Ein Mink bzw. amerikanischer Nerz im Nationalpark Donau-Auen
Nationalpark Donau-Auen/Steiner
Nationalpark Donau-Auen/Steiner
Chronik

Wie sich der Mink in Österreich verbreitet hat

Der nordamerikanische Mink gilt als heimisch und als Konkurrent zum Europäischen Nerz. Nach Österreich kam er wegen seines seidigen Fells, aus Pelzfarmen büxte er aus oder wurde von Tierschützern befreit – Heidenreichstein spielt eine entscheidende Rolle.

Die letzte Pelzfarm Österreichs im Winter 1998 in Heidenreichstein (Bezirk Gmünd). Nur das Licht von Taschenlampen erhellt die Hütte. Menschen in schwarzen Räubermasken zwicken mit Zangen die Drähte von Käfigen auf, ein Mink läuft auf dem Boden herum, alles wird gefilmt. Nach damaligen Berichten befreien die Aktivistinnen und Aktivisten 40 Tiere, sie lassen sie im Wald neben der Pelzfarm laufen.

„Das hat sicherlich einen Einfluss auf die Dichte des Vorkommens in Österreich gehabt“, sagt Frank Zachos, Zoologe im Naturhistorischen Museum Wien. Der Mink ist heute nämlich vor allem in Ostösterreich anzutreffen. „Ob wir sonst vom Mink verschont gewesen wären, ist aber zu bezweifeln.“ Das Tier entkam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus mehreren Pelzfarmen in Europa. Offizielle Zahlen zum Bestand der Tiere in Österreich gibt es nicht.

Amerikanischer Nerz wurde der Mink früher genannt – er sieht dem Europäischen Nerz nämlich zum Verwechseln ähnlich. „Minke sind deutlich größer und fast doppelt so schwer wie Nerze“, erklärt Zoologe Zachos, „ansonsten kann man sie relativ gut unterscheiden an der Ausprägung des weißen Feldes an der Oberlippe und Nase, wogegen beim Mink dieses weiße Feld auf Kinn und Unterlippe begrenzt ist“.

Mink (l.) und Europäischer Nerz (r.)
ORF/Nina Pöchhacker
Mink (l.) und Europäischer Nerz aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums: Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, sind aber nicht näher verwandt.

Mink kam für Pelzzucht nach Europa

Und mittlerweile weiß man: Näher verwandt sind die Tiere gar nicht. „Sie sind ökologische Entsprechungen. Sie besetzen in Nordamerika und Europa ähnliche Nischen im Ökosystem und sehen deswegen wohl auch ähnlich aus. Wenn man den einen dahin setzt, wo der andere ist, dann kommen die gut zurecht.“ Das Fell des Minks ist seidiger, was ihm früher zum Verhängnis wurde.

Für Pelzkleidung wurde wegen des Fells vor allem der Mink gezüchtet. In Österreich war Niederösterreich das letzte Bundesland, in dem die Tierhaltung für Pelzproduktion bis Ende März 1998 erlaubt war. Bis dahin gab es einige Zuchtfarmen, vor allem im nördlichen Waldviertel. Die Minke wurden in kleinen Käfigen nicht artgerecht gehalten.

Als Echtpelz noch als erstrebenswert galt

Der Umgang mit Pelz war in der Gesellschaft noch ein völlig anderer: In Fernsehreportagen aus den 1980ern werden Minke als „Tiere des Wohlstands“ beschrieben, die Bilder über die Züchtung, Tötung und Fellverarbeitung mit freundlicher Gute-Laune-Musik hinterlegt. Dazu sieht man Frauen, die mit Nerzmänteln modeln, und auch die Moderatorin meint nach dem Beitrag, dass unter dem Christbaum für die eine oder andere Zuseherin ja heuer vielleicht so ein Nerzmantel liegen könnte – heute nur noch schwer vorstellbar.

Nach und nach schlossen die Pelzfarmen, nur im Waldviertel dauerte es länger. Die Stimmung war hitzig: Als Aktivistinnen und Aktivisten ein Grundstück eines Züchters betreten wollten, schoss dieser mit einem Gewehr in die Luft: „Ich schieße, mir ist das egal“, ist in einem Beitrag der ORF-Sendung „Report“ aus dem Jahr 1999 zu hören.

 Mit der Besetzung des Büros von Landeshauptmann Erwin Pröll wollte der Verein gegen Tierfabriken heute, vormittag den Versuch unternehmen, die Übergabe von 35.000 Unterschrieften für die Schließung einer Nerz-Farm in Waldviertel zu erreichen.
APA
Tierschützerinnen und Tierschützer besetzten im Februar 1998 das Vorzimmer des Landeshauptmanns

Tierschützerinnen und Tierschützer rüttelten die Gesellschaft auf – nicht durch Kleben, aber durch Anketten. Im Februar 1998 ketteten sich Aktivistinnen und Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) und von Vier Pfoten im Vorzimmer des Büros des damaligen Landeshauptmanns Erwin Pröll (ÖVP) an. Sie wollten ihm Unterschriftenlisten einer Petition für die Schließung der letzten Pelzfarm übergeben und forderten ein Pelztierzuchtverbot.

Tierschutz mit späten Folgen für Naturschutz

Einen Monat später novellierte die Landesregierung die entsprechende Verordnung; und die Haltung von Tieren für Pelze war endgültig verboten. Auch die letzte Farm in Heidenreichstein musste schließen. Die Minke, die dort zuvor im Namen des Tierschutzes befreit worden waren, tragen aber 25 Jahre später zu einem ökologischen Problem bei.

Die Ausbreitung des Minks bedeutet für den Europäischen Nerz nichts Gutes. Biologinnen und Biologen schätzen, dass es von dieser Art nur mehr 1.000 Exemplare in Europa gibt. „Das ist ein Konflikt zwischen Tierschutz und Naturschutz. Beim Tierschutz geht es um das Wohl des einzelnen Tieres, das Recht auf Leben und das Recht, nicht zu leiden. So gesehen ist es legitim, wenn man Tiere aussetzt. Aber dann schafft man ökologische Probleme, die dem Naturschutz zuwiderlaufen“, erklärt Zoologe Zachos.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Ein Mink im Nationalpark Donau-Auen
Nationalpark Donau-Auen/Steiner
Der Mink wird immer wieder im Nationalpark Donau-Auen gesichtet
Ein Mink im Nationalpark Donau-Auen
Nationalpark Donau-Auen/Steiner
Manche Exemplare sind nicht sehr scheu
Ein Mink im Nationalpark Donau-Auen
Nationalpark Donau-Auen/Steiner
In der Nähe von Gewässern fühlen sich Minke am wohlsten

Mink lässt Europäischem Nerz keinen Platz

Durch Pelzjagd, Wasserverschmutzung, Begradigung von Flüssen und Versiegelung ging die Zahl der Tiere schon vor der Ausbreitung des Minks zurück. „Das haben wir Menschen ohne den Mink auch schon geschafft, der kommt jetzt nur erschwerend hinzu und er ist ein großes Hindernis bei der Wiederbesiedelung und Rückeroberung für den Nerz“, so Zachos.

Beim Fischotter habe diese Rückeroberung in Europa etwa funktioniert. Die Nische des Nerzes sei aber jetzt vom Mink besetzt: Dort, wo sich der Nerz wohlfühlen würde, hat der Mink bereits sein Revier. Auch für andere heimische Tiere ist der Mink ein Konkurrent, da er fast alles frisst. Aufhalten könne man das marderartige Tier aber ohnehin nicht mehr, sagt Zachos. „Den werden wir nicht mehr los, der wird auf lange Sicht hierbleiben und dem Nerz das Leben schwermachen.“ Eine Chance habe der Europäische Nerz nur noch in gezielten Wiederansiedelungsprojekten, solange dort kein Mink lebt.