Schiele in der Erlaufschlucht

Vor hundert Jahren hat Egon Schiele in der Erlaufschlucht die ersten Skizzen zu seinem Gemälde „Die verfallende Mühle“ gezeichnet. Das Bild malte er in seinem Zimmer. Eine Ausstellung in Purgstall (Bezirk Scheibbs) zeigt die Geschichte des Gemäldes.

Zwischen meterhohen Felsbrocken, die dicht mit Algen, Moos und Pflanzen überwuchert sind, bahnt sich rauschend die Erlauf ihren Weg durch die Schlucht bei Purgstall. Wer sich hier nahe am Wasser bewegt, fühlt sich an tropische Gefilde erinnert: Das Wasser glitzert weiß oder changiert rund um die Felsen zwischen Blau und Grün. Kleine Wasserfälle fallen aus dem üppigen Bewuchs des Frühlings über die Felsen auf den schmalen Weg.

„Faszinierende Lichtstimmung“

Was mag der Großstädter Egon Schiele empfunden haben, als er die Schlucht für sich entdeckte? „Es war vor allem das wechselnde, sich brechende Licht in der Schlucht, die ständig sich ändernde Lichtstimmung, die Schiele so faszinierte. Es gibt dazu euphorische Notizen in seinem Kriegstagebuch“, erzählt der Gestalter der Ausstellung in Purgstall, Franz Wiesenhofer.

„Egon Schiele wurde Anfang Mai, sehr überraschend für ihn, nach Mühling bei Purgstall in ein Kriegsgefangenenlager versetzt. Er wusste nicht, wo Mühling sich befindet. Er hatte lange recherchieren müssen. Was er vorfand, war eine wunderschöne Landschaft, die ihn inspirierte, in der er auch seine kärgliche Freizeit mit künstlerischer Arbeit nützen wollte“, sagt Wolfgang Krug, der Kurator der Gemäldesammlung vor 1945 des Landes Niederösterreich.

Nur noch Reste der Fundamente übrig

Am 9. Mai 1916 dürfte er die Mühle an der Erlauf entdeckt und dort bald eine Skizze gemacht haben. Bereits Anfang Juni ließ er sich aus Wien Malmaterial nachschicken, Leinwände und Staffelei. Das Gemälde „Die verfallende Mühle“ ist das einzige Ölbild, das während Schieles Zeit in Purgstall entstand.

„Der Besitzer der sogenannten Bergmühle hatte bereits zu Kriegsbeginn einrücken müssen. Die Mühle ist stillgelegt worden, und durch die ständigen Hochwässer ist die Mühle immer mehr verfallen. Das hat Schiele als Motiv so gefallen“, so Wiesenhofer. Von der Mühle sieht man heute nur noch Reste der Fundamente in der Erlaufschlucht.

Ausstellungen zu Schiele in Mühling

Auf drei Orte verteilt sich die Ausstellung zu Schieles Zeit in Mühling: Im Purgstaller Feuerwehrmuseum ist eine sehenswerte Sammlung an Objekten und Fotos zu sehen, die Schiele und seine Zeit als Soldat in Purgstall gewidmet ist. Im Ledererhaus in Purgstall befinden sich Reproduktionen von Werken aus dem Jahr 1916, und bei der Kneipp-Kuranstalt Lumper wird Schieles Freizeitgestaltung beleuchtet. Denn beim Lumper saß er mit Offizierskollegen gerne bei Kaffee und Kuchen. Die Ausstellungen sind seit 1. Mai geöffnet.

Schiele und das Gefangenlager

90.000 russische und italienische Soldaten waren in jener Zeit, als Schiele in Mühling stationiert war, in den beiden Lagern interniert. Anfang des ersten Weltkrieges befanden sich die Lager in einem sehr guten Zustand. Mit Fortdauer des Krieges wurde vor allem die Verköstigung der Kriegsgefangenen problematisch und prekär. Viele Soldaten flohen aus dem Lager, nur um auf den nahen Äckern nach Essbarem zu suchen.

Lager in Purgstall Südlager

Franz Wiesenhofer

Gefangenlager Purgstall

Schiele war als Schreiber eingeteilt. Er holte bald seine Frau Edith und seinen Hund aus Wien nach, weil hier die Verpflegung, wie er schreibt, mit Milch, Eiern und Fleisch besser war als in der Stadt. Seine anfängliche Begeisterung für das Landleben wich bald der Erkenntnis, dass er vom Kunstbetrieb Wiens, seinen Gönnern, Sammlern und Galeristen abgeschnitten war. Er betrieb vehement eine Versetzung nach Wien, die ihm im Herbst 1916 auch gelang.

Fritz Lang als Bewunderer Schieles

Schiele fand auch im Herbst 1916 nicht sofort einen Käufer für das Gemälde „Die zerfallende Mühle“. Er hatte es seinem Galeristen angeboten. Schließlich gelangte es in den Beistz eines heute unbekannten Käufers. Der Galerist Gustav Nebehay verkaufte später an den wohlhabenden Regisseur Fritz Lang, der in seinen frühen Jahren selbst eine Karriere als Maler ins Auge fasste, erzählt Kurator Krug.

Schiele wird untersucht

ORF

Schieles Mühle wird untersucht.

Zurzeit befindet sich das Gemälde im Kunstdepot der Landessammlung. Die Zeit vor der Übersiedlung in das Kunst Museum Krems in zwei Jahren wird genutzt, um das Bild eingehend von Restauratoren und Wissenschaftlern untersuchen zu lassen.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

Links: