Radtourismus am Eisernen Vorhang

Der Nationalpark Thayatal liegt in Österreich und Tschechien. Während der Zeit des Eisernen Vorhanges konnte man nur erahnen, was auf der anderen Seite der Grenze passierte. Heute verbinden Rad- und Wanderwege die beiden Länder.

Die Thaya schlängelt sich durch die beiden Teile des Nationalparks. Jener Park auf der österreichischen Seite ist der Nationalpark Thayatal, der Park auf tschechischer Seite trägt den Namen Podyji. Die Verwaltung läuft getrennt, aber die Nationalparks arbeiten eng zusammen, etwa in den Bereichen Tourismus und Forschung.

Auf einer Länge von 25 Kilometern bildet die Thaya die Staatsgrenze, vorbei an Hardegg (Bezirk Hollabrunn), der kleinsten Stadt Österreichs. Der Nationalpark Thayatal ist mit 1.330 Hektar der deutlich kleinere. Der Nationalpark Podyji kommt auf knapp 6.300 Hektar. Die beiden Parks wollen künftig noch stärker als ein Nationalpark in zwei Ländern auftreten.

Nationalpark Thayatal

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Die Thaya bildet eine natürliche Grenze zwischen der tschechischen (r.) und der österreichischen Seite. Ausgangspunkt vieler Touren ist die Stadt Hardegg

Brücke trennte einst und vereint heute

Die Fahrradtour beginnt beim Nationalparkhaus, von hier aus ist es nicht weit bis zur grün gestrichenen Thayabrücke. Diese Brücke über die gemächlich fließende Thaya ist die Verbindung zwischen den beiden Ländern. Doch das war nicht immer so. Während der Zeit des Eisernen Vorhanges wurde sie gesperrt. Damals wurden sogar die Holzbretter aus dem Boden entfernt, sodass man kaum eine Möglichkeit hatte, auf die andere Seite zu gelangen. Erst nach dem Fall des Vorhanges wurde die Brücke wieder instand gesetzt und im April 1990 feierlich eröffnet. Tausende Menschen kamen zu diesem Fest.

Nationalpark Thayatal

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April 1990: Tausende Menschen feierten die Wiedereröffnung der Thayabrücke

Geschichte zum Anfassen

Heute kann man die Brücke problemlos überqueren. Dort, wo früher der Eiserne Vorhang die beiden Länder trennte, verbindet ein gemeinsamer Radweg Österreich und Tschechien. Von einem Ranger erfährt man während einer Radtour einiges über die Geschichte: „Wir stehen hier beim letzten Rest des Eisernen Vorhanges, den es auf tschechischem Gebiet noch gibt“, sagt Hannes Reiser.

„Der Zaun war folgendermaßen aufgebaut: Ein Stück Stacheldraht, ein Mittelstreifen, der mit Sand gefüllt war und wieder ein Stück Stacheldraht. Wenn es jemand geschafft hat, über den ersten Zaun zu kommen, hat er im Mittelstreifen Spuren hinterlassen. Und wenn die Soldaten das gesehen haben, haben sie Alarm ausgelöst und die Leute im Niemandsland verfolgt.“

Viele Geflüchtete glaubten damals, bereits in Österreich zu sein, doch sie trennte noch ein Stück „Niemandsland“ von ihrem Ziel. Das Gute sei, dass sich die Natur entlang des Stacheldrahtes über die Jahrzehnte hinweg sehr gut erhalten konnte. Man nutzt die Grünflächen und ihre Geschichte heute auch in Form von grenzüberschreitenden Wanderwegen. Dazu gibt es mehrsprachige Wanderführer und Beschilderungen.

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Mit dem Fahrrad Grenzen überwinden

Von der Stadt Hardegg aus starten viele Wander- und Radtouren durch den österreichischen und den tschechischen Nationalpark.

Grenzenlose Zusammenarbeit

Die Tiere und Pflanzen kennen keine Grenzen, die beiden Seiten der Nationalparks unterscheiden sich landschaftlich kaum. Umso wichtiger ist es für die Parks, über die Grenze hinweg zusammenzuarbeiten, etwa, was die Besucherangebote angeht, gemeinsame Exkursionen, Ausstellungen oder auch in der Forschung, sagte der tschechische Biologe Robert Stejskal.

„In dem gemeinsamen Forschungsprojekt ‚Natur ohne Grenzen‘ haben wir zum Beispiel Wildkatzen, Vögel, Schmetterlinge oder auch Schlangen untersucht. Die Ergebnisse waren aufregend, weil wir auch neue Arten gefunden haben. Unterschiede gibt es eigentlich nur kleine - etwa in der Vegetation. Das kommt daher, dass der eine Park mehr Südhänge hat, der andere mehr Nordhänge“, so Stejskal.

Nationalpark Thayatal

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Die Rad- und Wanderwege führen an einem noch erhaltenen Stück des einstigen Eisernen Vorhanges vorbei, während der Ranger die Geschichte wieder aufleben lässt

Trennung durch Gemeinsamkeiten überwinden

Die Verantwortlichen der beiden Parks wollen künftig noch stärker zusammenarbeiten, sagt Biologe Christian Uebl: „Für uns ist es eine großartige Sache, dass diese Trennung, die es so lange gegeben hat, durch Gemeinsamkeiten überwunden wird. Dass wir einen gemeinsamen Nationalpark haben und das Gebiet auf beiden Seiten erleben können, dass sich Besuchertreffen ergeben, dass sie sich kennenlernen, das freut uns natürlich sehr“, so Uebl.

Petr Lazarek koordiniert die Ranger auf tschechischer Seite. Er sagt, er erinnere sich noch sehr gut daran, als der Eiserne Vorhang die Natur teilte: „Ich bin sehr glücklich, dass das kommunistische System nach der Revolution von 1989 zerschlagen wurde und dass der Eiserne Vorhang jetzt aus unserem Land, unserem Leben und aus unseren Köpfen verschwunden ist.“ Eine Grenze, die keine mehr ist. Die Thaya trennt und vereint zugleich zwei Nationalparks, zwei Länder und sehr viel Geschichte.

Silvia Marlen Schreiber, noe.ORF.at

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