Van der Bellen will Zugewinne in NÖ

Am Sonntag findet die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl statt. Nachdem Norbert Hofer bei der ersten Stichwahl in Niederösterreich klar Stimmerstärkster war, hofft Alexander Van der Bellen dieses Mal auf Zugewinne.

Bei der ersten Stichwahl war Alexander Van der Bellen mit einem Vorsprung von rund 30.000 Stimmen als Sieger hervorgegangen, dann focht die FPÖ das Ergebnis gerichtlich an und bekam Recht. Der Wahlkampf wurde von beiden noch einmal gestartet. Van der Bellen war oft in Niederösterreich – auch zu Anlässen, bei denen man ihn nicht erwartet hätte, etwa eine Wanderung nach Maria Taferl.

In Niederösterreich hat er Aufholbedarf, im Großteil der Gemeinden lag Hofer voran, nur rund um Wien hatte Van der Bellen ein Übergewicht an Stimmen. Mit bewusst volksnahen Auftritten will er seinem Image mehr Bodenständigkeit verleihen. Nicht zuletzt hat sich in den vergangenen Tagen auch eine Reihe niederösterreichischer Bürgermeister von Schwarz und Rot hinter ihn gestellt. Im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler sprach Alexander Van der Bellen über seine Chancen, Bundespräsident zu werden.

Alexander Van der Bellen

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Alexander Van der Bellen

noe.ORF.at: Herr Van der Bellen, bei der aufgehobenen Stichwahl im Mai hat Norbert Hofer in Niederösterreich 53 Prozent der Stimmen erhalten, Sie 47 Prozent. Ohne ein deutlich besseres Ergebnis in Niederösterreich wird es wohl schwierig werden für Sie, diese Wahl zu gewinnen. Warum sollten Sie diesmal mehr Stimmen aus Niederösterreich erhalten?

Alexander Van der Bellen: Wir waren sehr viel in Niederösterreich unterwegs. Für mich waren das sehr interessante und spannende Einblicke, zum Beispiel beim Marillenkirtag in Spitz an der Donau. Zu sehen, wie viel ehrenamtliche, freiwillige Arbeit da dahintersteckt. Also das Dorfleben noch einmal mitzubekommen und natürlich auch, mich zu zeigen, dass ich ein ganz normaler Mensch bin und nicht irgendein abgehobener Städter. Also, ich hoffe schon, dass das ein bissel was bewirkt hat. Inzwischen hat sich auch eine Reihe von Bürgermeistern bekannt, mich wählen zu wollen, und das finde ich ganz wichtig.

noe.ORF.at: Jetzt heißt es aber, nach Befragungen nach der aufgehobenen Stichwahl, dass Norbert Hofer der ist, der die Sorgen der Menschen besser versteht. Wie ist es Ihnen denn gegangen im direkten Kontakt mit den Menschen?

Van der Bellen: Gut. Jetzt ist es natürlich so, dass die, die mich ansprechen, eher mit mir sympathisieren, das ist immer schwer einzuschätzen. Aber die Sorgen sind die, die sehr viele Leute haben. Was wird mit den Pensionen sein, mit den Jobs? Ist der Arbeitsplatz sicher? Und ich glaube, der Bundespräsident – also ich! – werde sehr viel Zeit und Energie darauf verwenden, mit der jeweiligen Bundesregierung diese Sorgen sehr ernst zu nehmen.

noe.ORF.at: Zuletzt haben sich mehrere Bürgermeister sowohl von SPÖ als auch ÖVP für Sie ausgesprochen. Von der ÖVP zum Beispiel große Städte wie Klosterneuburg oder Tulln, von der SPÖ Schwechat. Was denken Sie, soll das bringen? Denken Sie wirklich, dass Wählerinnen und Wähler, wenn sie hören, dass ihr Bürgermeister für Sie ist, dann auch für Sie stimmen?

Van der Bellen: Ja nicht so direkt. Aber es regt doch zum Nachdenken an, dass der eigene Bürgermeister sich nicht nur im privaten Gespräch deklariert, sondern öffentlich. Sich das traut, wenn Sie so wollen. Das hat schon einen Einfluss, glaube ich.

Robert Ziegler und Alexander Van der Bellen

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Van der Bellen im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler (l.)

noe.ORF.at: In Niederösterreich war zuletzt die Mindestsicherung ein großes Thema – auch bundesweit. Da wurde im Landtag zuletzt eine Begrenzung mit 1.500 Euro pro Haushalt beschlossen. Diese Begrenzung motiviere zur Arbeit, lasse aber die sozial Bedürftigen nicht auf der Strecke zurück, so argumentiert das Landeshauptmann Erwin Pröll. Können Sie dieser Argumentation etwas abgewinnen?

Van der Bellen: Der Bundespräsident wird sich in diesen Detailfragen der Politik, in diesem Fall der Sozialpolitik, in der Regel nicht äußern oder nur sehr zurückhaltend äußern. Ich bedaure einmal, dass es zu keiner bundesweit einheitlichen Lösung gekommen ist. Wenn Sie mich als Person fragen, halte ich diese Regelung für vertretbar, vorausgesetzt, es wird dafür gesorgt, dass sehr kinderreiche Familien etwa bei der Wohnungsbeschaffung eine zusätzliche Unterstützung erhalten.

noe.ORF.at: Wie kann man sich das vorstellen: Wenn Sie Bundespräsident werden und es gibt dann so ein Thema, da wird monatelang verhandelt, innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern. Und da kommt dann nichts heraus. Wäre das ein Anlass, dass Sie da eingreifen?

Van der Bellen: Es kommt darauf an, was Sie unter eingreifen verstehen. Ich werde sicher die Bundesregierung deswegen nicht entlassen. Denn das hieße ja, aus einer Krise eine Staatskrise zu machen. Aber hinter den Kulissen würde ich schon versuchen, hier mitzuhelfen, dass es noch zu einem Kompromiss kommt. Es muss ja nicht alles öffentlich passieren.

noe.ORF.at: Ein Thema, das in Niederösterreich immer eine große Rolle spielt, ist die EU. Niederösterreich war in der Geschichte sehr betroffen durch die Veränderungen, die Erweiterung 2004, die Regionalförderung, die es gibt. Trotzdem sind viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher sehr skeptisch, was die EU betrifft. Wie wollen Sie die überzeugen mit Ihrer pro-europäischen Linie?

Van der Bellen: Vielleicht stellt man sich einmal vor, wie Österreich gefahren wäre ohne europäische Integration. Rund 500.000 Arbeitsplätze in ganz Österreich sind in dieser Zeit dazugekommen. Das muss man sich einmal vorstellen – 500.000 Arbeitsplätze! Ich würde jedenfalls sehr warnen vor einem Wiedererrichten der alten Grenzen, womöglich alten Zollschranken und so weiter. Das ist tödlich für den Wohlstand.

noe.ORF.at: Noch eine persönliche Frage: Haben Sie im Laufe dieses Jahres – und so lang dauert dieser Wahlkampf schon – es irgendwann einmal bereut, sich das überhaupt angetan zu haben? Vor allem nach der Aufhebung der Stichwahl und der weiteren Verschiebung, die dann gefolgt ist?

Van der Bellen: Nein, ein ganz klares Nein. Natürlich, das konnte sich niemand vorstellen, dass der Wahlkampf inzwischen ein Jahr dauert. Aber nein, Sie überlegen sich das einmal: Kann ich das Amt ausüben, will ich es ausüben? Habe ich eine Chance, zu gewinnen? Und wenn Sie alle drei Fragen mit „Ja“ beantworten, treten Sie an. Weil, wie viele Menschen haben diese Chance? Das ist schon etwas Großartiges. Und im Laufe des Wahlkampfes sind Sie ja ihren Sympathisantinnen und Sympathisanten im Wort. Ich bin im Wort den fast zweieinhalb Millionen Wählern vom 22. Mai. Und ich hoffe, dass noch ein paar dazukommen am 4. Dezember.

Das Gespräch mit Alexander Van der Bellen führte Robert Ziegler, noe.ORF.at.