KZ-Überlebender: „Heute mein Lieblingsort“

In St. Aegyd am Neuwalde (Bezirk Lilienfeld) ist in der Endphase des zweiten Weltkrieges ein Außenlager des KZ Mauthausen errichtet worden. Rajmund Pajer hat es überlebt. Immer wieder besucht er es. „Heute ist es mein Lieblingsort“, sagt er.

„Hier habe ich körperlich am meisten gelitten, aber wenn ich heute zurückkomme, ist es mein Lieblingsort. Warum? Ich habe das Gefühl, dass ich gewonnen habe.“ Rajmund Pajer, der seit 60 Jahren in Kanada lebt, steht am Friedhof von St. Aegyd und blickt auf das Mahnmal für die KZ-Opfer, die hier in den letzten Wochen des Krieges ihr Leben ließen. Es steht genau dort, wo er als damals 14-Jähriger die Leichen begraben musste. Pajer, in Triest geboren, wurde von den slowenischen Partisanen zwangsverpflichtet. Wenige Wochen später war er im KZ Mauthausen. Fast zwei Monate verbrachte er kurz vor Kriegsende im Außenlager in St. Aegyd.

Rajmund Pajer, KZ-Überlebender

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Rajmund Pajer ist der letzte Überlebende aus dem KZ-Außenlager St. Aegyd.

„Ich kann die toten Körper noch riechen“

„Ich kann die toten Körper noch riechen. Die verrotteten Leichen, die Flüssigkeiten, die aus den Körpern drangen.“ Die Sterblichkeitsrate war in St. Aegyd besonders hoch. Pajer ist der letzte Überlebende. Er war einer von 500 Häftlingen aus 20 Nationen, die im Winter 1944/45 mit dem Zug in die Voralpen gebracht wurden. Sie sollten hier ein Testgelände für einen neuartigen Turbopanzer errichten, sagt der Historiker Christian Rabl. „Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit unter extrem schwierigen Bedingungen leisten. Die Witterung ist im Winter in St. Aegyd extrem, zudem waren die Bekleidung und die Ernährung schlecht. Auch die Wachmannschaften, insbesondere die Kapos, also die Funktionshäftlinge, haben die anderen Häftlinge schwer misshandelt.“

Der KZ-Überlebende Rajmund Pajer besucht den Friedhof St. Aegyd am Neuwalde

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Rajmund Pajer besucht den Friedhof in St. Aegyd am Neuwalde.

Diese Kapos vergisst auch Rajmund Pajer nicht. Er spürt noch immer die sinnlosen Schläge mit dem Gummiknüppel und hört die Beschimpfungen. „Los, weiter, du Schweinehund. Diese Leute waren nicht normal, das waren Sadisten.“ Einer dieser Kapos versuchte nach der Schließung des Lagers in der Masse der Häftlinge unterzutauchen. Pajer und einige Mithäftlinge erkannten ihn trotzdem und lynchten ihn. „Sie hatten alle getötet und Blut an ihren Händen. Sie hatten es verdient“, sagt er heute.

46 Rosen für die Opfer

Auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers steht heute die Pfarrsiedlung. Das Lager ist Teil der Geschichte des Ortes, den St. Aegyd nicht verschweigt. Einmal im Jahr gedenkt man den Opfern, im Mittelpunkt steht dabei der Dialog mit der Jugend. Pajer ist regelmäßig zu Gast in Schulen. Er schätzt den Respekt, der ihm von den jungen Menschen entgegengebracht wird. „Es gibt mir das Gefühl, wertvoll zu sein, obwohl ich damals ein 14-jähriges unbedeutendes Kind war.“

St. Aegyd am Neuwalde

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St. Aegyd am Neuwalde: Auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers steht heute die Pfarrsiedlung.

Vom Kulturstadel in der Ortsmitte marschieren die Schülerinnen und Schüler schweigend zum Mahnmal am Friedhof. Dort legen sie 46 Rosen nieder, als Erinnerung an die 46 identifizierten KZ-Opfer von St. Aegyd. Und Rajmund Pajer freut sich, dass seine Worte hier Wirkung zeigen.

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