Zahl der psychischen Krankheiten steigt

Es ist eines der größten medizinischen Probleme unserer Zeit: Die enorme Zunahme der psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Burn-Out. In weiterer Folge steigen deshalb auch die Krankenstände rasant an.

Wenn von einem Tag auf den anderen die Welt aus den Fugen gerät, die alltäglichsten Vorgänge zu unüberwindlichen Hürden werden oder der Arbeitsalltag unmöglich mehr zu bewältigen ist. Immer mehr Menschen lernen dieses Phänomen kennen. Die Statistik sagt dazu einiges aus. Etwa, dass psychische Krankheiten den Stützapparat als häufigsten Grund für Invaliditäts-Frühpensionen abgelöst haben.

73 Prozent mehr Krankenstände in neun Jahren

In Niederösterreich wurden im Jahr 2014 um 73 Prozent mehr Krankenstände wegen psychischer Krankheiten registriert als im Jahr 2005. Ein Trend, der anhält. Die Zahl der Psychopharmaka, die allein über die Gebietskrankenkasse abgerechnet wurden, stieg zwischen 2014 und 2016 von 133.000 auf 144.000.

Auch bei der Krankenstandsdauer sind psychische Krankheiten längst die Nummer eins: Die generelle Durchschnittsdauer lag im Vorjahr in Niederösterreich bei 12,34 Tagen, bei psychischen Krankheiten waren die Betroffenen im Schnitt fast 54 Tage zu Hause.

Für den Leiter der Abteilung klinische Psychosomatik der Universität Graz und Präsidenten der österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik, Christian Fazekas, liegt das Problem im steigenden Leistungsdruck. Von außen etwa durch den Arbeitgeber, aber auch, weil eigene Erwartungen nicht erfüllt werden können.

„Wir sind gefangen in der Falle des ‚Nie genug.‘ Das heißt: Nachdem das von der Gesellschaft nicht vorgegeben ist, muss es jeder selber leisten. Wann ist es für mich genug? Wann ist meine Partnerschaft gut genug, wann mein Berufsleben gut genug? Wann ist mein Leben ein zufriedenstellendes? Das, glaube ich, fehlt“, erklärt Fazekas.

Nächste Station: Kontrollverlust

Letzlich verlieren Betroffene die Kontrolle. „Die Idee, unbedingt funktionieren zu müssen, dominiert alles. Und zwar unter Ausblendung der eigenen Befindlichkeit. Deshalb sind sie, bis es wirklich zu einem Einbruch kommt, gar nicht in der Lage, gut gemeinte Ratschläge aus ihrem Umfeld anzunehmen“, so Fazekas.

Dann sei Hilfe nötig. „Wichtig ist es für alle Beteiligten, dem Betroffenen und seinem Umfeld, etwa seiner Familie, dass man sich mit der Situation befasst, und zwar zusammen mit jemandem, der ein Außenstehender ist, und der das professionelle Know-How hat, zu beraten, zu analysieren, zu diagnostizieren und zu behandeln. Daran kommt man nicht vorbei“.

„Es müssen nicht alle glücklich sein“

Der nächste Schritt sei der, sein Leben umzugestalten und Drucksituationen auszuweichen. „Da sage ich, okay, mit dieser Methode sind zwar nicht alle glücklich, aber mir geht es damit besser und mittelfristig, langfristig fahre ich damit gut, habe wieder mehr Arbeitsfreude, mehr Lebensfreude und bin zuversichtlich, dass ich so auch langfristig leistungsstark bleibe.“

Damit würde eine Abwärtsspirale gestoppt, denn psychische Krankheiten ziehen körperliche fast immer mit sich, sagt der Experte. Und diese körperlichen Beschwerden – etwa Schlaflosigkeit – zehren wieder an der Psyche.

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