Rekruten-Tod: Soldaten brechen Schweigen

Nach dem Hitzetod eines Soldaten in Horn brechen jetzt zwei Rekruten das Schweigen. Während einer seine Zeit bei der Garde in Horn als quälend erlebte, sieht der zweite keine Verfehlungen der Bundesheerausbildner.

Das Interview zum Nachhören

Das Exklusivinterview mit den beiden Rekruten können Sie auf oe1.ORF.at nachhören.

Die zwei Rekruten - beide wollen anonym bleiben - zeigten im Ö1-Exklusivinterview zwei ganz unterschiedliche Zugänge und Darstellungen der Vorgänge in der Kaserne Horn. Der erste ist derzeit in Horn stationiert. Er ist einer der 170 Rekruten der ersten Gardekompanie und damit fast unmittelbarer Kamerad des verstorbenen 19-Jährigen.

Die Stimmung nach dessen Tod war wie eine „Schockstarre“, sagte er im Interview. Aber bestürzend seien auch manche Medienberichte, etwa dass beim Marsch am Tag davor über 20 Rekruten bewusstlos geworden seien: „Wir lesen da Sachen, die wirklich aus der Luft gegriffen sind.“

Beim Marsch am Vortag „kein einziger bewusstlos“

Er selbst, so der Grundwehrdiener, der anonym bleiben möchte, sei beim Marsch am Vortag dabei gewesen. Sechs Kameraden hätten ihn abgebrochen und seien in die Kaserne geführt worden. „Die waren alle bei Bewusstsein, da gab es keinen einzigen, der nicht bei Bewusstsein war - auch nicht vorübergehend.“

Der Rekrut, der auch an einem anonymen Brief an Bundesheer und „Kronen Zeitung“ mitgeschrieben hatte, sagte konkret über die gesundheitlichen Beschwerden der sechs Kameraden: „Vier davon waren wegen Blasen, und das waren auch eher kleine Blasen. Eine Person hatte davor zu wenig gegessen. Und eine Person war im Endeffekt eher demotiviert gegenüber dem Marsch und hat halt über Fußschmerzen geklagt.“ Er wisse das aus Gesprächen mit Kameraden.

19-Jährigem „ging es in der Früh noch gut“

Warum dann andere Soldaten anscheinend in WhatsApp-Gruppen über 22 oder 26 Ohnmächtige schrieben, könne er sich nur damit erklären, dass das dem Bundesheer schlecht gesinnte Personen seien. Der Rekrut bestätigte im ORF-Interview auch, dass die Märsche vergangene Woche mit rund zwölf Kilo Gepäck und im Unterleibchen absolviert wurden - das sei ein Befehl gewesen. Ein weiterer Befehl: „Das war im Endeffekt vor den Märschen. Da hat unser Kompaniekommandant gesagt, wenn ihr merkt, ihr könnt nicht mehr, dann einfach melden, der Truppenarzt schaut sich das an und es ist fertig.“

Wie es dann zu dem Todesfall kommen konnte, kann sich der Garde-Rekrut nicht wirklich erklären. Er verlässt sich auf die Untersuchungskommission: „Es ist einfach tragisch, wie schnell sich das entwickelt hat. Dem Rekruten ging es in der Früh gut.“

Kaserne in Horn

ORF / Andreas Kotzmann

Obszöne Sprache: „Spaß“ oder Erniedrigung?

Einen der jüngsten Kritikpunkte bestätigte der Grundwehrdiener: Die obszöne Sprache einzelner Ausbildner. Aber: „Wir lachen alle und somit ist das eine auflockernde Situation, wenn man da ein bisschen einen Spaß reinbringt.“

Ganz anders sieht das ein Rekrut, der bis März des heurigen Jahres bei der Garde war. Ihm war nicht zum Lachen: „Man wird oft als Schwuchtel dargestellt, von Anfang an. Da kommen immer so Anspielungen, dass man mit den Kameraden etwas Homosexuelles macht. Sich beschweren oder wehren geht eigentlich gar nicht.“ Als Druckmittel hätte man eine „Nachschulung“ benutzt, „die immer am Freitag Nachmittag war. Und nach der Nachschulung ist es sehr knapp geworden, dass man seinen Zug nach Hause noch erwischt. Und mit diesem Druckmittel sind sie immer gekommen, wenn man sich jetzt aufregt oder krankmeldet.“

Massiver Schlafmangel und psychischer Druck

Bei der Garde-Grundausbildung in Horn habe auch Schlafmangel eine Rolle gespielt. Von 5.30 Uhr bis 22.00 Uhr seien die Soldaten im Einsatz gewesen. „Nach den ersten zwei Wochen Grundausbildung hatten wir sicher sechs, sieben Kameraden, die einfach nur noch im Zimmer gesessen sind und den ganzen Tag geheult haben und dann auch wegen des psychischen Drucks abgerüstet haben.“

Einzelne seien auch in Ohmacht gefallen, sagte der junge Mann, allerdings nicht bei langen Märschen, sondern beim Exerzieren und langen Hab-Acht-Stehen. Einmal, als ein Rekrut umfiel, habe ein Ausbildner befohlen: „Nach vorne schauen, nicht umdrehen.“ Zu dieser und anderen von ihm als erniedrigend wahrgenommenen Aussagen, sagte der vor einem halben Jahr abgerüstete Garde-Rekrut: „Man stumpft so ab. Hin und wieder lacht man dann, weil man einfach keinen anderen Ausweg hat.“

Bernt Koschuh, noe.ORF.at.

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