Renaissance von Ebner-Eschenbach in Reichenau
Einem zeitgenössischen Publikum das Werk von Marie von Ebner-Eschenbach nahebringen will Anna Maria Krassnigg, künstlerische Leiterin des Salon5 am Thalhof in Reichenau an der Rax. Ihre unter dem Titel „Am Ende eines kleinen Dorfes“ erstellte Bühnenfassung der Novelle „Die Totenwacht“ ist bei der Premiere am Freitag akklamiert worden - nicht zuletzt des ausgezeichneten Schauspielertrios wegen.
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Szenenausschnitt aus dem Stück
In „Am Ende eines kleinen Dorfes“ geht es um den Befreiungskampf einer jungen Frau, um Moral, Macht und menschliche Abgründe.
Ebner-Eschenbach, die ebenso legendäre wie neu zu entdeckende Grande Dame der österreichischen Literatur, hinterließ ein reiches und dennoch betrüblich in Vergessenheit geratenes Werk. Spätestens seit der verdienstvollen neuen Gesamtausgabe ihres Prosa-Werks zeigt sich, dass es überaus lohnend ist, Ebner-Eschenbachs Schaffen einem heutigen Publikum nahezubringen.
Kampf gegen Unterdrückung und Ausgrenzung
Gleichermaßen als Prosa-Autorin und Dramatikerin von Rang schrieb Marie von Ebner-Eschenbach Dramen, aber auch literarische Hybrid-Formen wie die „dramatisierte Novelle“. Im Mittelpunkt der Handlung von „Am Ende eines kleinen Dorfes“ steht die junge Anna mit ihrem beispiel- und zeitlosen, leidenschaftlichen Befreiungskampf gegen Unterdrückung, Normierung und Ausgrenzung in einer patriarchal dominierten Gesellschaft. Wie sich diese unbeugsame junge Frau aus den Fängen eines scheinbar ausweglos vermauerten Lebens befreit, demonstriert eindrucksvoll, dass das eigene, das bewusst geführte Leben kompromisslos erstritten werden muss.

Christian Mair
Der Thalhof in Reichenau an der Rax
Schon das Bühnenbild, eine imaginäre Winterlandschaft, macht deutlich, um welch menschliche Abgründe es in dem Werk geht. Die Figuren bewegen sich am Abgrund. Das Schauspieltrio - Petra Gstrein, Jens Ole Schmieder und Doina Weber - überzeugt mit einer intensiv emotionalen Darbietung. Leise Monologe wechseln mit schnellen, lauten Dialogen.
Intendantin Krassnigg will „intelligentes Vergnügen“
Das Werk von Ebner-Eschenbach erlebt derzeit eine Renaissance. Für Thalhof-Intendantin und Regisseurin Anna Maria Krassnigg ist es auch eine zentrale Aufgabe des Theaters, einen solchen Stoff aufzugreifen und zu beleben. „Mich langweilt es zu Tode, dass die ewig gleichen 15 Best-Of-Listen abgespielt werden. Es wird immer geschielt auf das Publikum geschielt und was es schon kennt. Ich glaube, man darf sich trauen, das Publikum zu Dingen zu verführen, die es noch nicht kennt“, sagt Krassnig. Ihre Absicht ist es, intelligentes Vergnügen zu bereiten. „Vergnügen hat hier weniger etwas mit Schenkelklopfen zu tun, als dass einem ein paar Geistesblitze aufgehen.“

ORF NÖ
„Am Ende eines kleinen Dorfes“ im Thalhof Reichenau ist ein packender, fesselnder und kurzweiliger Theaterabend. Das Bühnenbild und die Leistung des Schauspielensembles überzeugen. Literatur wird im Thalhof lebendig. Nach der Uraufführung gab es tosenden Applaus.
Thalhof-Festival dauert vier Wochen
Das dritte Thalhof-Festival bietet erstmals vier Wochen lang darstellende Kunst, angewandte Wissenschaft, Dialog und Begegnung in der legendären, kenntnisreich renovierten „Wortwiege an der Rax“. In insgesamt 30 Veranstaltungen werden drei Uraufführungen, neun Salongespräche, eine Kurzfilmpräsentation der Filmakademie Wien und die begleitende Wortgalerie zu erleben sein. Terrassen, Salons und die neue Thalhof-Bar laden zum Verweilen und Diskutieren ein.
Benedikt Fuchs, noe.ORF.at
Links:
- Thalhof Reichenau mit „unverwechselbarer Linie“ (noe.ORF.at; 21.5.2017)
- Salon 5 - Thalhof Reichenau