Forschung im Millionstel-Millimeter-Bereich
Die Erdanziehungskraft ändert sich ständig, wenn auch in kleinsten Größenordnungen. „Je genauer diese Veränderungen gemessen werden können, da spricht man von Millionstel-Millimeter, desto besser können wir die verschiedenen Vorgänge auf der Erde verstehen“, erklärt der Leiter des Conrad Observatoriums, Roman Leonhardt.
ZAMG
Das Observatorium mit dem Gravimeter dient unter anderem der Messung und Erforschung von Erdbeben, Erdschwere, Erdmasse, Magnetfeld, geodätischen Parametern, atmosphärischen Wellen und meteorologischen Daten. Die praktischen Anwendungen der Forschungsergebnisse mit dem Gravimeter betreffen unter anderem Verschiebungungen der Erdkruste, das Beobachten des Schmelzens der Gletscher oder Probleme des Vermessungs- und Navigationswesens.
Österreich hebt sich um bis zu einen halben Meter
Das Kraftfeld zwischen Erde und Mond bewirkt bekanntlich Ebbe und Flut. Die Landmassen bewegen sich dadurch mit. In Österreich hebt und senkt sich die Erdmasse in den Gezeiten um bis zu 50 Zentimeter. Messungen mit dem Gravimeter sind auch für die Vermessung und die Navigationssysteme von Nutzen.
In Deutschland orientiert sich beispielsweise die Null-Meter-Höhe, auch „Normalnull“ genannt, am Durchschnittspegel des Meeres bei Amsterdam, in Österreich am Meeresspiegel bei Triest. Der Unterschied sind 34 Zentimeter. Das Gravimeter liefert den Anwendern von Präzisions-Navigationssystemen wichtige zusätzliche Informationen für den Ausgleich.
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„Wir sehen an den Messungen sogar, wenn Regenfronten durchziehen und für kurze Zeit die Erdschwere etwas geringer wird, weil die Masse der Wolken der Erdanziehungskraft entgegenwirkt. Regnet es, dann verlagern sich die tausenden Liter Wasser aus der Wolke in die Erde und die Erdanziehungskraft nimmt zu. Damit können Änderungen im Grundwasserspiegel und auch Grundwasseransammlungen in Karstsystemen gefunden und untersucht werden“, führt Leonhardt weiter aus.
So ist auch die Gletscherschmelze messbar. „Denn beim Schmelzen des Eises kommt es ebenfalls zu einer messbaren Umverteilung von Masse, wenn das vorher feste Eis als Wasser in die Meere fließt. Außerdem beginnt sich die Erdkruste leicht zu heben, sobald das Gewicht der Gletscher fehlt."
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Observatorium ist unterirdisch angelegt
Das Conrad Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) befindet sich rund 50 Kilometer südwestlich von Wien auf dem Trafelberg, auf knapp über 1.000 Meter Meereshöhe. Es ist fast zur Gänze unterirdisch angelegt, mit rund zwei Kilometern an Stollen und Schächten. Die Anlage in der Form garantiert störungsfreie Bedingungen bei konstanter Temperatur für alle eingesetzten Messtechniken.
Die Bandbreite an unterstützten Messverfahren, die Instrumentierung und die Lage der Messstollen macht das Conrad Observatorium zu einem weltweit herausragenden Forschungs- und Entwicklungsstandort für Erdwissenschaften aller Fachrichtungen.
Hannes Steindl, noe.ORF.at