Detektive ermitteln im Fall Kührer

Mehr als vier Monate nach dem Schuldspruch im Fall Kührer ermitteln nun Detektive. Sie haben ihre Arbeit vor wenigen Wochen aufgenommen. Verteidiger Farid Rifaat will dadurch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens erreichen.

Der Angeklagte ist schuldig, das entschieden im vergangenen September die Geschworenen beim Prozess in Korneuburg - mehr dazu in Fall Kührer: Schuldig wegen Mordes. Verteidiger Rifaat meldete Berufung und Nichtigkeit an, weil er rechtliche Mängel sieht und weitere Beweise in dem Fall vermisst, wie er im Interview mit noe.ORF.at sagt. Vorgebrachte Einwände, die für den Obersten Gerichtshof (OGH) jedoch nicht stichhaltig sind. In einer nicht öffentlichen Sitzung am 28. Jänner wies der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde zurück - mehr dazu in Schuldspruch im Kührer-Prozess rechtskräftig.

Detektive suchen nach neuen Beweisen

„Ich muss das Urteil und die Entscheidung des OGH, so wie es ist, zur Kenntnis nehmen. Wir haben aber in unserem Rechtsstaat weitere Rechtsbehelfe, dass das nicht so endgültig sein muss. Unabhängig davon, dass ja über das Strafausmaß noch das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben wird, beschäftigen wir derzeit zwei Detektivinstitute, die die Ermittlungen durchführen, die seinerzeit unterblieben sind“, sagt Rifaat. Das Ergebnis dieser Ermittlungen, so hofft er, könnte eine taugliche Grundlage für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens sein.

Ganz grundsätzlich ist die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens dann denkbar, wenn neue Beweise oder Verdachtsmomente vorliegen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg. Im Interview mit noe.ORF.at übt Rifaat auch Kritik an den polizeilichen Ermittlungen. Beim Bundeskriminalamt möchte man die Vorwürfe nicht kommentieren und verweist auf den Spruch des OGH.

Bereits seit mehreren Wochen arbeiten nun die Detektive an dem Fall Kührer - was sich Strafverteidiger Farid Rifaat von deren Arbeit erhofft, und warum er weiterhin von der Unschuld seines Mandanten überzeugt ist, erklärt der Strafverteidiger im Interview mit Anna Wohlmuth.

noe.ORF.at: Was war denn nach dem Prozess Ihr Beweggrund für die Nichtigkeitsbeschwerde?

Rifaat: Nach unserer Auffassung gab es im Verfahren erster Instanz rechtliche Mängel, das zu diskutieren sprengt den Rahmen eines Interviews. Es wären auch andere Fragen zu stellen gewesen, es wären auch weitere Beweisaufnahmen durchzuführen gewesen. Man muss respektieren, dass der OGH es nicht so sieht.

noe.ORF.at: Der OGH hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgelehnt. Werden Sie das so hinnehmen?

Rifaat: Ich muss das Urteil und die Entscheidung des OGH, so wie es ist, zur Kenntnis nehmen. Wir haben aber in unserem Rechtsstaat weitere Rechtsbehelfe, dass das nicht so endgültig sein muss. Unabhängig davon, dass ja über das Strafausmaß noch das Oberlandesgericht zu entscheiden haben wird, beschäftigen wir derzeit zwei Detektivinstitute, die die Ermittlungen durchführen, die seinerzeit unterblieben sind. Und das Ergebnis dieser Ermittlungen, hoffe ich, wird eine taugliche Grundlage sein, für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens.

noe.ORF.at: Diese Detektive, haben die bereits ihre Arbeit aufgenommen, wie ist denn da der Plan?

Rifaat: Die Detekteien haben die Arbeit bereits vor mehreren Wochen und Monaten aufgenommen, sie kommen voran. Ich möchte über den Stand der Ermittlungsergebnisse dieser Büros medial nichts kommunizieren. Das Ergebnis wird dann dem Gericht zur Kenntnis gebracht.

noe.ORF.at: Was erhoffen Sie sich durch den Einsatz der Detektive?

Rifaat: Dass eine ganze andere Basis für eine Erkenntnismöglichkeit geschaffen wird. Das, was im bisherigen Verfahren abgelaufen ist, war, dass man einen Verdächtigen hatte. Und auf das hat sich das gesamte Verfahren konzentriert. Meiner Meinung nach gibt es viele, viele Denkfehler in dem Verfahren, und da gilt es, diese Denkfehler aufzuklären und klarzustellen, wie es wirklich war.

noe.ORF.at: Ist das ein eher ungewöhnlicher Schritt, Detektive einzusetzen?

Rifaat: Sagen wir so, es ist nicht alltäglich, es ist rechtsstaatlich zulässig, jeder darf Ermittlungen vornehmen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir so etwas gemacht haben, auch in der Vergangenheit auch erfolgreich durchgezogen, dass das Ergebnis von Detektivarbeit zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens geführt hat.

noe.ORF.at: Fall Heidegger & Co., sind das Fälle, die Sie motivieren?

Rifaat: Auch als Verteidiger mit einer gewissen Erfahrung liest man den Akt und man macht sich auch ein Bild, wie es gewesen sein kann und welche Alternativmöglichkeiten es gibt. Und in diesem Fall gibt es sehr viele aufklärungsbedürftige Fragen, die im Verfahren überhaupt nicht angesprochen und auch nicht geklärt wurden. Und das werden wir noch aufklären.

noe.ORF.at: Wie hat denn der Angeklagte selbst auf den Spruch des OGH reagiert? Haben Sie mit ihm bereits gesprochen?

Rifaat: Ich werde ihn in den nächsten Tagen aufsuchen. Er ist natürlich erschüttert. Ob er damit gerechnet hat, weiß ich nicht, aber er ist genauso wie ich der Auffassung, dass hier noch Klarheit geschaffen werden kann.

noe.ORF.at: Sie sind offenbar überzeugt, dass Ihr Mandant nicht der Mörder von Julia Kührer ist. Was bewegt Sie, auch wenn Sie auf den gesamten Prozessverlauf zurückblicken, zu diesem Entschluss? Was ist der Kern, der Grund, weshalb Sie sagen, er kann es nicht gewesen sein?

Farid Rifaat

ORF

Verteidiger Farid Rifaat

Rifaat: Wenn man mit Herz und Blut Anwalt und Verteidiger ist, dann setzt man sich auch für die Klienten ordentlich ein und muss nicht jede Entscheidung so hinnehmen, wie sie getroffen wurde. Sondern man muss sich auch einsetzen, die Wahrheit zu finden und das herauszuarbeiten, was tatsächlich war, und das ist in diesem Fall genauso. Wenn ich mir den Akt genau anschaue, gibt es so viele Dinge, die nicht geklärt sind, die noch zu hinterfragen sind. Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Da kommt die Polizei angekündigtermaßen, eine Nachschau in einem Haus zu machen. Und wenn ich der Täter bin und weiß, da unten liegt die Leiche oder Reste der Leiche, dann treffe ich Vorkehrungen. Sie müssen sich immer auch die Gedanken des Täters vorstellen, die er hat, zu welcher Zeit auch immer – zum Zeitpunkt einer Tat, vorher, nachher, und da passt vieles nicht zusammen. Da passen andere Sachen eher zusammen, und das gilt es eben herauszufinden.

noe.ORF.at: Das heißt, das ist auch eine Kritik an den polizeilichen Ermittlungen, wie sie gelaufen sind?

Rifaat: Ja, selbstverständlich. Die Polizei hatte ja ganz andere Hauptverdächtige im Visier. Erst wie man die sterblichen Überreste der Julia im Erdkeller gefunden hat, hat sich das verlagert auf meinen Mandanten. Und dann mit der DNA auf der blauen Decke, da haben sie alle ‚Juhu‘ geschrien und gesagt, ‚Jetzt haben wir ihn‘, und damit ist er sofort in Haft genommen worden. Da war schon auch eine mediale Kampagne von der Polizei, hier den Täter zu glorifizieren als den wahren – nach Ansicht der Polizei den wahren Täter -, der er aber nicht war.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at