Diskussion um Handystrahlung

Ein italienisches Gericht hat entschieden, dass ein Gehirntumor auf intensive Handynutzung zurückzuführen sei und damit die Diskussion um Handystrahlen neuerlich angeheizt. Aktuelle Studien geben dazu jedoch keine klare Antwort.

Das Handy ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, unser Körper ist damit immer wieder der elektromagnetischen Strahlung der Geräte ausgesetzt. „Einige Zellen im Körper reagieren auf elektromagnetische Strahlung, andere nicht“, sagt Krebsforscher Wilhelm Mosgöller, der bereits an mehreren Studien zum Thema mitgewirkt hat. Wenn eine Zelle von Strahlung beeinflusst wird, könne das „harmlos“ sein, „es kann aber auch so sein, dass es die Körperzelle an ihrer Funktion hindert.“

Testperson im Labor

AUVA

Testpersonen wurden bei der AUVA-Studie Handystrahlung ausgesetzt

Zellveränderungen möglich

Ob das nun ein Gesundheitsrisiko darstellt, haben Wissenschaftler der MedUni Wien in Kooperation mit den Seibersdorf Laboratories in einer Studie der Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) versucht herauszufinden. Freiwillige Versuchspersonen wurden dabei Handystrahlung ausgesetzt. Bei Reaktionstests waren sie dadurch schneller, machten aber auch mehr Fehler. Von Bedeutung sei diese Erkenntnis laut Mosgöller etwa für Menschen, die im Auto telefonieren: „Wenn man in einer Millisekunde entscheiden muss, fährt man links oder rechts vorbei am Baum, darf man nicht falsch reagieren.“

Ein weiteres wichtiges Ergebnis: „Wir wissen, dass die Strahlung die Erbsubstanz in der Zelle beeinflussen kann – nicht muss, sondern kann. Das sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass wir darüber nachdenken, ob aus dieser Zelle Krebs entstehen kann.“ Mosgöller bleibt stets in der Möglichkeitsform: „Wir reden über ein Risiko. Ob das Risiko groß oder klein ist, das werden zukünftige Studien zeigen. Wir sehen einfach, dass es die Möglichkeit gibt. Viel weiter sind wir heute noch nicht.“

Zusammenhang mit Hirntumoren untersucht

Trotz allem gibt es bereits zahlreiche Studien, die sich mit den Auswirkungen von Handystrahlung auseinandersetzen. Bei einer Meta-Studie der Donau-Universität Krems hat man sich jene genauer angesehen, die einen Zusammenhang mit Gehirntumoren untersuchen.

Ursula Griebler

ORF

Ursula Griebler: „Die Frage ob Handytelefonieren einen Einfluss auf die Entstehung von Hirntumoren hat, ist noch nicht geklärt, man kann es aber auch nicht ausschließen.“

„Es hat sich gezeigt, dass es möglicherweise ein um ein Drittel erhöhtes Risiko gibt, an einem bösartigen Hirntumor, einem Gliom, zu erkranken, für Menschen, die über einen Zeitraum von zehn Jahren regelmäßig telefonieren, im Vergleich zu solchen, die sehr selten oder gar nicht mit dem Handy telefonieren“, sagt Projektverantwortliche Ursula Griebler vom Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Uni.

Die Zahlen sind aber zu relativieren, sagt Griebler. Denn nicht einmal ein Promille der österreichischen Bevölkerung erkrankt an bösartigen Gehirntumoren. Zudem sei es in diesem Bereich nicht möglich, experimentelle Studien durchzuführen, das heißt, „man sucht sich Personen, die diesen Tumor bekommen haben und vergleichbare Personen, die ihn nicht haben, und befragt sie zu ihrem Telefonierverhalten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte.“ Man sei damit auf das Erinnerungsvermögen der Personen angewiesen und das könne die Ergebnisse verzerren.

„Es ist Vorsorge angesagt“

Das Forum Mobilkommunikation, das die Handyindustrie vertritt, bestreitet jegliche gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Handystrahlung. Studien wie die von der AUVA und der Donau-Uni Krems zeigen aber: Man kann sie auch nicht ausschließen. „Es ist Vorsorge angesagt“, resümiert Mosgöller, „es wäre ein Unsinn zu sagen, jeder der ein Handy in die Hand nimmt, wird am nächsten Tag krank. Auf der anderen Seite haben wir Hinweise, dass es wie beim Rauchen jahrelang dauern kann, bis eine Krankheit ausbricht.“

Krebsforscher Wilhelm Mosgöller

ORF

Wilhelm Mosgöller empfiehlt, mit Kopfhörern zu telefonieren

Seine Empfehlungen lauten daher: Gespräche am Handy kurz halten, oder bei längeren Gesprächen das Gerät vom Kopf entfernen, indem man Kopfhörer, Lautsprecher oder ein Freisprechsystem nutzt. Zudem sollte das Telefon nicht am Körper, sondern in der Tasche oder im Rucksack getragen werden.

Besondere Vorsicht bei Kindern

Kinder und Jugendliche könnten besonders gefährdet sein, da sie viele „aktive Zellen“ haben, die besonders stark auf die Strahlung reagieren. Wenn sie mit dem Handy spielen, sollte das Gerät deshalb im Flugmodus sein.

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