Innenansicht der Justizanstalt Stein
APA/HANS KLAUS TECHT
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Chronik

Kritik: Mangelnde Behandlung in Justizanstalt

Die Mutter eines psychisch kranken Mannes erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Zum einen soll ihr Sohn seit mehr als einem Jahr ohne rechtskräftiges Urteil im Maßnahmenvollzug untergebracht sein, zum anderen fehle die notwendige psychologische Behandlung.

„Mein Sohn geht vor die Hunde“, klagte die Mutter des 27-Jährigen schon im Juli gegenüber dem ORF. Damals sprach sie von folterähnlichen Zuständen. Ihrem schwer psychisch kranken Sohn würden sowohl jede Therapie als auch die nötige Medikation verwehrt, so die Kritik der Frau.

Laut Gutachter leidet der 27-Jährige an einer schizo-affektiven Störung sowie an einer Persönlichkeitsstörung. Schon vor Gericht hatte der Psychiater klargestellt, dass eine intensive Behandlung notwendig und die Justizanstalt Stein in Krems nicht der geeignete Ort dafür sei. „Mit dem Krankheitsbild gehört er nicht dorthin, sondern er sollte in eine konsequente Behandlung kommen, damit er eine gute Chance hat, bald bedingt entlassen zu werden“, so seine Einschätzung damals.

Nach zwei Wochen Behandlung wieder in Stein

Zweieinhalb Monate nach der ersten Kritik seiner Mutter, erreichte sie ORF-Redakteur Jürgen Pettinger für ein Interview just, als sie die Justizanstalt Stein in Krems verließ. Sie hatte kurz zuvor ihren Sohn besucht, nachdem er zwei Wochen lang in Behandlung gewesen war. „Ich bin noch immer in einem Schockzustand, nach allem, was ich mitbekommen habe“, erzählte sie. Erst vergangenen Mittwoch sei ihr Sohn nach Stein zurückgebracht worden, „und ich habe eigentlich erwartet, dass er so sein wird, wie er in Göllersdorf war: locker, entspannt, lachend. Aber das war nicht so“.

Die vorübergehende Überstellung in das forensisch-therapeutische Zentrum nach Göllersdorf (Bezirk Hollabrunn), wo er zwei Wochen lang behandelt wurde, sei ein guter Schritt gewesen, sagt Daniel Strauss, der Anwalt des Mannes, aber „viel zu kurz“, wie er überzeugt ist: „Ich vermute, dass man in Göllersdorf nicht die Kapazitäten hat für ihn.“ Das forensisch-therapeutische Zentrum Göllersdorf ist eine Sonderanstalt des österreichischen Strafvollzugswesens. Sie dient dazu, nicht zurechnungsfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher mit Behandlungsauftrag aufzunehmen.

Auf die ORF-Nachfrage, ob der Fall des Mannes darauf schließen lässt, dass Österreichs forensisch-therapeutische Zentren nach wie vor überfüllt sind, antwortete der Anwalt: „Ja, das ist leider meine Erfahrung, dass psychisch Kranke nicht sofort in eine geeignete therapeutische Einrichtung verlegt werden. Die sind dann in gewöhnlichen Haftanstalten und bekommen dort halt einfach nicht die adäquate Behandlung“, so Strauss.

Justizministerium schweigt aus Datenschutzgründen

Aktuell sind laut Justizministerium 1.445 Personen im Maßnahmenvollzug untergebracht. Der Belegungsstand ist nach einer Reform mit höheren Einweisungshürden zuletzt nicht oder nur leicht gesunken. Im aktuellen Fall werde der 27-Jährige zwar jetzt mit den richtigen Medikamenten versorgt, nachdem er monatelang nur Psychopax-Beruhigungstropfen bekommen habe.

Er brauche aber dringend auch eine Depotmedikation und engmaschige Psychotherapie, wie die Mutter des Betroffenen schildert. „Es gibt dort keine Psychotherapie. Es kommt ein Mal pro Woche ein Psychologe vorbei. Die Psychiaterin, die ihm zugeteilt ist, kommt – wenn überhaupt – alle zwei Wochen“, so die Mutter des Mannes.

Das Urteil gegen den Mann ist nicht rechtskräftig. Er sitzt wegen gefährlicher Drohung seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Ein Delikt, für das nicht psychisch kranke Menschen in der Regel mit einer Geldbuße oder einer Abmahnung davonkommen. Das Justizministerium will sich aus Datenschutzgründen zu dem Fall nicht äußern.