Gottfried Haber: „TTIP hat Risiken und Chancen“

Die Kritik an TTIP, dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA, wird lauter, auch in Niederösterreich. Wirtschaftsexperte Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems sieht Risiken und Chancen.

Das Ziel von TTIP ist, den Warenverkehr zwischen den USA und Europa zu erleichtern. Allerdings gibt es jetzt heftige Kritik an den nun öffentlich bekannt gewordenen Bedingungen der Amerikaner. Um die US-Waren in Europa anbieten zu können, müssten europäische Umwelt- und Konsumentenschutzstandards gesenkt werden, etwa bei den Lebensmitteln. Das stößt auf heftige Kritik. Gottfried Haber, Leiter des Forschungsbereichs Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Donau-Universität Krems, vertritt die Ansicht, dass das Abkommen beides beinhaltet - Risiken und Chancen.

noe.ORF.at: Welche Vorteile oder auch Nachteile sehen sie durch TTIP?

Gottfried Haber: Grundsätzlich sind Freihandelsabkommen etwas, wo man wirtschaftliche Hürden vermeiden und abschaffen will, wo es darum geht, dass alle Akteure die gleichen Wettbewerbsrahmenbedingungen haben - es geht also um Vereinheitlichung von Wettbewerb. Dadurch kommt man leichter auf die Märkte, es gibt mehr Angebote für die Konsumenten, aber auch härtere Konkurrenz und geringere Preise. Es gibt aber auch Schattenseiten, nämlich dass hier Produktions- und Konsumentenschutzstandards nach unten nivelliert werden könnten, also unter Druck geraten, und dass man sich eher auf dem geringsten Level dann einigt.

Gottfried Haber von der Donau Universität Krems

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Wirtschaftsexperte Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems

noe.ORF.at: Das ist ja derzeit der Streitpunkt in den Verhandlungen, wie lässt sich diese Konfliktsituation lösen?

Haber: Prinzipiell geht es bei dem Freihandelsabkommen darum, dass die Spielregeln auf den einzelnen Märkten vergleichbar werden. Deswegen ist es überhaupt nicht überraschend, dass jetzt der große Streit immer noch nicht gelöst ist, welche Spielregeln gelten denn? Die Spielregeln mit hohen Standards für den Konsumenten- und Umweltschutz auf der einen Seite oder eben geringere Standards.

noe.ORF.at: Genau deswegen scheinen ja jetzt die Verhandlungen festgefahren zu sein, manche Experten sprechen auch schon von einem Scheitern.

Haber: Ja, es ist eine klassische Konfliktsituation, weil auf unterschiedlichen Märkten in unterschiedlichen Bereichen unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen bestehen. Außerdem gibt es unterschiedliche Prinzipien bei der Zulassung von Produkten. In den USA gilt das Riskioprinzip, in Europa das Vorsorgeprinzip.

Beim Risikoprinzip lässt man generell Produkte auf den Markt mit geringen Einstiegshürden und dann, wenn Beweise bekannt werden, dass diese Produkte gefährlich oder gesundheitsschädlich sind, nimmt man sie vom Markt. Beim Vorsorgeprinzip, das in Europa gilt, gibt es zuerst strenge Zulassungs- und Prüfungsverfahren, und erst wenn klar ist, dass diese Produkte nicht gesundheitsschädlich oder -gefährdend sind, lässt man sie auf den Markt.

noe.ORF.at: Gibt es da ein konkretes Beispiel, sozusagen ein Symbol dafür, weshalb es hier in den Diskussionen um die Standards so große Ängste gibt?

Haber: Die Schlagworte von Chlorhühnern und Ähnlichem zeigen genau die Ängste der Menschen, und da müsste man sicherstellen, dass so etwas eben in keinem dieser Märkte möglich ist, und sich in den Standards nicht nach unten nivelliert.

noe.ORF.at: Vor allem die heimische Landwirtschaft befürchtet, dass sie zum Beispiel wegen Importen aus den USA unter Druck geraten könnte. Ist diese Sorge begründet?

Haber: Es ist klar, dass vor allem kleinere Betriebe und die auf Bio-Anbau und Bio-Gewinnung ausgerichteten Betriebe durchaus in einen starken Wettbewerb kommen. Und dann ist der kritische Faktor, ob man den Konsumenten über die Qualität dieser Produkte positiv ansprechen kann oder ob es ein reiner Preiswettkampf wird, den wir dann nur sehr schwer eindeutig gewinnen könnten.

noe.ORF.at: Kann man schon abschätzen, wie diese Auswirkungen von TTIP auf Niederösterreich sein könnten, welche Bereiche betroffen wären?

Haber: Für Niederösterreich sind die wichtigsten Berührungspunkte sicher im Bereich der Landwirtschaft und der Industrieproduktion, der Exporte insgesamt, auch der Konsumentensicherheit. Niederösterreich grenzt an andere EU-Staaten, deswegen sind die positiven Effekte vielleicht geringer ausgeprägt als in anderen Ländern, die vor allem Handel mit Drittstaaten haben. Trotzdem sind die USA und andere Märkte hier durchaus interessant, die Konkurrenz aus diesen Märkten wird dann möglicherweise auch in Niederösterreich spürbar werden.

Das Gespräch mit Gottfried Haber führte Otto Stangel, noe.ORF.at.

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