Wirtschaft

kika/Leiner: Eigentümer haftet für Gutscheine

Der neue Eigentümer der Möbelkette kika/Leiner versichert, dass alle Gutscheine ihre Gültigkeit behalten. Er übernehme über seine Gesellschaften die Haftung dafür. Ein Anwalt und Konsumentenschützer raten, Gutscheine dennoch am besten sofort einzulösen.

Trotz geplanter Insolvenz verspricht kika/Leiner, dass alle Gutscheine ihre Gültigkeit behalten. Möglich werden soll das, weil der neue Eigentümer, Hermann Wieser, über seine Gesellschaften die Haftung dafür übernimmt, sagte ein kika/Leiner-Sprecher am Freitag. Denn im Rahmen der Insolvenzmasse dürfen Gutscheine nicht besser gestellt werden als andere Forderungen, wie Anwalt Michael Poduschka im Gespräch mit der APA erinnert.

Auch Anzahlungen für künftige Lieferungen gehören zu den Forderungen. Allerdings soll im Zuge des Fortführungsplans sichergestellt werden, dass alle offenen Aufträge erfüllt und die geleisteten Anzahlungen zur Gänze angerechnet werden, so der Sprecher. Damit würden Kunden auch nicht um ihre Anzahlungen umfallen.

Poduschka rät trotz der Garantie zur Vorsicht. „Wenn ich einen Gutschein hätte, würde ich sofort hinlaufen und ihn einlösen“, empfiehlt er. Denn es gelte „die Binsenweisheit, dass eine Garantie nur so stark ist wie der Garantiegeber“. Der Anwalt vermutet, dass die Ansage des neuen kika/Leiner-Eigentümers vor allem dazu gedacht ist, die Stürmung der Geschäfte zu verhindern. Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) empfiehlt, Gutscheine schnell einzulösen: „Und zwar bei Dingen, die man gleich mitnehmen kann“, sagte VKI-Chefjurist Thomas Hirmke.

Versprechen mit Haftung „durchaus realistisch“

Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, hält eine Umsetzung des Versprechens, dass die Gutscheine weiter ihre Gültigkeit behalten, durchaus für realistisch. So zeige sich in der Praxis, dass Masseverwalter im Rahmen von Sanierungsverfahren üblicherweise eng mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten – und zwar unabhängig davon, ob eine Eigenverwaltung vorliegt oder nicht. Inwieweit eine Umsetzung aber tatsächlich gelingen kann, werde sich erst im Zuge des Verfahrens weisen, erklärte Weinhofer.

Für den WU-Rechtsexperten Martin Spitzer ist das Versprechen, dass Gutscheine oder Anzahlungen über Dritte garantiert werden „wirtschaftlich plausibel“, da das Unternehmen mit Blick auf die Weiterführung ein Interesse daran habe, seine Kunden zu behalten. Wie Poduschka gibt Spitzer aber zu bedanken, dass die Garantie von der haftenden Gesellschaft abhängt. Am Ende schenke man immer irgendwem sein Vertrauen, so der WU-Experte. Ohne die Garantie eines Dritten sei die Bevorzugung von Kunden gegenüber anderen Gläubigern in einem Sanierungsverfahren jedenfalls nicht möglich.

Ein Kundenandrang, wie er wohl seit der Eröffnung Mitte der 1990er-Jahre kaum jemals vorgekommen war, erlebte am Freitagvormittag, 9. Juni 2023, auch die von der Schließung betroffene Kika-Filiale in Horn
APA/CHRISTOPHER ECKL
Die Warteschlange an der Kasse Freitagvormittag bei kika in Horn

Viel Andrang in Geschäften am Fenstertag

An jenen kika/Leiner-Standorten, die geschlossen werden sollen, startete am Freitag ein Totalabverkauf. Regelrecht überrannt wurde das Möbelhaus in Steyr in Oberösterreich am Freitagvormittag. Schnäppchenjäger waren genauso unterwegs wie verunsicherte Kunden. Zu Mittag herrschte bereits Blockabfertigung beim Einlass.

In der Horner kika-Filiale sind mehr als 40 Personen beschäftigt. Jene, die am „Fenstertag-Freitag“ Dienst hatten, wurden mit allerlei Kundenanfragen regelrecht bombardiert. Viel diskutiert wurde das Thema Gutschein-Einlösung. Einigen Angebotsjägern ging die Produktpalette auch nicht weit genug, wie die – letztlich klar verneinte – dringliche Frage eines Mannes nach der Verfügbarkeit von Waschmaschinen im Markt zeigte. Als besonders stark frequentiert erwies sich die Abteilung für Gartenmöbel.

Expertin: „Diverse Entscheidungen“ falschgelaufen

Dass der einstige Möbelriese nun voraussichtlich nächste Woche Insolvenz anmeldet, sei auf eine Reihe von falschen, strategischen Entscheidungen zurückzuführen, so die Wirtschaftsuni-Wien-Expertin Cordula Cerha. Der Markt für Möbel sei in Österreich „überbesetzt“, meinte sie in einem Interview mit der Kleinen Zeitung. „Die Flächenproduktivität ist zu gering: zu viel Handelsfläche pro Einwohner“.

Zu den Fehlentscheidungen gehöre auch das gemeinsame Marketing für die beiden Marken kika und Leiner – eine Entscheidung die später rückgängig gemacht wurde. In der gleichen Zeit wäre der Wettbewerb im Accessoire-Bereich härter geworden. Zudem hätten Konkurrenten wie Ikea und XXXLutz expandiert.

Seit 2018 durchgehend Verluste

Immer klarer wird inzwischen, dass kika/Leiner seit 2017, jedenfalls aber seit der Übernahme durch Rene Benko im Jahr 2018, durchgehend Verluste schreibt und von Jahr zu Jahr weniger Umsatz erwirtschaftet. Das Unternehmen wurde nach Einschätzung verschiedener Experten durch Zuschüsse des Eigentümers am Laufen gehalten. Das wäre aber auch zulässig und würde keine Insolvenzverschleppung bedeuten, sagten Spitzer und Weinhofer.

Der Bilanzverlust hatte sich bis 2021 auf knapp 84 Mio. Euro summiert, Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor. Der „Standard“ schreibt sogar von 300 Mio. Euro an Verbindlichkeiten. Der Wert von kika/Leiner lag jedenfalls schon lange nur mehr in seinen Immobilien. Benko erwarb das operative Geschäft um einen symbolischen Euro und verkaufte es an Hermann Wieser um ebenfalls einen symbolischen Euro.

Lieferanten können Folgen noch nicht abschätzen

Der CEO des oberösterreichische Möbelhersteller Team 7, Georg Emprechtinger, geht davon aus, dass kika/Leiner in irgendeiner Form am Markt erhalten bleibt. Er könnte sich vorstellen, dass die Kette künftig wieder eher in den Premiumbereich zurückkehrt. Dann würde man mit wenigen Filialen auskommen und auch neben XXXLutz Platz finden, sähe er darin ein sinnvolles Konzept. Aber: Derzeit sei einfach noch zu wenig bekannt, was für die Zukunft des Möbelriesen geplant sei, um eine Einschätzung abgeben zu können.

Dieser Informationsmangel macht es Team 7 als jahrzehntelangem Lieferanten von kika/Leiner auch nicht leicht, die drohenden Folgen für das eigene Unternehmen abzuschätzen. Der Schaden werde „nicht sehr groß sein“, erwartet Emprechtinger, weil man zuletzt ohnehin bereits vorsichtig agiert habe, „aber es wird mehr als null sein“. Allerdings sei kika/Leiner zuletzt kein so großer Kunde von Team 7 mehr gewesen als noch vor 15 oder 20 Jahren, „das ist sukzessive zurückgegangen“.