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APA/HELMUT FOHRINGER
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Wirtschaft

Kika/Leiner will Insolvenz anmelden

Wegen großer finanzieller Schwierigkeiten will die Möbelkette kika/Leiner mehr als die Hälfte ihrer Filialen schließen, 1.900 Beschäftigte verlieren damit ihren Job. Kommende Woche will das Unternehmen ein Insolvenzverfahren anmelden.

„Die Entscheidung ist gefallen“, informierte das Unternehmen in einer Presseaussendung. „Nach Prüfung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens wird die Restrukturierung des Unternehmens über ein Sanierungsverfahren stattfinden, das kommende Woche angemeldet wird – damit ist die Fortführung des Unternehmens gesichert“, hieß es am frühen Mittwochnachmittag.

Zunächst hieß es noch, das Unternehmen prüfe alle Optionen, eine davon sei ein Insolvenzverfahren – mehr dazu in Kika/Leiner-Eigentümer prüft Insolvenzoption (noe.ORF.at; 7.6.2023). Die Maßnahmen, Filialen zu schließen und 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kündigen, sollen „unverändert“ wie geplant umgesetzt werden. Der Insolvenzantrag inklusive Sanierungsplan soll laut „Standard“ (online) am Dienstag beim Gericht in St. Pölten gestellt werden.

Es werde wohl ein Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung, hieß es von kika/Leiner auf APA-Anfrage. Am Dienstag hatte der neue Eigentümer des operativen Geschäfts der Möbelkette angekündigt, 23 von 40 Standorten mit Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Auch die Zentralabteilungen und die Verwaltung sollen „erheblich“ verkleinert werden – mehr dazu in Kika/Leiner kündigt 1.900 Beschäftigte (noe.ORF.at; 6.6.2023).

Kündigungen mit Ende Juli

„Die Kündigungen werden entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen (Kündigungstermine, -fristen) erfolgen. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mit Ende Juli 2023 gekündigt werden“, hieß es am Mittwoch von kika/Leiner zur APA.

kika/Leiner will Insolvenz anmelden

Nachdem die angeschlagene Möbelkette kika/Leiner am Dienstag angekündigt hat, mehr als die Hälfte ihrer Filialen zu schließen und 1.900 Mitarbeiter zu kündigen, folgt am Mittwoch der nächste Paukenschlag: kika/Leiner will nächste Woche Insolvenz anmelden. Unterdessen beginnt in jenen Filialen, die bald schließen werden, der Abverkauf.

Laut dem Unternehmen sollen „alle geleisteten Anzahlungen und die erworbenen Gutscheine garantiert“ werden und weiterhin in allen Kika/Leiner-Filialen eingelöst werden können. Auch sollen die Bonuspunkte erhalten bleiben, und kika/Leiner will alle bestehenden Aufträge so ausführen, wie es vereinbart wurde.

Kritik von Arbeitnehmervertreter an Benko

Arbeitnehmervertreter übten indes Kritik an dem Unternehmer und ehemaligen Eigentümer Rene Benko. „Er hat immer gesagt, wir sind eine Familie. Er ist irgendwie die Vaterfigur. Und wir sind alle in einem Boot“, sagte ein Wiener Leiner-Betriebsrat im Ö1-Mittagsjournal. Es habe sich gezeigt, dass Benko „kein Familienvater“ sei. „Das Boot war nicht für kika/Leiner gedacht, sondern für was anderes. Er hat uns einfach im Stich gelassen.“

In den nächsten zwei Wochen will die Gewerkschaft GPA gemeinsam mit der Arbeiterkammer in allen 40 Filialen den Beschäftigten persönlich für Beratungen zur Verfügung stehen. „Kurz vor der Insolvenz hat Benkos Signa-Gruppe das Unternehmen noch verkauft und das als ‚sehr gutes Investment‘ bezeichnet. Übrig bleibt: Benko verdient, der Steuerzahler muss herhalten“, kritisierte die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, in einer Aussendung.

Vonseiten des Kika/Leiner-Betriebsratsvorsitzenden Karl Kocnik hieß es am Mittwoch gegenüber noe.ORF.at, man sei „sehr betroffen“ wegen der 23 Filialschließungen: „Wir garantieren den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber, dass sie sich um ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche keine Sorgen machen müssen.“

AMS: „Günstige Zeit, um neuen Job zu suchen“

„Es ist immer tragisch, wenn man seinen Job verliert“, sagte Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), im Ö1-Mittagsjournal. „Es ist aber eine günstige Zeit, um einen neuen Job zu suchen.“ Es gebe Tausende offene Stellen im Handel. Das AMS stehe aber auch bereit für Qualifizierungsmaßnahmen, etwa im Bereich Pflege, Digitalisierung und Green Jobs, so der AMS-Chef.

Kika/Leiner will in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Handel und Gewerbe wie Obi, Billa, Bipa, Penny, Tedi, Müller, Deichmann, Action und NKD eine Jobplattform einrichten, damit allen vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeitern ein Jobangebot gemacht wird. Von den freigewordenen Fachkräften profitieren wollen auch die Supermarktketten Spar, Rewe (u. a. Billa) und Lidl. Sie unterbreiteten bereits allen gekündigten Kika/Leiner-Mitarbeitern per Aussendung ein Jobangebot. Interessierte könnten sich jederzeit bewerben. Bauhaus will Kika/Leiner-Mitarbeiter mit einer zusätzlichen 6. Urlaubswoche ködern. Auch die Post bietet den vom Stellenabbau Betroffenen neue Jobs an.

Und sogar die Polizei zeigte Interesse: Der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl forderte die betroffenen Beschäftigten auf, sich bei der Exekutive zu bewerben: „Es gibt auch viel bessere Dienstgeber, nämlich die Polizei“. Er verwies darauf, dass es nun ein verkürztes Aufnahmeverfahren gebe und die sportlichen Limits mittlerweile nicht mehr sofort erbracht werden müssten – im Herbst starte der nächste Ausbildungsjahrgang.

Das Land Burgenland sicherte in einer Aussendung den Betroffenen in Eisenstadt und Unterwart Unterstützung zu. Man werde „alles unternehmen, um die Betroffenen zu unterstützen – sei es mit Maßnahmen zur Integration auf dem Arbeitsmarkt oder im Falle einer Insolvenz über eine Insolvenzstiftung“, erklärte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und nahm gleichzeitig die Bundesregierung in die Pflicht, der Entwicklung gegenzusteuern – mehr dazu in Land hilft nach Kika-Schließungen (burgenland.ORF.at; 7.6.2023).

Kundenaufträge werden wie vereinbart durchgeführt

Die Möbelkette versucht per E-Mail, verunsicherte Kunden zu beruhigen. „Daher ist es selbstverständlich, dass wir Ihnen alle Ihre geleisteten Anzahlungen und die erworbenen Gutscheine garantieren, die weiterhin in den Kika/Leiner-Filialen eingelöst werden können“, heißt es in einer Aussendung an Stammkunden. „Auch Ihre Bonuspunkte bleiben erhalten, und alle Ihre Aufträge werden natürlich so ausgeführt, wie wir es vereinbart haben.“

Chefjurist Hirmke über kika/Leiner

Der Chefjurist vom Verein für Konsumenteninformation, Thomas Hirmke, spricht unter anderem über die neue Übernahme der kika/Leiner Group. Des Weiteren berichtet er, wie es für Kundinnen und Kunden ist, wenn sie schon Möbel gekauft und bezahlt haben.

„Bei Gutscheinen würde ich dringend empfehlen, die jetzt noch schnell einzulösen, und zwar bei Dingen, die man gleich mitnehmen kann“, sagte VKI-Chefjurist Thomas Hirmke am Mittwoch in der ORF-Sendung „Aktuell nach eins“. Nach Anmeldung der Insolvenz müssten Gutscheinbesitzer diesen als Forderung im Insolvenzverfahren anmelden, und das zahle sich meist nicht aus. Hirmke rät auch dazu, keine Anzahlungen mehr zu tätigen.

Verlustgeschäft in den vergangenen Jahren

Einen Gewinn hatte das Möbelgeschäft für Signa in den vergangenen fünf Jahren nicht abgeworfen. Die Möbelkette sei mit einem operativen Verlust in Höhe von mehr als 150 Mio. Euro übernommen worden, und um die laufenden Kosten zu decken, betrage der Liquiditätsbedarf bei sinkenden Umsätzen monatlich ca. acht bis zehn Mio. Euro, erklärte der neue Eigentümer, Hermann Wieser.

Die Verbindlichkeiten von kika/Leiner sollen sich auf rund 300 Mio. Euro belaufen, schrieb der „Standard“ (Mittwoch-Ausgabe) ohne Angabe von Quellen. Über die Jahre kumulierte sich bis Ende September 2021 ein Bilanzverlust bei kika und Leiner von 106 Mio. Euro bzw. 83,7 Mio. Euro, geht aus dem Firmenbuch (Wirtschaftscompass) hervor. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Mehrfacher Besitzerwechsel

In den vergangenen zehn Jahren wechselte kika/Leiner mehrfach den Besitzer, der Marktanteil ging laut dem Marktforscher Branchenradar von 22 Prozent auf zuletzt 18 Prozent zurück. Im Jahr 2013 erwarb die südafrikanische Steinhoff-Gruppe die Möbelkette und verkaufte dann das Unternehmen wieder, um eine Insolvenz der Möbelkette zu verhindern, an die Signa-Gruppe rund um Benko.

Im Rahmen des damaligen Sanierungskurses von kika/Leiner wurde die Filialzahl in Österreich reduziert und das Osteuropa-Geschäft sowie einige nicht strategische Immobilien in Österreich verkauft. Den Turnaround schaffte Signa bei kika/Leiner nicht. Das Immobilien-„Filetstück“ der Möbelkette in der Wiener Mariahilfer Straße kaufte Signa bereits Ende 2017 von Steinhoff um 60 Mio. Euro und errichtet dort derzeit das Luxuskaufhaus Lamarr.

Mehrere Gründe für Abwärtstrend

Für den Abwärtstrend bei kika/Leiner gibt es laut dem Branchenradar-Chef Andreas Kreutzer mehrere Gründe. Kika/Leiner sei aufgrund der niedrigeren Filialanzahl immer im Nachteil gegenüber XXXLutz und seinen Diskontern Mömax und Möbelix gewesen. Aufgrund ihres hohen Abnahmevolumens könnten XXXLutz und auch Ikea eine Eigenmarkenstrategie fahren. „Da war und ist kika/Leiner immer im Nachteil“, so der Marktforscher zur APA.

Durch die geplante Reduktion der Kika/Leiner-Filialen von 40 auf 17 werde das „nun nicht besser“. Außerdem haben sich laut Kreutzer in den vergangenen zehn Jahren die Ausgaben für Möbel und Einrichtung in Österreich „eher mau“ entwickelt. Ausnahme war nur der kurze Umsatzboom am Anfang der Pandemie mit den Lockdowns. Die Aussichten für den Möbelhandel seien auch „in nächsten zwei bis drei Jahren nicht so gut“. Kreutzer erwartet, dass bei kika/Leiner „nur eine Marke überbleiben wird“. Ikea und XXXLutz seien wohl „primär“ die Umsatzgewinner der geplanten Filialreduktion des Mitbewerbers. Mittelständische Möbelhändler würden „eher nicht“ profitieren.