Landestheater: Poetisches Requiem „Roppongi“

Vor zehn Jahren erschien die Novelle „Roppongi - Requiem auf einen Vater“ des Kärntner Autors Josef Winkler. Am Freitagabend stand im Landestheater Niederösterreich die Uraufführung der Theaterfassung auf dem Programm.

Der Kärntner Schriftsteller Josef Winkler rieb sich in seinem umfangreichen Werk immer wieder an der patriarchalen Übermacht seines Vaters und der Männergesellschaft in der ländlichen Gesellschaft. Sein 2007 erschienenes Buch „Roppongi - Requiem auf einen Vater“ ist ein weiterer Befreiungsschlag. Die ebenfalls aus Kärnten stammende Regisseurin und Autorin Julia Jost beschreibt Winklers Sprachgewalt als ein „Abarbeiten“.

Der faszinierte Blick auf das Sterben

Josef Winkler beobachtet in „Roppongi“ die Tradition der Inder in Varanasi im Umgang mit den Toten und stellt sie seinen Erinnerungen an das Sterben in einem Kärntner Bergdorf in ausdrucksstarken Worten gegenüber. Eine seltsame Faszination fesselt im Text den Beobachter an den Tod, eine unerklärliche Abhängigkeit bindet ihn an das Objekt seiner Beobachtung.

In der Theaterfassung und der Inszenierung von Julia Jost im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten präsentieren vier gleich angezogene Schauspielerinnen und Schauspieler den Text. Das Bühnenbild erinnert an ein zerschlagenes Glashaus.

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„Roppongi“ im Landestheater

Wieder und wieder evoziert Josef Winkler in seiner Novelle schauerliche Bilder von Sterbenden, von Hinfälligkeit und Zerfall.

noe.ORF.at: Frau Jost, vor wenigen Tagen sagte Josef Winkler in einem Zeitungsinterview, es sei mutig, den Text in ein Theaterstück umzuwandeln. Wie sehen Sie das?

Julia Jost: Es ist erst mal mutig, so einen Text zu schreiben.

noe.ORF.at: Winkler spricht immer wieder von der Sprachlosigkeit, die ihn in seiner Kärntner Heimat umgeben hat. Im Text, den er einmal als Novelle bezeichnet hat, wird das eloquent thematisiert.

Jost: Ja, der Vater schweigt, und natürlich auch die Mutter. Schwester und Mutter nehmen Antidepressiva und schweigen. Es gibt viele Schandmäuler, natürlich. Winkler schweigt ebenso, schreibend. Schreiben ist für ihn ein Überlebenskampf. Er schreibt fast in einer Manie. Vor allem in den Indien-Teilen, wenn er in den Gads von Varanasi sitzt und stundenlang das Treiben verfolgt. Er beobachtet die Riten, schreibt und schweigt. Schweigen ist ein ganz zentraler Punkt in dieser Arbeit von Winkler.

noe.ORF.at: Wie lässt sich der Text für die Bühne personalisieren? Es gibt in Ihrer Fassung vier Schauspieler und Schauspielerinnen, wie wurde eine Aufteilung vorgenommen?

Jost: Mir war wichtig, keine expliziten Figuren herauszuarbeiten. Damit man nicht Gefahr läuft, dieses unglaublich großartig geschriebene Werk zu zerstören, indem man Situationen baut, Szenen schreibt und Figuren entwickelt. Winkler schreibt in einer Form einer Litanei gegen eine Litanei an, und das war mir wichtig zu erhalten. Es gibt vier Akteure, die unterschiedliche Facetten von Winkler zeigen, die auch in einzelne Figuren hineinzoomen, ein wenig die Situation ausleuchten und dann wieder heraustreten.

Roppongi Landestheater

Alexi Pelekanos

„Roppongi“ im Landestheater Niederösterreich mit Katharina Knap, Helmut Wiesinger, Vidina Popov und Tobias Artner (v.l.)

noe.ORF.at: Wie sehen Sie den Umstand, dass Josef Winkler wieder und immer wieder literarisch zurückkehrt in dieses Kärntner Dorf, in seine Kindheit?

Jost: Das verstehe ich sehr gut. Er leuchtet das ja aus, wie mit einer Taschenlampe. Einmal ist der Vater relevanter, dann wieder die Mutter. Aber es ist ein einziges, großes, zusammenhängendes Werk. Und wenn man seine Romane liest, dann findet man immer, aus einer anderen Perspektive beleuchtet, ähnliche oder gleiche Motive. Das ist ein Abarbeiten an dieser Kindheit, das ist ein Abarbeiten am Katholizismus, an der eigenen Herkunft, an der dörflichen Struktur.

noe.ORF.at: Wie finden sie die Sprache in „Roppongi“?

Jost: Das ist eigentlich ein riesengroßes Gebet, ein Mantra, das ist großartige Struktur. Es hat einen tollen Rhythmus und bekommt einen unglaublichen Zug. Der Text hat „Fleisch“, und so funktioniert für mich auch die Übertragung auf die Bühne und die Schauspieler und Schauspielerinnen. Ich bin gar nicht angewiesen darauf, Szenen zu schreiben. Der Text schafft es, den Schauspieler zu durchdringen und umgekehrt, und dann leitet der Text durch das Stück. Andererseits gibt es sehr starke Bilder in „Roppongi“. Es ist eine riesige Bilderflut. Und wenn man die als Schauspieler visualisieren kann, fängt man an, lebendig zu werden in den Gedanken, die Winkler ausbreitet.

Das Gespräch mit Julia Jost führte Hannes Steindl, noe.ORF.at.

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