Zugsunfall: Suche nach Unfallursache

Nach der Zugskollision, bei der zwölf Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, sind viele Fragen offen. Die Waggons waren etliche Kilometer führerlos unterwegs. Erst vor drei Jahren gab es auf dieser Strecke einen ähnlichen Vorfall.

Experten der ÖBB und der Unfallkommission suchen nach dem tragischen Zugsunfalls in Wieselburg (Bezirk Scheibbs) akribisch nach der Unfallursache. Fünf unbeladene Güterwaggons waren am Mittwoch bei Randegg (ebenfalls Bezirk Scheibbs) ins Rollen gekommen und fuhren dann etliche Kilometer bis nach Wieselburg, wo sie später gegen einen Regionalzug prallten. Zwölf Menschen wurden bei dem Unfall verletzt, vier davon schwer. Laut Rotem Kreuz befand sich unter den Verletzten auch eine Schwangere - mehr dazu unter Zugunfall: Waggons 20 Minuten lang führerlos.

Offen ist, ob es nicht möglich gewesen wäre, die Güterwaggons, die vermutlich 20 Minuten lang führerlos unterwegs gewesen sein dürften, rechtzeitig zu stoppen oder die Passagiere im Regionalzugs rechtzeitig ins Freie zu bringen. Bei den ÖBB möchte man diesbezüglich die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten. Im Interview mit noe.ORF.at räumt ÖBB-Sprecher Christopher Seif aber ein, dass die Waggons jedenfalls eine „erhebliche Strecke“ unterwegs gewesen waren.

Christopher Seif ÖBB Sprecher Interview Zugsunfall Wieselburg

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Die Güterwaggons seien eine „erhebliche Strecke“ unterwegs gewesen, ehe es zu dem Zusammenstoß mit dem Regionalzug kam, sagt ÖBB-Sprecher Christopher Seif

noe.ORF.at: Wie viele Kilometer sind die herrenlosen Waggons unterwegs gewesen, bevor es in Wieselburg zu dem Zusammenprall gekommen ist?

Christopher Seif: Sie waren schon eine erhebliche Strecke unterwegs, es waren so ungefähr 15 bis 20 Kilometer. Diese Waggons hätten im Bahnhof Randegg hinterstellt werden sollten, um eine Güterzugfahrt in den nächsten Tagen zu ermöglichen. Die Lok und ein Waggon hätten zurück nach Pöchlarn gebracht werden sollen. Während dieses Verschubvorgangs sind die fünf Waggons selbständig ins Rollen gekommen und bis nach Wieselburg gefahren, wo es zu dem Unfall gekommen ist.

noe.ORF.at: Die Waggons waren 15 bis 20 Kilometer unterwegs, man hat also gewusst, dass da etwas passiert ist. Wie hat es dann weiter ausgesehen? Hat man jemanden alarmiert oder verständigt?

Seif: Ja, die Alarmierung hat natürlich stattgefunden. Es sind unsere Mitarbeiter, die hier an der Strecke arbeiten, alarmiert worden, genauso wurden auch Feuerwehr und Polizei alarmiert. Es mussten ja die Bahnübergänge sofort gesichert werden, damit es dort zu keinen Unfällen kommt. Die Zeit war natürlich sehr knapp, um die notwendigen Maßnahmen zu setzen und es ist oft sehr schwierig, in diesem Stresszustand die richtigen Maßnahmen zu setzen. Vor allem man weiß natürlich nicht, was ist richtig und was ist falsch, wenn man das immer wüsste, wäre es einfacher, das stellt sich aber erst im Nachhinein heraus. Es haben jedenfalls alle beteiligten Personen ihr Bestes gegeben und versucht, ein Unglück zu verhindern. Es war aber nicht zu verhindern und es hat zu diesem Unfall geführt. Wir sind auf jeden Fall froh, dass hier keine Menschenleben gefordert wurden.

noe.ORF.at: Das heißt, es hätte keine Möglichkeit gegeben, die rollenden Waggons aufzuhalten?

Seif: Inwiefern es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, wäre jetzt wieder eine spekulative Antwort. Hier müssen wir wirklich den Bericht der Unfallkommission abwarten. Erst wenn wir alle Beteiligten befragt haben und wenn wir alle Untersuchungen durchgeführt haben, dann wird sich das Bild klarer zeigen und dann werden wir auch sagen können, was wirklich hier die Ursache für diesen Unfall war.

noe.ORF.at: War der Regionalzug, in den die Waggons geprallt sind, in Bewegung oder ist dieser bereits gestanden?

Seif: Dieser Zug konnte rechtzeitig angehalten werden, sodass zumindest von diesem Zug aus nicht ein derartig großer Druck ausgegangen ist, wie er auch bei langsamerer Fahrt entstanden wäre und so können wir auf jeden Fall sagen, dass hier Schlimmeres verhindert worden ist.

noe.ORF.at: Eine Unfallkommission ist ja im Einsatz, um die Unfallursache zu ermitteln. Wann liegen da die ersten Ergebnisse vor?

Seif: Das ist schwer zu sagen, wann es Ergebnisse geben wird. Die Experten von ÖBB und dem Ministerium arbeiten auf Hochdruck. Natürlich sind alle daran interessiert, diesen Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Man darf aber nicht die menschliche Komponente vergessen. Es sind auch Mitarbeiter in diesen Unfall involviert, die müssen sich von ihren Verletzungen beziehungsweise von ihrem Schock erholen. Diese Zeit muss man ihnen auch geben, bis man sie befragen kann. Diese Puzzleteile muss man dann zusammensetzen, aber wann das soweit sein wird, kann man noch nicht sagen.

noe.ORF.at: Vor drei Jahren ist es auf dieser Strecke zu einem ähnlichen Zwischenfall gekommen. Schotterwaggons haben sich damals gelöst, ein Autofahrer wurde getötet. Warum passiert das gerade auf dieser Strecke, kann man da von einem Zusammenhang sprechen?

Seif: Auch hier muss man natürlich abwarten, was die Ergebnisse der Unfalluntersuchung ergeben. Fest steht jedenfalls, dass es keine Todesopfer gegeben hat und dass die Bahnübergänge rechtzeitig gesichert wurden, damit hier kein Unglück wie damals geschieht. Ich glaube nicht, dass man hier von einer Sicherheitslücke auf dieser Strecke sprechen kann. Es kann ein Zufall sein, aber alles was wichtig ist, werden die Experten von ÖBB und der Unfalluntersuchungskommission ans Tageslicht bringen. Auch die Aussagen der beteiligten Personen werden uns weiterhelfen, damit wir wissen, warum es nach drei Jahren zu einem ähnlichen Vorfall kommen konnte.

Das Interview führte Gernot Rohrhofer, noe.ORF.at

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