Keine Bäder, kein Schwimmunterricht

Nur knapp jede zweite Volksschule in Niederösterreich bietet Schwimmunterricht an, obwohl dieser im Lehrplan verpflichtend ist. Beim Landesschulrat führt man das darauf zurück, dass Gemeinden immer öfter ihre Bäder schließen.

„Jedes Kind soll schwimmen können", in einem Lehrfilm aus den 1950er-Jahren ist genau das zu hören. Und auch heute noch ist in den Richtlinien zur Durchführung des Schwimmunterrichts an Schulen des Unterrichtsministeriums aus dem Jahr 2003 zu lesen: „Wegen der lebenserhaltenden und lebensrettenden Funktion des Schwimmens muss es Ziel des Unterrichtes sein, jeder Schulabgängerin und jedem Schulabgänger zumindest eine grundlegende Schwimmfertigkeit zu vermitteln.“

Der Schwimmunterricht ist für Volksschulkinder und Zehn- bis Vierzehnjährige laut Lehrplan verpflichtend. Doch die Umsetzung ist nicht immer leicht. Immer öfter entscheiden sich Gemeinden, den Badebetrieb einzustellen, weil die örtliche Badeeinrichtung nicht mehr finanziert werden kann - mehr dazu in „Bädersterben“ in den Gemeinden. Denn dort, wo kein Bad ist, beginnt die Schwimmstunde nicht im Wasser, sondern im Bus.

Schulschwimmunterricht

ORF / Anna Wohlmuth

Statt im Wasser beginnt der Unterricht für viele Schüler im Bus

„Niveau aufgrund Bäderschließung gesunken“

„Grundsätzlich ist es so, dass aufgrund der Bäderschließungen das Niveau schon drastisch gesunken ist. Probleme ergeben sich dahingehend, dass man immer weitere Anfahrtswege hat und dadurch wertvolle Bewegungszeit verloren geht“, sagt der für Bewegung und Sport zuständige Fachinspektor vom Landesschulrat Niederösterreich, Gerhard Angerer. Von vier für den Schwimmunterricht geblockten Unterrichtsstunden würden die Schüler mitunter bis zu drei Stunden im Bus sitzen. Die effektive Schwimmzeit liege dann nur mehr bei maximal 60 Minuten.

Eine These, die ein Blick in die Stadt Horn bestätigt. Dort wurde das einzige Hallenbad 2006 geschlossen. Die Schüler weichen jetzt etwa nach Gmünd im Waldviertel aus und legen dafür hin und retour 110 Kilometer oder zwei Stunden Fahrzeit zurück. Die Schüler aus dem Bezirk nutzen aber auch die Badeeinrichtungen in Krems (80 Kilometer und eineinhalb Stunden Fahrzeit für beide Strecken) sowie das Bad in Waidhofen an der Thaya (80 Kilometer und eine Stunde Fahrzeit für beide Strecken).

Ausweichbäder am Rande ihrer Kapazitäten

Anreisestrapazen, die man Schülern offenbar nicht regelmäßig zumuten möchte. Es sei so, dass „manche Schulen, aufgrund der Bewegungszeit, die verloren geht, vom Schwimmen absehen“, so Angerer. Durch die weite Anreise ist der Schwimmunterricht mit zusätzlichen Kosten verbunden. Außerdem bedarf es einer entsprechenden Planung, denn nicht in allen Bädern gibt es Platz für Schulen aus anderen Regionen. „Genau das ist ein Problem, dass viele Schulen in die noch bestehenden Bäder ausweichen. Dort sind die Kapazitäten nicht mehr in ausreichender Form gegeben.“

Für den Schulschwimmunterricht ist man auch im Korneuburger Hallenbad „am Rande der Kapazitäten“, wie es dort heißt. Das Einzugsgebiet reiche bis Wien. Auch Klassen aus Laa an der Thaya (100 Kilometer und eineinhalb Stunden für beide Strecken) und Hollabrunn (80 Kilometer und eine Stunde für beide Strecken) reisen mit dem Bus an, um schwimmen zu können.

Schwimmverbot

Dietmar Mathis/Sujetbild

Ein Volksschullehrer darf laut Vorschrift 19 Schüler beaufsichtigen

Haftungsfrage für Volksschulen Thema

Was die Volksschulen betrifft, so ist neben der Anreise aber auch die Haftungsfrage ein möglicher Grund, weshalb nicht überall geschwommen wird. „Es ist so, dass pro 19 Schüler eine Lehrkraft vorgesehen ist, bei der Beaufsichtigung des Schwimmunterrichts oder bei der Erteilung des Unterrichts. 19 Volksschüler und Volksschülerinnen mit einer Lehrerin, das wäre nach meinem Dafürhalten grob fahrlässig. Das heißt, man braucht entsprechend mehr personelle Ressourcen für Schwimmunterricht in der Volksschule“, sagt Angerer.

1.039 Pflichtschulen in Niederösterreich, darunter eben Volksschulen, habe man vor kurzem in einer Umfrage zum Thema Schwimmen und Unterricht befragt. Dass nur 55 Prozent der Volksschulen mit den Schülern schwimmen gehen, habe erschüttert. „Wir haben uns umgehend mit Jugendrotkreuz und der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich zusammengesetzt und versuchen Maßnahmen zu entwickeln, damit wir eine weitaus höhere Prozentzahl an schwimmenden Volksschülern erreichen werden.“

„Schwimmtechnik lässt zu Wünschen übrig“

Schwimmen wird als lebensnotwendige Maßnahme betrachtet. Doch das Bewusstsein für die Notwendigkeit dürfte sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert haben. Denn oft können sich die Kinder zwar ober Wasser halten, beherrschen aber keine Schwimmtechniken.

„Es gibt ja heute, wenn man sich so umsieht, in fast jedem Garten einen Swimmingpool. Das heißt, viele Schüler kommen mit einer Grundkenntnis im Schwimmen, aber das ist eher ein Planschen und die Schwimmtechnik lässt schon zu Wünschen übrig.“ Dass das Schwimmniveau stark gesunken ist, sei ein Problem, sagt Angerer, mit dem wir zu kämpfen haben.

„Grundtechnik für später jedenfalls von Vorteil“

Er appelliert an Eltern, dass eine solide Grundtechnik für ein späteres Schwimmen auf jeden Fall von Vorteil sei. Was die Schulen betrifft, so möchte er diese motivieren, Platzressourcen, sofern vorhanden, zu nützen. „Ansonsten wäre der Plan B, schwimmen auf jeden Fall durchzuführen, eben dann im Sommer in Freibädern oder in Form von Schulveranstaltungen wie Schwimmtage oder Schwimmwochen, wo auf jeden Fall auch Schwimmunterricht stattfinden kann.“ Denn grundsätzlich kann der Unterricht auch geblockt in Form einer Schwimmwoche oder von Schwimmtagen stattfinden. Wichtig ist jedenfalls, was in den 1950ern schon gezählt hat: „Jedes Kind soll schwimmen können“.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at