Pröll: „Bürgernahe Politik höchstes Gebot“

Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) ist durch einen Zufall in die Politik gekommen, sagt er im Gespräch mit noe.ORF.at. Heute, nach vier Jahrzehnten in der Politik sei es das höchste Gebot „bürgernahe Politik“ zu machen.

noe.ORF.at: Herr Landeshauptmann, Sie sind hier in Radlbrunn aufgewachsen, Sie wohnen noch immer in Radlbrunn. Es wäre durchaus naheliegend gewesen, dass Sie wie Ihre Vorfahren Landwirt werden. Was war denn Ihr Beweggrund, in die Politik zu gehen?

Erwin Pröll: In Wahrheit hatte ich keinen Beweggrund, sondern dass ich über viele Jahrzehnte in der Politik gelandet bin, verdanke ich einem Zufall, weil ich meinem damaligen ersten Arbeitgeber Sixtus Lanner - er war der Direktor des Bauernbundes - begegnet bin und er mich engagiert hat, weder wissend, ob ich eine politische Ader habe, noch wissend, wie lange dieses Engagement dauern wird.

noe.ORF.at: Sie sind seit fast 37 Jahren in der Landesregierung, mehr als 24 Jahre als Landeshauptmann. Es gibt keinen Spitzenpolitiker in Österreich, der so lange im Amt ist. Wie erklären Sie denn sich selbst, dass es Ihnen gelungen ist, sich so lange in einer Spitzenfunktion zu halten?

Pröll: Für mich war tagtäglich jede politische Entscheidung eine unglaubliche Herausforderungen, aber gleichzeitig eine unglaubliche Freude. Und wahrscheinlich das Motivierendste dabei war und ist bis heute die Freude an der Kommunikation mit Menschen - mich freut das wahnsinnig, wenn ich mit Menschen zusammenkomme, wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme. Und was besonders befriedigend ist: Wenn man Menschen in ihren Schicksalen, die tagtäglich im Land passieren, auch helfen kann.

noe.ORF.at: Sie haben bei Landtagswahlen dreimal die absolute Mehrheit erreicht, haben zahlreiche Projekte in diesen Jahrzehnten umgesetzt. Was waren Ihre größten Erfolge?

Pröll: Ich würde es auf einen Punkt reduzieren: Wir hatten die Chance und die Möglichkeit, in einem Mondfenster der Landesgeschichte verantworten zu dürfen. Das ist nicht für jede Generation machbar: Der Eiserne Vorhang, der Fall dessen, der Weg Niederösterreichs in ein größeres Europa, daran zu arbeiten, dass die Schmerzen des Zweiten Weltkrieges gelindert oder überhaupt beseitigt werden, das ist eine riesige Herausforderung gewesen, aber war auch eine riesige Chance und das hat es uns ermöglicht, dass wir in diesen Jahrzehnten dem Land eine vollkommen neue Struktur geben konnten, oder wenn Sie so wollen, geben mussten.

noe.ORF.at: Was waren die schwierigsten Momente in all den Jahren?

Pröll: Das sind all die Phasen gewesen, in denen Niederösterreich von Katastrophen heimgesucht wurde, das Hochwasser im Jahr 2002 war eine unglaubliche Herausforderung, vor allem auch deswegen, weil ich am deutlichsten gemerkt habe, wo die Grenzen des Menschen stehen und wie machtlos man ist. Sehr persönlich war der Tod von Liese Prokop für mich und für unsere Freunde, das war ein besonders emotionaler Moment, weil Liese Prokop über viele Jahre und Jahrzehnte eine wichtige Mitstreiterin gewesen ist.

noe.ORF.at: In all den Jahren hat sich Niederösterreich gesellschaftlich verändert und auch die ganze Welt. Wir erleben Vorkommnisse wie das Attentat in Berlin. Viele Menschen sagen, dass die guten Jahre, die guten Jahrzehnte vorbei sind und blicken mit Sorge in die Zukunft. Gehören Sie zu diesen Menschen?

Pröll: Nein, ich würde es nicht so pointiert ausdrücken. Ich glaube nicht unbedingt, dass die guten Jahre vorbei sein müssen. Eines hat sich mit Sicherheit geändert: Nämlich, dass zusätzlich Unsicherheit auch zu uns gekommen ist. Es ist kein Wunder - Brexit, kein Mensch kann sagen, wie in fünf oder zehn Jahren Europa aussehen wird. Die Wahlen in Amerika werden unter Umständen ein vollkommen ganz neues Verhältnis zwischen Amerika, Europa und Russland bringen, auch mit unsicherem Ausgang, wohin dieser Weg führen wird. Und dann die gesamte Situation in der Türkei, die tiefgreifende Auswirkungen auf Mitteleuropa und natürlich auf Österreich und damit Niederösterreich haben wird. Sie sehen also: Es ist Unsicherheit vorhanden im Blick nach vorne. Aber da kommt es drauf an - und dann ist mein Zugang zu dieser Situation - dass wir eine kalkulierbare Politik weitermachen.

noe.ORF.at: Welche Einflussmöglichkeiten hat denn aus Ihrer Sicht ein Regionalpolitiker bei diesen ganzen globalen Bewegungen, denen man scheinbar hilflos ausgeliefert ist?

Pröll: Einen ganz entscheidenden. Das Hauptproblem in Europa ist ja, dass sich die Bürger ausgehend von Brüssel nicht mehr vertreten fühlen. Es ist also keine leere Floskel, wenn ich Ihnen sage, dass das höchste Gebot, das wir uns setzen, eine bürgernahe Politik ist, immer bei den Menschen zu sein, sehr sensibel zu orten, was die Menschen brauchen, wohin die Reise mit den Menschen gehen soll. Und wenn man sich daran hält, ist auch ein Vertrauensverhältnis gegeben und ein Vertrauensverhältnis auf dieser Ebene kann für das gesamte Europa gut sein.

noe.ORF.at: Ihr ganzes Leben ist von Politik geprägt. Wie entscheidet man an dieser Stelle und mit dieser Lebenserfahrung, wann es Zeit ist, aufzuhören oder Zeit ist, weiter zu machen?

Pröll: Ich vergleiche meine Verantwortung und meine Aufgabe mit einem umsichtigen Bauern, der in die Jahre gekommen ist, der auch genau überlegen muss, welchen Schritt setzte ich wann, damit auch dieses Bauerntum und der Betrieb in der nächsten Generation gut weitergehen kann. Und genau dasselbe ist natürlich auch hier: Wir sind momentan in einer sehr unsicheren Zeit, da muss man auch ganz genau überlegen, wann ist welcher Zeitpunkt gekommen, um den nächsten Schritt in die richtige Richtung zu setzen.

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Seit 24 Jahren Landeshauptmann

Erwin Pröll feiert am Heiligen Abend seinen 70. Geburtstag. Er führte fünf Wahlkämpfe und erreichte drei Mal die absolute Mehrheit.

noe.ORF.at: Was soll einmal bleiben, wenn man auf Erwin Pröll und seine politische Arbeit zurückblickt?

Pröll: Im Blick zurück wäre es sehr schön für mich, wenn eines Tages die Menschen sagen: Der Pröll hat es eigentlich ganz gut gemacht und er ist dabei auch Mensch geblieben.

Das Gespräch führte Robert Ziegler, noe.ORF.at