15-Jährige in Psychiatrie an Bett gefesselt

Eine 15-Jährige soll wochenlang jeden Abend an ihr Bett in der Jugendpsychiatrie in der Hinterbrühl (Bezirk Mödling) angegurtet worden sein. Im Zuge einer Auseinandersetzung soll ihr ein Arzt auf den Kopf gestiegen sein.

Das mittlerweile 16-jährige Mädchen lebt schon ein Jahr im Spital auf der Kinderpsychiatrie in der Hinterbrühl, einer Außenstelle des Landesklinikums Baden-Mödling. „Dabei ist dieses Spital in der Hinterbrühl nur für Akutfälle und nicht für Dauerunterbringung vorgesehen“, sagte Psychiatrie-Patientenanwalt Bernhard Rappert im ORF-Morgenjournal am Dienstag. Das Mädchen sei oft aggressiv, habe als Kleinkind Traumata erlitten und leide an einer Bindungsstörung. Der Patientenanwalt kritisiert, dass keine passende Wohneinrichtung der Jugendwohlfahrt bzw. Kinderhilfe gefunden wurde.

Fixierung, weil Mädchen Personal attackierte

Im Spital in der Hinterbrühl sei es sogar zu Menschenrechtsverletzungen gekommen, sagte Rappert: „Das Mädchen wurde eine Zeit lang jeden Abend im Sinne eines Einschlafrituals für zwei bis drei Stunden mit Gurten am Bett fixiert. Das ist eine Maßnahme, die rechtswidrig, aber auch therapeutisch nicht sinnvoll ist.“ Erst ein Gerichtsbeschluss habe diese Vorgangsweise abgestellt. Vertreter des Spitals argumentierten, am Abend steige bei der 16-Jährigen die Spannung, sie habe öfters Betreuungspersonal attackiert, mit dem sie sich untertags gut versteht. Das Festgurten sei mit Einverständnis der Jugendlichen erfolgt. Vom Bezirksgericht Mödling wird es trotzdem kritisch gesehen.

Und Patientenanwalt Rappert vom Verein Vertretungsnetz kritisiert weiters, dass ein aushilfsweise auf dieser Abteilung per Werkvertrag beschäftigter Psychiater dem Mädchen mit einem Fuß auf den Kopf gestiegen sei, um es am Verlassen des Zimmers zu hindern. „Das Gericht hat sich unserer Meinung angeschlossen, dass das eine menschenunwürdige, erniedrigende Behandlung war“, erklärte Rappert.

Arzt: „An mein Bein geklammert“

Dazu sagte der Primar der Kinderpsychiatrie Hinterbrühl, Rainer Fliedl: „In der Situation ist er von dem Mädchen angegriffen worden, als er vor ihr kniete, sie selbst lag am Boden. Das Mädchen hat sich dann an sein Bein geklammert und versucht, ihn zu beißen. Der Arzt wollte verhindern, dass er in den Unterschenkel gebissen wird, man kann es aber als ein auf den Kopf steigen sehen.“

Der Patientenanwalt bezeichnet die Vorfälle als Spitze eines Eisbergs: „Das Land Niederösterreich und der Krankenhausträger haben das an sich engagiert arbeitende Personal schon viel zu lange unterbesetzt im Stich gelassen.“ Otto Huber, Leiter der Gruppe Gesundheit und Soziales beim Land Niederösterreich, weist diesen Vorwurf zurück: „Es gibt ein gutes Miteinander und ein hohes Engagement aller Beteiligten für das Mädchen in ihrer sehr komplexen Betreuungssituation.“ Von den sieben zugesagten Vollzeitkräften seien bereits vier Mitarbeiter eingestellt worden. Zudem habe die Klinik für die Versorgung der 16-Jährigen fünf Fachkräfte angefordert.

Gesetzeslücke führt zu Problemen

Einen Hauptgrund für Betreuungsprobleme in der Psychiatrie sieht Primar Fliedl. „Es gibt eine Gesetzeslücke zwischen Jugendwohlfahrtsgesetz und Unterbringungsgesetz auf der Psychiatrie. Ein sehr großer Spalt, in dem viele Kinder und Jugendliche verloren gehen, weil sie nicht ‚gehalten‘ werden können“, kritisierte Fliedl.

Dieses Halten würde etwa bedeuten, dass man aggressive oder sich selbst gefährdende Jugendliche nur kurze Zeit einsperrt, bis sie sich beruhigen. In Jugendamtseinrichtungen ist das nicht erlaubt. Eine Gesetzesänderung ist geplant, dürfte aber frühestens 2018 in Kraft treten. Für die 16-Jährige soll es in zwei Wochen eine Lösung geben: Eine gemeinsame Intensivbetreuung durch Jugendwohlfahrt und Ärzte direkt neben der Psychiatrie Hinterbrühl.

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