„Rising Star“ Emmanuel Tjeknavorian spielt auf

Der österreichische Geiger Emmanuel Tjeknavorian steht am Beginn einer großen internationalen Karriere. „Die Violine bietet unendliche Möglichkeiten“, sagt der 21-jährige „Rising Star“, der am 3. Dezember im Schloss Walpersdorf auftritt.

„Der Schwerpunkt ‚Junges Podium‘ bringt zwei besonders junge Musiker auf die Bühne des Festsaals anlässlich des Abschlusses der ersten Konzertsaison 2016“, sagt Harald Kosik, der künstlerische Leiter der Schlosskonzerte Walpersdorf (Bezirk St. Pölten). Gemeinsam mit dem Pianisten Maximilian Kromer wird der Geiger Emmanuel Tjeknavorian Werke von Mozart, Schubert, Debussy, Milhaud und Kreisler spielen.

Ausgezeichnet beim internationalen Jean-Sibelius-Violinwettbewerb 2015 für die beste Interpretation von Sibelius’ Violinkonzert sowie als Gewinner des zweiten Preises zog Emmanuel Tjeknavorian internationale Aufmerksamkeit auf sich. Für die Saison 2017/2018 wurde er für den „Rising Stars“-Zyklus der European Concert Hall Organisation ausgewählt, nominiert durch das Wiener Konzerthaus und den Musikverein Wien.

Zu den Höhepunkten der aktuellen Saison zählen unter anderem Engagements mit dem Jerusalem Symphony Orchestra, der Camerata Salzburg, dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn, Konzerte in der Slovak Philharmonic Concert Hall, im Brahmssaal des Wiener Musikvereins, beim Festival St. Gallen oder beim Menuhin Festival Gstaad.

Emmanuel Tjeknavorian

Julia Wesely

Emmanuel Tjeknavorian: „Ich genieße es, jeden Tag zu musizieren und erwarte jedes Konzert mit größtmöglicher Lust und Begeisterung“

noe.ORF.at: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie erfahren haben, dass Sie in der Saison 2017/18 von der European Concert Hall Organisation zum „Rising Star“ ernannt wurden?

Emmanuel Tjeknavorian: Der erste Gedanke war, dass Träume tatsächlich wahr werden können. Ich habe nämlich seit meinem elften Lebensjahr, als ich zum ersten Mal von der European Concert Hall Organisation gehört habe, davon geträumt, eines Tages selbst Teil der großartigen „Rising Stars“-Reihe zu sein.

noe.ORF.at: „Rising Star“ bedeutet, dass Sie ein Jahr in den renommiertesten Konzertsälen des Kontinents auftreten werden. Was ist dabei Ihr persönliches und wichtigstes Ziel?

Tjeknavorian: Ich möchte den Zuhörern in all diesen Städten zeigen, dass die Violine unendliche Möglichkeiten bietet, wenn es um die Gestaltung, den Ausdruck und die Technik geht. Ich habe mich deshalb entschieden, diese Tour mit einem reinen Violin-Solo-Programm zu absolvieren, denn mit diesen Stücken kann man das Grenzenlose meines Instruments am besten zeigen.

noe.ORF.at: Welche Projekte möchten Sie in den nächsten zwei bis drei Jahren umsetzen, welche Pläne haben Sie?

Tjeknavorian: Ich habe bereits nahezu alle großen Violinkonzerte der Klassik und der Romantik gespielt und möchte in den nächsten Spielzeiten auch die wichtigsten Konzerte der Moderne aufführen. Außerdem ist es mir weiterhin ein Anliegen, selten gespielte, unbekannte bzw. vergessene Meisterwerke zu finden und in mein Repertoire aufzunehmen. Es gibt noch sehr viel zu entdecken!

noe.ORF.at: Worauf freuen Sie sich besonders?

Tjeknavorian: Es gibt nichts, worauf ich mich besonders freue. Ich genieße es, jeden Tag zu musizieren und erwarte jedes Konzert mit größtmöglicher Lust und Begeisterung.

noe.ORF.at: Sie haben zahlreiche internationale Preise gewonnen. Wie wichtig ist für Sie die Teilnahme an Wettbewerben?

Tjeknavorian: Der Gedanke, dass Musiker quasi gegeneinander antreten müssen und von einer Jury gepunktet werden, gefällt mir überhaupt nicht. Dennoch geben große und renommierte Wettbewerbe jungen Künstlern die wunderbare Möglichkeit, sich international zu präsentieren. Außerdem fördert die Vorbereitungsphase die künstlerisch-technische Weiterentwicklung enorm. Die Teilnahme an Wettbewerben war also sehr wichtig für meine Laufbahn, aber ich bin mehr als froh, dass ich an keinen mehr teilnehmen werde.

noe.ORF.at: Sie kommen aus einer Musikerfamilie, war eine künstlerische Laufbahn für Sie schon quasi „in die Wiege“ gelegt?

Tjeknavorian: Ganz im Gegenteil: Meine Eltern wissen und wussten natürlich, wie schwer ein Musikerleben ist. Sie wollten mich deshalb davor „schützen“ und vom Beruf eines Künstlers abhalten. Meine Leidenschaft für die Musik war aber schon seit der frühesten Kindheit unermesslich groß und ich bin sehr dankbar, dass meine Eltern die Passion letztendlich nicht ignoriert haben, sondern diese erkannt und unterstützt haben.

Emmanuel Tjeknavorian

Julia Wesely

„Eigentlich habe ich gar kein richtiges Vorbild“, bekennt der 21-jährige Geiger, „Rising Star“ der European Concert Hall Organisation in der Saison 2017/18

noe.ORF.at: Schwebt Ihnen eher eine solistische Karriere vor oder wollen Sie auch kammermusikalisch tätig sein? Ihr Lehrer ist seit 2011 Gerhard Schulz, ehemals Mitglied des Alban-Berg-Quartetts.

Tjeknavorian: Mir schwebt eine Laufbahn als Musiker vor. Ich bin kein großer Freund der Unterteilungen in Kategorien wie „Solist“, „Kammermusiker“ usw. Ich spiele momentan überwiegend solistisch, möchte aber die enormen Glücksgefühle, die ich auch beim Kammermusikspielen empfinde, auf keinen Fall missen.

noe.ORF.at: Wie wichtig sind Lehrer für einen 21-Jährigen?

Tjeknavorian: Lehrer sind in jedem Lebensabschnitt unbeschreiblich wichtig. Meine Lehrer und viele andere große Persönlichkeiten meinen, dass der künstlerische „Untergang“ dann beginnt, wenn man glaubt, alles zu wissen. Ich werde dem Rat folgen und nie aufhören zu lernen.

noe.ORF.at: "In terms of virtuosity, intensity, phrasing, tone colour and profound musical understanding, Emmanuel Tjeknavorian has everything“, so die Meinung des britischen Komponisten und Musikkritikers Robert Matthew-Walker. Freut man sich über solches Lob?

Tjeknavorian: Natürlich freut man sich. Es wäre meiner Meinung nach äußerst merkwürdig, sogar unmenschlich, wenn solche positiven Äußerungen einen kalt lassen würden. Man sollte sich aber auch über die konstruktive Kritik von vertrauten Personen freuen, denn dank dieser kann man sich weiterentwickeln.

noe.ORF.at: Haben Sie Vorbilder?

Tjeknavorian: Eigentlich habe ich gar kein richtiges Vorbild. Es gibt selbstverständlich jedoch Menschen, von denen ich wichtige Impulse für meine künstlerische Tätigkeit erhalte, die mir als Inspirationsquellen dienen und auf die ich mit Faszination blicke. Sie helfen mir bei der Stärkung meiner Identität.

noe.ORF.at: Sie spielen auf einer Violine von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1698, die Ihnen ein privater Gönner der „Beare’s International Violin Society“ in London zur Verfügung gestellt hat. Welchen Stellenwert hat dieses Instrument für Sie?

Tjeknavorian: Einen außerordentlich hohen. Jeden Tag mit so einem einzigartigen Instrument stundenlang Zeit zu verbringen, ist ein großes Privileg, ein Glück, aber auch eine riesige Verantwortung. Seit ich auf dieser Violine spiele, fällt es mir leichter, alle vorgestellten Klangfarben auch wirklich zu realisieren. Ich muss zugeben, dass dieses Instrument zu meinem Spielstil und –charakter besonders gut passt. Ich bin der „Beare’s International Violin Society“ unendlich dankbar für diese einmalige Möglichkeit.

noe.ORF.at: Am 3. Dezember treten Sie mit dem Pianisten Maximilian Kromer bei den Schlosskonzerten Walpersdorf auf. Warum haben Sie sich für dieses Programm entschieden?

Tjeknavorian: Es ist sowohl für uns Künstler als auch für das Publikum eine große Genugtuung, wenn am Anfang eines Konzerts ein Werk von Wolfgang Amadeus Mozart erklingt. Danach folgt die genial-komplexe Fantasie von Franz Schubert. Diese wird auf Grund ihrer Schwierigkeiten selten gespielt, ist aber ein Meilenstein der Klavier-Violine-Duo-Literatur.

In der zweiten Hälfte erklingen ausschließlich Werke, die im 20. Jahrhundert geschrieben wurden. Es ist uns wichtig zu zeigen, wie kreativ, innovativ und vollkommen verschieden all die drei Komponisten sind. Wir werden zunächst die Sonate des großen französischen Impressionisten Claude Debussy spielen. Danach eine wahre Rarität: Die Cinema Fantasie von Darius Milhaud - dieses hochvirtuose Stück ist von der ersten bis zur letzten Note von der lateinamerikanischen Melodik und Rhythmik geprägt und inspiriert.

Zum Schluss erklingt das letzte und gleichzeitig in Vergessenheit geratene Werk von Fritz Kreisler, die Viennese Rhapsodic Fantasietta. Dieses Stück ist eine Ode an Wien und voller Sehnsucht nach der Heimatstadt des Komponisten. Die Zuhörer können sich also auf ein Programm voller Kontraste freuen!

Das Gespräch mit Emmanuel Tjeknavorian führte Reinhard Linke, noe.ORF.at.

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