„Oper!“: Mayröcker-Uraufführung am Semmering

Das Theaterstück „Oper!“ von Friederike Mayröcker ist am Donnerstag beim Kultursommer Semmering uraufgeführt worden. Das Stück der 92-jährigen Schriftstellerin greift emotionale Themen und Situationen auf.

Die Leere des alten Hauses mit seinen langen Gängen und aus der Zeit gefallenen Sälen füllt sich mit Sprache und ihrer Erweiterung ins Sphärische, bevor das Publikum sich schließlich in einem Saal im ersten Stock einfindet. 90 Minuten lang geht es um die Auflehnung gegen das Alter, den Alltag und den Tod.

Die 92-jährige Mayröcker selbst sei mit der Idee, ein Stück für den Semmering zu schreiben, auf ihn zugekommen, erzählte Regisseur Otto Brusatti. „Wir erzählen hier keine Geschichte“, sagt Brusatti, „sondern Entwicklungen, Aspekte, Ängste, Assoziationen, die man in ganz anders orientierte Musik setzen kann“, so der Regisseur des Stücks. „Mit Friederike Mayröcker konnten wir die größte lebende Poetin, die wir in Österreich haben, gewinnen“, meint Intendant Florian Krumpöck. "Sie ist eine Autorin, die so emotional schreibt, wie man es in unserer Zeit fast nicht mehr kennt.“

Auf den Spuren von Schnitzler und Mahler

Der Kultursommer Semmering bringt jedes Jahr ein neues Stück auf die Bühne. Das Ambiente des Kurhauses Semmering, wo sich einst Künstler wie Gustav Mahler, Arthur Schnitzler und Alma Mahler mit der feinen Wiener Gesellschaft ein Stelldichein gaben, dient als passender Rahmen für das poetische Bühnenstück.

Oper Mayröcker

Barbara Amplatz

Das Kurhaus Semmering bietet das passende Ambiente für das Stück

„Oper!“ habe mit Oper „alles und überhaupt nichts zu tun“, hält Brusatti fest. Mayröckers Vorstellungen zufolge sollte im Theaterstück alles vorkommen, was in einer Oper vorkommt und auch, was dort nicht passt. „Und wenn sich die Menschen wundern, dann haben wir es richtig gemacht“, erklärt Brusatti Mayröckers Pläne.

Im Interview mit noe.ORF.at erklärte die 93-jährige Schriftstellerin: „Es geht um still schwebende Formationen von Sprache.“ Vor ein, zwei Jahren hatte Mayröcker die Vorstellung, etwas für die Bühne zu schreiben. „Alles, was ich sehe, verwandelt sich in Sprache. Weil ich ein Augenmensch bin. Daher kommt auch meine Affinität zur Malerei, ich hätte genauso gut auch Malerin werden können. Dann hätte ich wahrscheinlich gemalt wie Francis Bacon.“

„Das Schreiben hat immer mit dem Leben zu tun“

Bei „Oper!“ gehe es um Verwandlungen von psychischen Erfahrungen in Sprache. „Ich fertige Kopien von alltäglichen Erfahrungen an, und daraus wird Poesie. Das Lesen und das Schauen ist am wichtigsten beim Schreiben, einfach sitzen und in den Himmel schauen. Es muss nicht immer gesprochen werden. Es sollte oft geschwiegen werden. Es geht um Empfindungen“, meinte Mayröcker, die mit der Uraufführung im Kurhaus Semmering ein bewegendes Resümee über ihr Leben und Schaffen zieht: „Es sind Erinnerungen und Empfindungen. Das Schreiben hat immer mit dem Leben zu tun.“

Oper Mayröcker

Barbara Amplatz

Das Stück greift emotionale Themen und Situationen auf

In diesem ungewöhnlichen Stück wird nicht gegen die Gesellschaft rebelliert, sondern gegen einen Teil des eigenen Selbst, einen Teil, der immer verwundbarer wird. Es beschreibt autobiografisch einen Aufstand und zugleich das Sich-Zurückziehen als Schutz vor dem Alter, vor den Erinnerungen, vor der eigenen Vergänglichkeit. Die Sprachkünstlerin entwirft in eindrucksvollen Wortgemälden ein feinnerviges Universum der Gerüche, Farben und Sinnesimpressionen.

Stationen-Theater auf drei Ebenen

Beim Stationen-Theater gibt es keine Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum, sondern das Publikum folgt den Darstellern durch die drei am besten erhaltenen Räume des Kurhauses. Musikalisch eingebettet wird das Bühnenereignis in die atmosphärischen Kompositionen des Ensembles „Mischwerk“. Die Stimme der Autorin selbst erfüllt die Räume des Kurhauses, die Tänzerin Maria Moncheva verkörpert die Autorin.

Mayröcker Oper

Barbara Amplatz

Tänzerin Maria Moncheva

In den Salons des Kurhauses Semmering gerät diese wahrhafte Komposition der Autorin zu einer faszinierenden Symbiose aus Sprache, Musik, Tanz und szenischer Darstellung. Mayröcker: „Alles, was schreiben bedeutet, ist nichts anderes als das Vorführen von Leben, von Erinnerung, oder das Wieder-Beleben von Dingen, die man im Laufe des Lebens erlebt hat. Man hat so viel erlebt, wenn man so alt ist wie ich. Man erinnert sich an ganz frühe, an spätere, an die letzten Jahre, es ist für einen selbst ungeheuer interessant.“

Karina Fibich, noe.ORF.at

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