Die unbekannte Klosterbibliothek

Das Priorat Neukloster in Wiener Neustadt ist seit seiner Gründung 1444 das einzige Stadtkloster der Zisterzienser. Seine exquisit ausgestattete Klosterbibliothek ist kaum bekannt. Sie kann ab März teilweise besichtigt werden.

Die kostbaren alten Bücher sind in sechs Meter hohen, üppig dekorierten barocken Holzregalen aufgestellt. Darüber befindet sich ein raumumspannendes, farbenfrohes Deckenfresko, gemalt von Johann Baptist Wenzel Bergl, dem Lieblingsmaler Kaiserin Maria Theresias. Die Bibliothek des Zisterzienerpriorats Neukloster in Wiener Neustadt zählt wohl zu den schönsten kleinen Klosterbibliotheken Österreichs und ist dennoch kaum bekannt.

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„Diese Bibliothek ist für viele, viele Jahre fast hermetisch abgeschlossen gewesen. Es gibt Menschen in Wiener Neustadt, die sagen, ich kenne zwar das Kloster ein wenig, aber ich bin noch nie in der Bibliothek gewesen. Man hat sie wirklich sehr sorgsam behütet“, erzählt Prior Walter Ludwig. Und so soll es auch bleiben, wenn die Bibliothek im Rahmen der kommenden Landesausstellung, die am 30. März in Wiener Neustadt eröffnet wird, besichtigt werden kann.

Eingang zur Bibliothek im Glassturz

Deshalb wurde für die Gäste, die in Führungen die Bibliothek besuchen, ein hermetisch abgeschlossene Glaskubus in den Eingang eingebaut. Er soll sowohl die mehr als 250 Jahre alten Fresken, die noch nie restauriert werden mussten, als auch die kostbaren Bücher vor Schimmel, Schmutz und anderen Beschädigungen schützen. „Der Glaskubus ragt so weit in den Raum hinein, dass alle Teile der wunderschönen Deckenfresken gesehen werden können und die Besucher sich auch ganz nahe bei den Büchern befinden“, freut sich Pater Walter Ludwig.

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Begehbarer Glaskubus in der Bibliothek des Priorats Neukloster

Neukloster ist nur wenig bekannt. Das ist eigentlich verwunderlich, wo es doch als Stadtkloster eine weltweite Besonderheit darstellt. „Zisterzienserklöster wurden immer weitab abseits der Städte gegründet, siehe Heiligenkreuz, Zwettl oder Rein. 1444, als Kaiser Friedrich gesagt hat, er möchte ein Zisterzienserkloster in seiner Residenzstadt in Wiener Neustadt gründen, war das für den Orden völlig unerwartet und es musste erst im Stammkloster in Citeaux der Fall geklärt werden“, erläutert der Prior.

Wissenschaft im Vordergrund

Neben Werken der Theologie dominieren Bücher der Wissensgebiete Geschichte und Naturwissenschaft den Bestand der historischen Bibliothek. Dies sei typisch für ein Stadtkloster. Dazu kommt, dass sich bis 1871 das einzige Gymnasium Wiener Neustadts innerhalb der Klostermauern befunden hat. Auch das habe sich in der Auswahl der Bücher niedergeschlagen.

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Ausschnitt aus der Londoner Polyglottenbibel

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 13.2.2019

Eine der Kostbarkeiten, die auch während der Landesausstellung in einer Vitrine gezeigt wird, ist ein 4-bändiges Werk aus dem Jahr 1739 mit Pflanzendarstellungen und Beschreibungen. Ein zweites ganz besonderes Buch ist ein Antiphonarium, ein Chorgebetbuch aus dem Jahr 1729, in dem besonders ausgeklügelte Chronogramme im Vorwort zu finden sind, sowie eine Polyglottenbibel aus London, bei der lateinische Text der Vulgata, der altgriechischen, hebräischen, syrischen Ausgabe der Heiligen Schrift innerhalb eines riesigen Buches gegenübergestellt sind, um erforschen zu können, welche Quelle den Urtext darstellen könnte.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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