahrzehnten ein altes Presshaus im Pulkautal besitzt. Der gekündigte Chefredakteur Käfer, im Mittelpunkt einer abgeschlossenen Roman-Tetralogie, bekam viel aus Komareks Heimat mit, dem steirischen Salzkammergut.

Ob der Schauspieler Erwin Steinhauer seine Wunschbesetzung für den Polt war, an welchem Buch Komarek aktuell arbeitet und wieso er die schwarz-blaue Zusammenarbeit in Niederösterreich kritisierte, schildert der 77-jährige Wahl-Weinviertler im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess.

noe.ORF.at: Vor vier Jahren ist Ihr letztes Buch „Alfred“ erschienen. Seitdem ist es etwas ruhiger geworden um Sie. Ist der Druck der Verlage weg, dass wieder möglichst rasch ein neues Buch herauskommen muss?

Alfred Komarek: Die Verlage würden ganz gerne ein neues Buch haben. Ich bin ja nicht unbedingt dagegen. Aber wovor ich ein bisschen Angst habe, ist das berühmte schwache Alterswerk. Wenn schon ein neues Buch, dann muss es wirklich Hand und Fuß haben, Substanz und mir selber vor allem Freude machen. Das ist der Vorteil, wenn man fortgeschrittenen Alters ist.

noe.ORF.at: Gibt es ein neues Projekt, ein Buch, an dem Sie arbeiten?

Komarek: Es gibt ein neues Projekt, es gibt sogar einen Titel: „Berührungen“, wobei Berührungen sehr weit gefasst ist. Das kann eine Watsch’n sein, das kann ein Hackl ins Kreuz sein, das kann auch Freundschaft sein. Das können zwei Worte sein. Diese Berührungen in Summe sind es ja eigentlich, die das Leben ausmachen, nicht die großen Weichenstellungen, nicht die großen Entscheidungen, sondern Berührungen des Schicksals, die einen auf ein neues Gleis heben. Genau das interessiert mich sehr.

noe.ORF.at: Ursprünglich haben Sie Jus studiert und wollten eigentlich Rechtsanwalt werden.

Komarek: Da hat mein Vater eine wichtige Rolle gespielt, er hat mich irgendwann gefragt, was ich werden möchte. Ich sagte Dichter und er sagte, das würde er auch gerne sein. Aber es ist halt ein Beruf, mit dem man verdammt schwer Geld verdienen kann, ich sollte vielleicht noch einen zweiten Beruf überlegen, damit ich beruflich auf zwei Beinen stehe. Dieser väterliche Rat war sehr fundiert.

noe.ORF.at: Sie haben zunächst für den damals sehr jungen Radiosender Ö3 Texte geschrieben

Komarek: Ja, sogar noch vor Ö3, eine Sendung, die hieß „Hallo Teenager“. Ich habe damals noch Jus studiert und nebenbei beim Radio Fuß gefasst.

noe.ORF.at: Um Geld zu verdienen, haben Sie aber auch unter dem Pseudonym Alfred Schilling Liedtexte geschrieben.

Komarek: Ein Text zum Lied „Sag zum Leben Ja“ von Aniko Benkö war sogar ein finanzieller Erfolg. Was mir allerdings gefehlt hat, im Gegensatz zu anderen Liedtextern, die reich geworden sind: Ich hatte das Gefühl für den Publikumsgeschmack nicht.

noe.ORF.at: Sie kommen aus dem Salzkammergut. Wann haben Sie Ihre Liebe zum Weinviertel entdeckt?

Komarek: Eigentlich relativ früh. Ich bin jetzt im Weinviertel seit über 50 Jahren zu Hause. Es war Stadtflucht. Ich war in Wien relativ ratlos. Die Wiener Gemütslage war nicht unbedingt meins und auch die Anonymität der Stadt.

Alfred Komarek mit Robert Friess
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Alfred Komarek im Gespräch mit Robert Friess

noe.ORF.at: Ihre bekannteste Romanfigur ist der Gendarm Simon Polt. Die Kriminalfälle spielen im Weinviertel. Ist Simon Polt Ihr Alter Ego?

Komarek: Nein, höchstens, was seinen Gerechtigkeitssinn angeht, da sind wir einander recht ähnlich. Polt ist bis zur Dummheit harmoniebedürftig. Er ist unglaublich stur. Er ist sehr, sehr konsequent in seiner Arbeit. Er versucht, auch wenn es auf seine eigenen Kosten geht, gerecht zu sein. Und das sind edle Eigenschaften, die ich nicht unbedingt mir zuspreche. Aber wir vertragen uns sehr gut.

noe.ORF.at: Erwin Steinhauer hat den Polt in der Verfilmung für den ORF und ARTE gespielt. Haben Sie darauf bestanden, dass es unbedingt Erwin Steinhauer sein soll, der die Hauptrolle übernimmt?

Komarek: Das war erst in zweiter Hinsicht. Zunächst ist der Regisseur mit Erwin Steinhauer handelseins geworden. Ich bin in verhaltenem Jubel ausgebrochen, weil Erwin Steinhauer ein sehr impulsiver Mensch ist, manchmal aber auch sehr zornig. Aber bereits nach der ersten Verfilmung war Erwin Steinhauer mit dem Polt befreundet und die beiden waren zwei Persönlichkeiten, die miteinander gut konnten. Da war es dann schon so, dass ich gesagt habe, lieber höre ich mit den Büchern auf, bevor nicht Erwin Steinhauer in der Titelrolle weitermacht.

noe.ORF.at: Sie waren mehrere Jahre für die „NÖ heute“-Rubrik „Aufgespürt“ unterwegs. Da haben Sie ein bisschen über den Weinviertler Tellerrand blicken müssen.

Komarek: Sehr gerne. Es war ja auch so, dass mich nicht nur das Weinviertel interessiert hat. Ich habe so was Trüffelschwein-artiges auf zwei Beinen in mir. Das heißt, ich bin wirklich neugierig auf den mir verfügbaren Lebensraum, ganz egal wo. Das ist eine Zeit, die ich wirklich nicht missen möchte.

noe.ORF.at: Sie sind 77, aber kein bisschen leise. Zuletzt haben Sie die ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit im Land kritisiert.

Komarek: Heinz Conrads hat einmal das Lied vom „Ruaßflankerl“ und vom „Schneeflockerl“ gesungen, bei dem es darum geht, dass beide am Ende rußgeschwärzt sind. Genau das befürchte ich, dass die Schneeflocken ordentliche Flecken abbekommen werden, das sage ich auch in aller Öffentlichkeit.

noe.ORF.at: Sie selbst haben einmal den Wunsch nach einem stilvollen Ende geäußert. Was kann man sich darunter vorstellen?

Komarek: Zum Beispiel wie ein Schriftsteller, den es eines Tages auf die Tastatur schmeißt, oder dem die Feder aus der Hand fällt, was auch immer. Unter den vielen Dingen, die ich habe, sind natürlich auch sehr viele, die mit dem Schreiben zu tun haben. Bei mir stehen viele Schreibmaschinen herum, es gibt einen Federkiel, es gibt den Laptop aus dem 19. Jahrhundert, einen Reiseschreibtisch, den man in der Kutsche mitgeführt hat. Mit so einem Gerät in der Hand irgendwann einzuschlafen oder auch umzukippen, das wäre schon stilvoll.