Pflegeskandal: Gesetzesänderung gefordert

Seit Bekanntwerden der neuesten Erkenntnisse um den Pflegeskandal in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten), wird der Ruf nach einer Gesetzesänderung laut. Gesundheit müsse vor Datenschutz gehen, so die Pflegeanwaltschaft.

Die Tatsache, dass zwei der fünf Pfleger, gegen die seit etwa einem Jahr ermittelt wird, bis vor kurzem wieder als solche in einer Einrichtung in Wien gearbeitet haben, sorgt für Unverständnis auf vielen Seiten. Die Verdächtigen sollen demente Heimbewohner sadistisch gequält haben - mehr dazu in Pflegeskandal: Pfleger haben weitergearbeitet (noe.ORF.at; 27.9.2017).

Am Mittwoch wurden die beiden Beschuldigten schließlich festgenommen - wegen Tatbegehungsgefahr, wie die Staatsanwaltschaft St. Pölten mitteilte. Diese habe selbst erst jetzt davon erfahren, dass die beiden wieder als Pfleger arbeiteten, heißt es - mehr dazu in Zwei Festnahmen in Pflegeskandal (noe.ORF.at; 27.9.2017).

Bachinger fordert Gesetzesänderung

Als Reaktion fordert Patienten- und Pflegeanwalt Gerald Bachinger Gesetzesänderungen. Aus Sicht der Pflegeanwaltschaft sei es notwendig, dass die gesetzlichen Bestimmungen so verändert werden, dass auch vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können. „Ich denke ähnlich wie im Ärztegesetz, wo es solche Maßnahmen gibt, wäre es unbedingt notwendig, dass auch im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz vorläufige Berufsverbote ausgesprochen werden können, damit es eben nicht passiert, dass dann bei anderen Rechtsträgern wieder Beschäftigungsverhältnisse eingegangen werden können“, erklärt Bachinger.

Außerdem fordert der Patienten- und Pflegeanwalt, dass auch die Staatsanwaltschaft bei Erhebungen die Pflegeaufsicht des Landes verständigt und, dass ein bundesweites Register eingerichtet werde, in dem vorläufige Maßnahmen aufgenommen werden, und wo künftige Arbeitgeber nachfragen können. „Da muss ich auch ganz klar sagen, da geht mir der Schutz von Gesundheit und Leben von pflegebedürftigen Heimbewohnern vor und hat Priorität vor individuellem Datenschutz“, so Bachinger.

Pflegeskandal sorgt für politische Diskussionen

Der Fall ist mittlerweile auch zum politischen Streitthema geworden. „Ich glaube, dass man in der Frage, wie geht man damit um, nichts unter den Tisch kehren darf und dass hier die Bezirksbehörden und die Länder entsprechend zu handeln haben. Das dürfte in Niederösterreich etwas langsam gegangen sein“, sagte SPÖ-Sozialminister Alois Stöger am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz und kritisierte dabei auch, dass sich das Land zu den aktuellen Erkenntnissen noch nicht zu Wort gemeldet habe.

Den Vorwurf, nicht schnell genug gehandelt zu haben, will man beim Land Niederösterreich nicht auf sich sitzen lassen. Man habe unmittelbar nachdem die Beschuldigungen bekannt wurden veranlasst, dass die Personen entlassen werden. Angehörige und Bewohner wurden verständigt, man habe mit Mitarbeitern und Bewohnern gesprochen und psychologische Betreuung angeboten, sagte Soziallandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP).

„Wir haben sehr schnell reagiert“

„Selbstverständlich müssen alle Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden“, sagte Schwarz. Hinter den Vorwürfen Stögers vermutete sie aber auch den aktuellen Wahlkampf. „Wir haben sehr schnell reagiert und wir haben unsere Pflegeaufsicht auch noch einmal verschärft, indem wir mit der Pflege- und Patientenanwaltschaft eine neue Stelle geschaffen haben, die auch präventiv in die Heime geht“, so Schwarz, die auch darauf verwies, dass es insgesamt 18 Stellen gebe, die Pflegeheime überprüfen - neun von Landes- und neun von Bundesseite.

In der Frage nach dem Datenschutz gab sich Schwarz zurückhaltender. Man müsse genau überlegen, was mit den Informationen passiere, man lebe in Österreich gut mit dem Grundsatz, dass im Zweifel die Unschuldsvermutung gelte, sagte die Landesrätin: „Ich glaube, man soll keinen Schnellschuss machen, sondern man soll sich sehr genau überlegen, wie man damit umgeht und dann allenfalls eine Änderung vornehmen – aber dann mit Bedacht."

Pflegeanwaltschaft setzt auf Frühwarnsystem

Pflegeanwalt Bachinger verwies ebenso wie Schwarz am Mittwoch auf das Frühwarnsystem, dass es seit dem Frühjahr gibt. Bei diesem Pilotprojekt gehe es darum, dass ein neues Pflegeteam der Pflegeanwaltschaft proaktive und präventive Besuche bei Heimbewohnern absolviere - mehr dazu in Pflegeanwaltschaft mit Frühwarnsystem (noe.ORF.at; 22.2.2017)

Laut Bachinger handle es sich dabei um längere Besuche bei denen auch geschaut werde, wie in den Heimen mit den Bewohnern gesprochen werde, wie Dienstübergaben erfolgen oder wie die Führungs- und Beziehungskultur zwischen den Mitarbeitern sei.

Verbesserungen im Pflegeheim Kirchstetten

Außerdem habe man eine anonyme Stelle eingerichtet, an die sich alle, die Informationen über mögliche Missstände haben, wenden können. Die Pflegeanwaltschaft gehe diesen Informationen dann nach. In den vergangenen Monaten habe das Pflegeteam auch das ursprünglich betroffene Pflegeheim in Kirchstetten besucht, sagte Bachinger. Dort habe sich seit dem Pflegeskandal einiges verbessert und es sei auch direkt vor Ort ein präventives System eingeführt worden.

Katharina Sunk, noe.ORF.at