Dritte Piste: Entscheid gegen Bau aufgehoben

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gegen den Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat aufgehoben. Er gab den Einsprüchen des Landes NÖ und des Flughafens statt.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhard Holzinger, sagte in der Begründung: „Das Bundesverwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zur Errichtung der dritten Piste des Flughafens Schwechat mit der Verlegung einer Landesstraße, die damit im Zusammenhang steht, und der die Genehmigung verweigert wurde, die Rechtslage im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in mehrfacher Hinsicht grob verkannt. Das belastet die angefochtene Entscheidung mit Willkür, es verletzt die Parteien in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.“

VfGH-Entscheidung zur 3. Piste am Flughafen

Der VfGH hat das Erkenntnis des BVwG gegen die dritte Piste als verfassungswidrig aufgehoben. Das wurde am Donnerstag öffentlich verkündet.

Fehler bei der Auslegung der Staatszielbestimmungen

Der Verfassungsgerichtshof sieht Fehler vor allem bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht. Es sei zwar verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen die Genehmigung eines Projekts einzubeziehen, aber: Die im Gesetz genannten „sonstigen öffentlichen Interessen“, die bei der Abwägung gemäß Luftfahrtgesetz zu berücksichtigen sind, müssten aus dem Luftfahrtgesetz selbst ableitbar sein.

Das Verwaltungsgericht habe zudem die mit dem Projekt verbundenen Kohlendioxid-Emissionen fehlerhaft berechnet. Laut Feststellung eines gerichtlichen beeideten Sachverständigen wären nur die Emissionen einzurechnen, die während Start und Landung erfolgen („LTO-Emissionen“ - Landing and Take Off). Der Senat des BVwG hingegen habe in seiner Prognose für das Jahr 2025 Emissionen berücksichtigt, die während des gesamten Fluges anfallen („Cruise-Emissionen“).

Verkündung des Enstcheids durch VfGH

APA/ Georg Hochmuth

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger verkündet die Entscheidung über Beschwerden von Flughafen und Land Niederösterreich

Bundesverwaltungsgericht muss erneut entscheiden

Dazu komme, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen der Emissionen fälschlich auch auf Rechtsgrundlagen und internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll beruft, die es in diesem Fall nicht hätte heranziehen dürfen. Auch das Klimaschutzziel in der niederösterreichischen Landesverfassung dürfe für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes nicht herangezogen werden, weil dieses Ziel nur für den Wirkungsbereich des Landes anzuwenden sei, so der Verfassungsgerichtshof. Die Rechtssache geht nun zurück an das BVwG, das eine neuerliche Entscheidung treffen muss.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte Anfang Februar die Bewilligung zu Errichtung und Betrieb einer dritten Piste am Flughafen Schwechat untersagt - mit Hinweis, das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem „markanten Anstieg“ an Treibhausgas-Emissionen kommt, sei gewichtiger als die „verschiedensten öffentlichen Interessen, die für die Errichtung des Vorhabens sprechen“. Der Dreiersenat hatte sich auf die Bundesverfassung und die Niederösterreichische Landesverfassung berufen, die Umweltschutz und Klimaschutz einen besonderen Vorrang einräumen.

Lineargrafik über die Anzahl der Flugbewegungen sowie Passagiere auf dem Flughafen Wien

Grafik: ORF.at; Quelle: APA/flughafen Wien

Einsprüchen von Land und Flughafen stattgegeben

Die Flughafen Wien AG und das Land Niederösterreich bekämpften diese Entscheidung. Sie argumentierten mit Verfahrensmängeln und machten geltend, dass die Treibhausgas-Emissionen nicht dem Flughafen, sondern den Fluglinien zugerechnet werden müssten. Außerdem brachten sie vor, dass Staatszielbestimmungen wie der Klimaschutz in der Landesverfassung ohne weitere Konkretisierung kein Hindernis für die Genehmigung eines Vorhabens seien.

Ob die Verfassungsrichter darüber gleich in der Sommersession entscheiden, ließ sich nicht vorhersagen. Die Aufnahme von Fällen in die Tagesordnung bedeute nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session, die bis 1. Juli dauern wird, entschieden werden, stellte der VfGH in einer Aussendung klar. Am heutigen Donnerstag wurde nun dennoch das Urteil bekanntgegeben. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde aufgehoben.

Unterschiedliche Reaktionen zum Entscheid

Mit Erleichterung reagierten das Land Niederösterreich sowie Vertreter aus Wirtschaft und Sozialpartnerschaft auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach am Donnerstag von einer „zukunftsweisenden Chance“ - mehr dazu in Land begrüßt Entscheidung zu dritter Piste (noe.ORF.at; 29.6.2017). Kritische Stimmen kamen hingegen von den Grünen und von zahlreichen Umweltorganisationen. Sie kritisierten vor allem fehlende Klimaschutzgesetze in Österreich - mehr dazu in Dritte Piste: Umweltschützer bedauern Entscheid (noe.ORF.at; 29.6.2017).

Beim Flughafen selbst sprach man nach der Verkündung von einem „guten Tag für den Wirtschaftsstandort“, betonte aber, dass die Entscheidung nur ein Etappensieg sei, da sich das Bundesverwaltungsgericht nun erneut mit der Sache befassen müsse - mehr dazu in Entscheidung ist für Flughafen nur Etappensieg (noe.ORF.at; 29.6.2017).

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