Grafenwörth: Kampf an zwei Fronten

Sie hat das Leben der Menschen verändert und sie hat die Menschen verändert. Die Flut, die auch vor Grafenwörth nicht Halt gemacht hat. Im Gegenteil: Dort wurde an zwei Fronten gekämpft, denn das Wasser kam von der Donau und vom Kamp.

„Materielle Güter haben nach dieser Katastrophe nicht mehr denselben Stellenwert für sie. Sie haben begriffen, dass Liebe und Hilfsbereitschaft weit mehr zählen“ - das sind die Worte der Heimatdichterin Johanna Hackl über das Hochwasser 2002. Eine Sicht, die man heute auch in Grafenwörth teilt - jener Gemeinde, die damals von den Wassermassen aus Donau und Kamp schwer getroffen wurde.

Zwischen eigenem Wohl und Gemeinschaft

„Es bleibt uns nichts anderes übrig wir wissen was kommt, können aber nichts dagegen tun außer abwarten.“ Wenige Stunden nachdem der Feuerwehrkommandant von Grafenwörth, Friedrich Ploiner gegenüber dem ORF Niederösterreich im August 2002 diese Aussage trifft, überschwemmen die Wassermassen aus dem Kamp und der Donau ganze Ortsteile. „Diese Aussage würde ich heute wieder treffen das heißt man kann nur abwarten in so einer Situation wenn vor der Tür das Wasser steht und stündlich steigt und steigt“, sagt er heute.

Grafenwörth

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Voller Einsatz der Freiwilligen

Sein Haus liegt direkt gegenüber vom Feuerwehrhaus, damals musste er sich entscheiden auf welcher Seite er hilft. „In meiner Feuerwehr war ja die Hälfte der aktiven Mitglieder betroffen, die waren natürlich freigestellt vom Dienst, aber als Kommandant wird erwartet, dass man hier im Feuerwehrhaus seine Pflicht tut. Da kann man nicht weg, da muss man abwägen was ist wichtiger, die Gemeinschaft oder das eigene Wohl.“

„Natürlich bleibt eine Wunde“

Eine Entscheidung die in dieser Katastrophensituation in anderen Familien oft zu Problemen geführt hat, erzählt Psychologin Eva Münker-Kramer, die damals als Einsatzleiterin des Akutteams Niederösterreich tagelang unter anderem auch in Grafenwörth im Einsatz war. Nach dem ersten Schock über die Zerstörung der Häuser sei es vor allem der Verlust von persönlichen Dingen gewesen, der die Menschen belastet hat. Fotos vom ersten Schultag der Kinder oder den bereits verstorbenen Eltern - Erinnerungsstücke die die Flut einfach davongeschwemmt hat.

„Wir hatten noch bis Weihnachten Gespräche mit Einzelnen. Natürlich bleibt eine Wunde, es ist der Verlust von Dingen die einem wichtig sind. Die Traurigkeit bleibt, aber nicht mehr die Verzweiflung - die ebbt ab.“

Bürgermeister: „Niemand ist weggezogen“

Im Jänner 2003 habe es noch einmal einen Einbruch bei all jenen gegeben, die bis Weihnachten wieder in ihre Häuser zurückkehren wollten, es aber dann nicht mehr rechtzeitig geschafft haben. Bürgermeister Alfred Riedl war schon damals im Amt. Er erinnert sich an die Katastrophe als wäre sie gestern gewesen. „Das Überraschende ist, es ist ein Haus einfach nicht wieder aufgebaut worden, alle anderen sind zum Teil wieder aufgebraut worden aber es ist niemand weggezogen.“

Anna Wohlmuth; noe.ORF.at

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