Chronik

Missbrauch: Anzeige wohl auf Postweg verloren

In einem Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche Buben missbraucht haben soll, dürfte eine erste Anzeige gegen den Serientäter auf dem Postweg verloren gegangen sein. Die Erhebungen führte die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt.

Die Wiener Neustädter Anklagebehörde hatte im Zusammenhang mit der verloren gegangenen Anzeige gegen zwei Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Ein ehemaliger Teilnehmer eines Sommerferiencamps am Wolfgangsee (Oberösterreich), wo der Wiener Lehrer mit Unterbrechungen zwischen 1990 und 2010 während der Sommermonate außerschulisch als Ferienbetreuer tätig war, war bereits 2013 zur Polizei gegangen und hatte in einer Dienststelle in Niederösterreich Anzeige gegen den Lehrer erstattet.

Der Mann habe sich während einer Massage an ihm vergangen, schilderte der zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsene Betroffene. Obwohl der Lehrer in weiterer Folge als Beschuldigter vernommen wurde, wurde dieser Fall nie gerichtsanhängig. Der Lehrer, der neben dem Sportunterricht auch in einem Basketballverein tätig war, bekam damit Gelegenheit, weiterhin seinen Beruf auszuüben und in Kontakt mit ihm anvertrauten Buben zu bleiben.

Kein wissentlicher Befugnismissbrauch

Wie sich nun im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Erhebungen herausstellte, dürfte die erste Anzeige zwar von den damit befassten Beamten in Niederösterreich nach Oberösterreich – aufgrund des mutmaßlichen Tatorts das zuständige Bundesland – weggeschickt worden sein. Dort kam sie aber nie an. „Sie ist möglicherweise auf dem Postweg verloren gegangen“, bekräftigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegenüber der APA einen entsprechenden „Standard“-Bericht.

Den im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Anzeige unter Verdacht des Amtsmissbrauchs geratenen Polizeibeamten habe aber „kein wissentlicher Befugnismissbrauch“ nachgewiesen werden können, hieß es weiter von der Staatsanwaltschaft: „Es wurden neben den Beschuldigten zahlreiche Zeugen vernommen. Es haben sich keine Hinweise auf eine Dienstverfehlung ergeben.“ Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sei die Anzeige vermutlich in Oberösterreich „abhandengekommen“, wobei sich die näheren Umstände nicht mehr klären hätten lassen: „Das ist zehn Jahre her.“

Taten laut Justiz verjährt

Folglich wäre das Verfahren laut Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt selbst dann einzustellen gewesen, wenn sich Hinweise auf ein straffällig relevantes Fehlverhalten gefunden hätten. „Es wäre mittlerweile Verjährung eingetreten“, erläuterte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt.

Der Sportlehrer soll bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben. Der Vorfall war bis zum Vorjahr auch Thema einer Untersuchungskommission in Wien. Die Rede war damals von 40 Opfern und einem „Systemversagen“ der Bildungsdirektion – mehr dazu in Missbrauch an Schule: Mindestens 40 Opfer (wien.ORF.at; 5.12.2022).