Die letzten Tage im Führerbunker

Die letzten zehn Tage im Führerbunker Adolf Hitlers sind Thema eines Theaterstücks, das im Retzer Erlebniskeller (Bezirk Hollabrunn) aufgeführt wird. Tief unter der Erde wird dem Publikum beklemmende Bunkerstimmung vemittelt.

Hitler tobt über die Unfähigkeit seines Generalstabes, träumt von der architektonischen Neugestaltung Berlins und ärgert sich über ein Volk, das ihn nicht verdient hat, für das er so viele Opfer gebracht habe, und hat keine Ahnung von den brutalen, wie chaotischen Verhältnissen außerhalb seiner Welt dutzende Meter unter Erde.

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Beklemmendes Kellertheater

Das Ambiente stimmt für die beklemmenden Szenen im Führerbunker. Die Schauspieler meistern die filmhaften kurzen Szenen gekonnt.

Die letzten vierzehn Tage des Diktators, gespielt im ebenfalls tiefen und verwirrend komplexen System der Retzer Erlebniskeller, rufen beim Publikum beklemmende Gefühle hervor. Während der dreistündigen Wanderung verliert man als Zuschauer von Station zu Station mehr und mehr den Bezug zur Außenwelt und taucht beinahe hautnah ein in die absurde Welt der letzten Tage des NS-Regimes. „Man ist dem Geschehen schon sehr nahe. Gerade am Anfang war das schon fast unangenehm, aber sehr, sehr spannend und aufregend“, sagte etwa ein Besucher, der extra zur Generalprobe mit Publikum aus Wien angereist war.

Hitler-Darsteller mit Rückenschmerzen

Eine ungeheure Leistung wird dabei Andreas Hajdusic, dem Darsteller des Führers, abverlangt: „Vom Schreien bis hin zu weinerlichen Momenten ist alles drin, da muss man schon richtig gut gestützt aus dem Bauch schreien, damit man das durchhält. Hitler selbst hat das ja alles aus dem Hals gepresst.“

Szenen aus dem Führerbunker

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Schauspieler Andreas Hajdusic bekommt den signifikanten Bart verpasst

Die stark gebückte Haltung, das Schütteln in der linken Hand, die Bewegungsmuster hat sich Hajdaric aus dem Studium erhaltener Privataufnahmen aus Hitlers Umfeld erarbeitet. „Ich schlafe generell sehr schlecht zur Zeit. Ich träume nicht von Hitler selbst, sondern von mir, wie ich bei den Proben als Schauspieler einen Tobsuchtsanfall bekomme. Dann wache ich mit großen Rückenschmerzen auf“, erzählt der junge Schauspieler, der dennoch froh ist, diese Rolle angeboten bekommen zu haben. „Zuerst habe ich eine Nacht darüber geschlafen, dann habe ich zugesagt.“

Mythos Führerbunker mit Spielraum für Gestaltung

Das Stück, das vom Verein „Theater in Arbeit“ realisiert wird, lehnt sich an die Filme „Der letzte Akt“ von Georg Wilhelm Pabst und Bernd Eichingers „Der Untergang“ an. Das Theaterstück erhält eine eigene Dramaturgie, durch den Kunstgriff, dass Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, als Rahmenhandlung das Publikum als Besucher durch den zu einem Museum gewordenen Führerbunker durchführt.

Szenen aus dem Führerbunker

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Szene „Hitler und Goebbels im Bunker“

„Es herrscht ein großes Mysterium um diesen Führerbunker. Es gibt gerade zum letzten Teil des Dritten Reichs im Verhältnis zur übrigen Geschichte nur eine sehr spärliche authentische Dokumentation oder Material. Das macht das Ganze sehr theatertauglich oder gut geeignet für den Film“, erklärt Regisseur und Koproduzent Michael Pfeiffer vom „Theater in Arbeit“.

Unterhaltung mit Schauergarantie?

Das abgrundtief Böse als Unterhaltung mit Schauergarantie: Die Reaktionen waren im Vorfeld differenziert. „Die Meinungen sind gespalten gewesen. Wir hatten bereits den ‚Namen der Rose‘ nach Umberto Ecco gemacht und ‚Jack the Ripper‘, da war, sagen wir es einmal so, der Ansturm einhelliger“, so Pfeiffer.

Soviel kann gesagt werden, die Ankündigung der beiden Produzenten Martin Weigel und Michael Pfeiffer - „Die Aufführung wird auch das Publikum nicht unverändert zurücklassen“ - stimmt. Nachdem man keine zwei Meter von so zynischen wie brutalen Figuren wie Magda Goebbels entfernt gestanden hat, verlässt man nach dem dreistündigen, intensiven NS-Untergang den Erlebniskeller Retz einerseits mit einem bedrückten Gefühl, aber auch mit der Erleichterung, dass diese finstersten Zeiten vorbei sind.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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