Vergnügungsviertel in Carnuntum entdeckt

Sensationelle neue Entdeckungen in der Römerstadt Carnuntum (Bezirk Bruck a.d. Leitha) wurden heute präsentiert. Ein drittes, bislang unbekanntes Amphitheater sowie ein Vergnügungsviertel konnten nachgewiesen werden.

Die Auswertung der Ergebnisse des Projekts „Gesamtprospektion Kernzone Carnuntum“ förderte nach der Entdeckung der Gladiatorenschule, den frühesten Marschlagern und der Kaserne der Leibgarde des Statthalters weitere spektakuläre Funde zutage. So belegt etwa ein ganzer Stadtbezirk mit Tavernen, Großbäckereien und Geschäften eine gut ausgestattete Freizeitinfrastruktur zur Abhaltung von Großereignissen wie Gladiatorenspielen. Darüber hinaus wurden vor allem im Bereich der ehemaligen Militärstadt neue Stadtteile entdeckt.

Die am Donnerstag präsentierten Ergebnisse tragen zu einem differenzierteren Verständnis der Stadtentwicklung von Carnuntum bei und erlauben eine gezielte Erforschung zu weiterführenden Fragestellungen. Im Auftrag des Landes Niederösterreich wurde vom Ludwig Boltzmann Institut für archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro), der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, sowie internationalen Partnern, der gesamte, fast 10 Quadratkilometer große Kernbereich der antiken Metropole Carnuntum mit Bodenradar und Geomagnetik in Bad Deutsch-Altenburg und Petronell-Carnuntum durchleuchtet.

Römische Überreste nach Jahrtausenden sichtbar

Seit dem Abschluss der Messungen im Gelände arbeiteten Experten an der Auswertung dieser Messergebnisse. Nach der Entdeckung einer Gladiatorenschule im Jahr 2011, den frühesten Marschlagern im Jahr 2014 und der Gardekaserne des römischen Provinzstatthalters im Jahr 2016 wurden nun weitere sensationelle Entdeckungen gemacht. Der neu erstellte vollständige Plan macht erstmals alle im Untergrund verborgenen römischen Überreste nach Jahrtausenden wieder sichtbar.

Nördlich des vor etwa 90 Jahren freigelegten Amphitheaters und der Gladiatorenschule in Petronell-Carnuntum konnte ein ganzer Stadtbezirk mit Großbäckereien, Tavernen und Geschäften – der wesentlichen Infrastruktur für die Durchführung römischer Spektakel wie Gladiatorenkämpfen („Brot und Spiele“) – nachgewiesen werden.

Bisher unbekanntes drittes Amphitheater

Der Weg zum Amphitheater führte aus der Stadt hinaus durch ein Stadttor der seit dem Beginn des 3. Jhs. n. Chr. bestehenden Stadtmauer, welche die Zivilstadt umschloss. Den Weg säumten Tavernen (tabernae), Souvenirgeschäfte und Imbissstuben (thermopolia), wo Händler ihre Ware über straßenseitige Ladentheken zum Verkauf anboten und Wirtshäuser das Publikum zum Verweilen einluden.

Neu entdecktes Amphitheater

LBI ArchPro, 7reasons

Neu entdecktes Amphitheater aus Holz

Historisch noch sensationeller ist aber der Befund eines unter der späteren Stadtmauer festgestellten, bislang noch völlig unbekannten Amphitheaters. Diese Anlage – nur 400 m nördlich des heute sichtbaren steinernen Amphitheaters aus dem 2. Jh. n. Chr. – ist der wohl früheste eindeutig definierte Veranstaltungsbereich der Römerstadt Carnuntum nach dem Amphitheater östlich des Legionslagers in Bad Deutsch-Altenburg.

Nachgewiesen ist, dass die innere cavea-Mauer und die Fundamente der Torbereiche aus Stein erbaut waren. Es ist anzunehmen, dass sich dahinter ein Holzbau erhob. Rein hölzerne Amphitheater aus solch früher Zeit sind bislang nur sehr wenige bekannt, wie etwa in Künzing (Bayern) oder Londinium (Großbritannien).

Produktionsbereich der Tavernen mit Speichergebäude und Ofen

LBI ArchPro, 7reasons

Produktionsbereich der Tavernen mit Speichergebäude und Ofen

Neues Stadtviertel im Bereich der Lagerstadt

Westlich des Legionslagers in Bad Deutsch-Altenburg konnte nördlich der Limesstraße in der Lagerstadt ein bislang nicht bekannter Stadtteil festgestellt werden, der im Zuge der stadtgeschichtlichen Entwicklung vom 1. – 3. Jh. n. Chr. völlig umgestaltet wurde. Hier müssen weitere Untersuchungen helfen, um den historischen Ablauf der Stadtentwicklung genauer aufzeigen zu können.

Für Landesrätin Petra Bohuslav bringt die Gesamtprospektion von Carnuntum sensationelle Ergebnisse über den Alltag im antiken Carnuntum. Die Entdeckungen hätten auch einen hohen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen. „Einerseits ist der neue vollständige Stadtplan der Überreste des römischen Carnuntum eine hervorragende Grundlage für virtuelle Rekonstruktionen und zukünftige archäologi¬sche Forschung. Andererseits werden die Ergebnisse auch für Besucherinnen und Besucher aufgearbeitet und damit wird Carnuntum noch stärker einem internationalen touristischen Publikum bekannt gemacht“, so Bohuslav.

Der wissenschaftliche Leiter der Römerstadt Carnuntum, Franz Humer, ist seit beinahe 30 Jahren in Carnuntum tätig. Er habe die neuen Funde nicht für möglich gehalten. „Die konsequent betriebene Grundlagenforschung des Landes Niederösterreich, kombiniert mit den Ergebnissen experimentalarchäologischer Forschung hat gerade auch in der internationalen Beurteilung der archäologischen Fachwelt eine äußerst positive Reputation bewirkt. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass historisch gesehen die Römerstadt Carnuntum, abgesehen vom mediterranen Raum, ein absoluter ‚Hotspot‘ der römischen Antike war“, sagt Humer.

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