Kasimir und Karoline im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten mit  Laura Laufenberg und Konstantin Rommelfangen
Luiza Puiu
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Kultur

Beichl überzeugt mit Horvaths „Kasimir und Karoline“

Das Landestheater Niederösterreich hat am Samstagabend Moritz Franz Beichls stringente, überzeugende Inszenierung von Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“ zur heftig akklamierten Premiere gebracht. Das Oktoberfest blieb hingegen außen vor.

Schäumende Bierkrüge werden nicht geschwungen, stattdessen trinkt man symbolisch aus überdimensionalen Strohhalmen. Die Bühne, gestaltet von Anouk Schiltz, enthält die Wiesn-Atmosphäre nur noch als Zitat, etwa in Form eines hochgeflogenen Ringelspiel-Pferdetorsos, als wäre gerade ein Rummelplatz explodiert. Als Leuchtschrift prangt „Kasimir & Karoline“ aus dem Dunkel. Das trifft sich mit Horvaths Intention, der das Münchner Lokalkolorit gar nicht im Vordergrund sehen wollte, schreibt APA-Kulturkritiker Ewald Baringer.

Beichl setzt in seiner gekürzten Fassung auf Klarheit und schickt die in Ausweglosigkeit verfangenen Figuren auf eine Achterbahnfahrt der verbogenen Gefühle. Wenn die Personen abtreten, ziehen sie sich in den Bühnenhintergrund zurück, von wo sie das Geschehen weiter beobachten. Die Live-Musik von Philipp Auer verstärkt in melancholischen Songs und bisweilen leise wehenden Gitarrenklängen die atmosphärische Tristesse. „G’hea ma nimma z’samm“, heißt es zu Beginn und am Ende zwischen Frage und Feststellung.

Kasimir und Karoline im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten mit Tobias Artner, Laura Laufenberg Philipp Auer, Michael Scherff, Konstantin Rommelfangen und Jeanne Werner
Luiza Puiu
Samstagabend feierte die Inszenierung von Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“ im Landestheater Niederösterreich Premiere

„Heute sauf ich wie ein Schwein“

Nur einmal eskaliert die verzweifelte Feierstimmung der inhomogenen Festgesellschaft zu einem seelenlos hämmernden Clubbing mit dem bezeichnenden Refrain „Heute sauf ich wie ein Schwein, keine Sau bleibt allein.“ Sich die Welt schön zu saufen ist nicht aus der Mode gekommen.

Überhaupt könnte Horvaths Volksstück auch 2023 spielen. „Oft male ich mir eine Revolution aus – dann seh ich die Armen durch das Siegestor ziehen und die Reichen im Zeiserlwagen, weil sie alle miteinander gleich soviel lügen über die armen Leut“, sagt die ausgemergelte Erna (Jeanne Werner). Die Lügen der Reichen über die Armen: geradezu tagesaktuell!

Keine reinen Sympathieträger

Aber auch die armen Leut sind in diesem Stück keine reinen Sympathieträger: vom Verlierer Kasimir (Konstantin Rommelfangen im rustikalen Flanellhemd) über die naive Karoline (Laura Laufenberg) und den kriminellen Merkl Franz (Lennart Preining in kurzen Hosen) bis zum Zuschneider Schürzinger (wunderbar linkisch: Tobias Artner), und auch Kommerzienrat Rauch (gediegen präpotent: Michael Scherff) sowie Richter Speer (Simon Bauer) sind letztlich tragische Versager.

Die private und die soziale Misere gehen Hand in Hand. Trotzdem schafft es Beichl, niemanden ganz bloßzustellen, sondern fast allen einen Rest von Würde zu belassen bei aller Phrasendrescherei und Unsensibilität. Immerhin gelingt Selbstreflexion, wenn Karoline resigniert: „Ich habe es mir halt eingebildet, dass ich mir einen rosigeren Blick in die Zukunft erringen könnte – und einige Momente habe ich mit allerhand Gedanken gespielt. Aber ich müsst so tief unter mich hinunter, damit ich höher hinauf kann.“ Viel verdienter Beifall für Schauspieler und Regie.