Staatsanwaltschaft ermittelt wegen NS-Liedern

Wegen eines antisemitischen Liederbuchs der Burschenschaft Germania ist FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer unter Druck geraten. Nun hat sich die Staatanwaltschaft eingeschalten. Auch gibt es zahlreiche Rücktrittsaufforderungen.

Udo Landbauer war am Dienstag in Kritik geraten, nachdem antisemitische Liedtexte der „Germania Wiener Neustadt“, bei der Landbauer bis Dienstag aktives Mitglied war, publik wurden - mehr dazu in „Falter“: Schwere Vorwürfe gegen Landbauer (noe.ORF.at; 23.1.2018). Landbauer und die Burschenschaft distanzierten sich nach der Veröffentlichung von dem Text und kündigten eine Untersuchung an. Landbauer stellte als erste Konsequenz seine Mitgliedschaft ruhend.

Am Mittwoch leitete nun die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt in der Causa von Amtswegen ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ein. Das bestätigte ein Sprecher auf APA-Anfrage. In dem besagten Liederbuch werden der Judenmord und das Naziregime verherrlicht. Wörtlich heißt es dort: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million’“ und weiter „Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines’: ,Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.’“

Landbauer wies neuerlich Kritik zurück

Der FPÖ-Spitzenkandidat wies am Mittwoch im Ö1-„Mittagsjournal“ neuerlich Kritik an seiner Mitgliedschaft bei der Burschenschaft Germania und dem dort in Liedtexten verbreiteten antisemitischen und nationalsozialistischen Gedankengut zurück. Er lasse sich diese Sache nicht von Linken umhängen und denke nicht an einen politischen Rückzug, so Landbauer. Erneut betonte der FPÖ-Politiker, dass er erst elf Jahre alt und noch nicht Mitglied der Burschenschaft gewesen sei, als diese 1997 ein Liederbuch mit der an den Holocaust anspielenden Textzeile „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ herausgegeben hatte.

„In meiner Anwesenheit sind solche Lieder nie vorgekommen. Ich hab niemals verwerfliche Lieder gesungen“, sagte Landbauer im ORF-Radio. Es sei nie darüber gesprochen worden, und er hätte das auch nicht toleriert. Landbauer wies auch Kritik an seiner Unterstützung für den als rechtsextrem eingestuften Verein der „Jungen Patrioten“ sowie seine Kontakte zur einschlägigen Zeitschrift „Aula“ zurück.

Landbauer kampagnisierte „Jetzt erst recht!“

Der „Falter“ oder das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands seien für ihn im übrigen „nicht der Maßstab“, was man singen und sagen darf oder was rechtsextrem ist, so Landbauer. In der „Aula“ sehe er keinen Antisemitismus. „Ich lass mir nicht von einer linken Meinungsdiktatur vorgeben, was denn böse und was denn gut sei.“ Und: „Ich werde mir auch nicht nehmen lassen, O Tannenbaum oder Stille Nacht zu singen.“

Auf Facebook postete Landbauer Mittwochnachmittag ein Bild an der Seite von Parteichef Heinz-Christian Strache und den Slogan: „Jetzt erst recht!“ Damit hatte auch der ehemalige Bundespräsident Kurt Waldheim gegen Vorwürfe, er habe seine SA-Vergangenheit verschwiegen, erfolgreich kampagnisiert.

Strache will keine Konsequenzen für Landbauer

Auch Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meldete sich am Mittwoch zu Wort. Er sehe beim niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer keine Notwendigkeit für Konsequenzen. Strache erklärte, am Dienstag sei ein Liedtext aus der Verbindung aufgetaucht, in die Landbauer erst viel später eingetreten sei. Der Text sei „von wem auch immer“ erzeugt worden. Es handle sich um ein „wirklich widerliches und antisemitisches Lied“, derartige Texte hätten in unserer Gesellschaft nichts verloren, betonte der FPÖ-Obmann.

Zum Zeitpunkt, als das Liederbuch erstellt wurde, sei Landbauer elf Jahre alt gewesen und erst später in die Verbindung eingetreten. Die betreffenden Seiten sollen 1997/98 aus dem Buch gerissen oder geschwärzt worden und nicht in Verwendung gewesen sein. „Er hat mir versichert, dass er die Texte nicht kannte“, so Strache.

Auf die Frage, ob nun - knapp vor der Landtagswahl am Sonntag - angesichts von Rücktrittsforderungen Konsequenzen nötig seien, erklärte der Vizekanzler, Landbauer habe die Sache „sehr deutlich klargestellt“ und selbst Aufklärung gefordert. Für den Text trage er keine Verantwortung. „Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun“, meinte Strache weiters. Komme es zu derartigen Vorfällen, sei dies „schärfstens zu verurteilen“.

Regierungssprecher verwies auf Kurz-Tweet

Die Causa war am Mittwoch auch am Rande des Ministerrates Thema. Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal verwies auf die jüngsten Stellungnahmen der Regierungsspitzen. Sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) - auf Twitter - als auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hätten sich zu den antisemitischen Liedtexten der „Germania Wiener Neustadt“ zu Wort gemeldet, erklärte er nach dem Ministerrat.

Die am Dienstag publik gewordenen Formulierungen seien „rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig“, dies hätten beide betont, erklärte Launsky-Tieffenthal. Ebenso, dass sie volle Aufklärung verlangen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. In diesem Stadium sei alles gesagt. Den Aussagen der Regierungsspitzen habe er „nichts mehr hinzuzufügen“.

ÖVP und NEOS forderten Aufklärung

Verurteilt wurden die antisemitischen Zeilen bereits am Dienstag von zahlreichen Vertretern der Landes- und Bundespolitik. Für die ÖVP sprach Landesparteiobfrau Johanna Mikl-Leitner von schwerwiegenden Vorwürfen. „Ich erwarte mir nicht nur Aufklärung, sondern auch klare Distanzierung“, ergänzte sie am Mittwoch im ORF-Radio. Wenn sie an die Zukunft der Landesregierung denke, müsse es Klarheit über die Vergangenheit geben.

Wer in die Regierung komme und wer nicht, liege in Niederösterreich „allein in der Hand der Wähler“, stellte Mikl-Leitner auf die Frage nach einer Regierungsbeteiligung von Udo Landbauer (FPÖ) am Mittwoch fest. Sie habe immer gesagt, Arbeitsübereinkommen mit allen in der Regierung vertretenen Parteien anzustreben. „Bevor aber über ein Arbeitsübereinkommen verhandelt wird, müssen diese schwerwiegenden Vorwürfe restlos aufgeklärt werden.“

NEOS-Spitzenkandidatin Indra Collini forderte Landbauers Rücktritt, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Der niederösterreichische NEOS-Mandatar Niki Scherak stellte laut der pinken Partei parlamentarische Anfragen an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP). Unter anderem möchte Scherak herausfinden, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch Landbauer betreffen. Andererseits will die pinke Opposition vom Innenminister erfahren, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz aktiv wurde und wie man in Zukunft die Verbreitung von nationalsozialistischem Schrift- und Gedankengut, insbesondere in deutschnationalen Verbindungen, zu verhindern gedenke.

SPÖ sieht ÖVP und die Grünen in der Pflicht

Ebenso bei Pressekonferenzen der SPÖ Niederösterreich und der Grünen Niederösterreich war die Causa am Mittwochvormittag Thema. Die Ausrede, dass Landbauer beim Erscheinen des Liederbuches erst elf Jahre alt gewesen sei, könne man ihm nicht durchgehen lassen, meinte SPÖ-Landesparteigeschäftsführer Reinhard Hundsmüller. Jemand der heute Adolf Hitlers „Mein Kampf“ verherrliche, könne sich auch nicht darauf ausreden, beim Erscheinen des Buches noch nicht auf der Welt gewesen zu sein. Eine Rücktrittsforderung gab es von seiner Seite jedoch nicht. „Ich werde den Herrn Landbauer sicher in keiner Weise überzeugen können, daher werde ich es auch nicht fordern. Normalerweise, wenn man ein durchschnittlich rechtstreuer Österreicher ist, weiß man, was man zu tun hat.“

Die SPÖ sieht neben der FPÖ aber auch ÖVP und Grüne in der Pflicht. Landbauer sitze als Stadtrat in Wiener Neustadt nämlich eigentlich auf einem Mandat der ÖVP, sagte er. Die Volkspartei sollte hier entsprechende Konsequenzen ziehen. Ähnliches forderte Hundsmüller von den Grünen, die in Wiener Neustadt in einer Koalition mit ÖVP, FPÖ und zwei weiteren Listen in der Stadtregierung sitzen. „Eigentlich müssten die Grünen die Stadtregierung verlassen.“ Wenn nicht, werde man den grünen Wählern bei der Landtagswahl in Wiener Neustadt das Angebot machen, Anstand zu wählen.

Wie ein Sprecher der Stadt Wiener Neustadt auf Anfrage von noe.ORF.at sagte, sitzen die Grünen nicht in der Stadtregierung, unterstützen unter anderem aber gemeinsam mit der FPÖ den ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger und das Budget der Stadt.

Udo Landbauer im Gespräch mit Robert Ziegler

ORF / Robert Salzer

Grüne wollen Landbauer nicht in Landesregierung

Die Grünen forderten am Mittwoch hingegen ÖVP und SPÖ auf, klar zu sagen, ob sie Udo Landbauer als Mitglied der Landesregierung akzeptieren würden, sagte Spitzenkandidatin Helga Krismer bei einer Pressekonferenz. Sie geht auf Grund des Proporzsystemes und der aktuellen Umfragen davon aus, dass die FPÖ und damit Udo Landbauer in nächsten der Landesregierung vertreten sein werden. Die Entscheidung könne laut Krismer „nicht auf den 29. verschoben werden“, sondern müsse von ÖVP-Spitzenkandidatin Mikl-Leitner und SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl „heute geklärt werden“.

Auch die Israelitische Kultusgemeinde fordert anlässlich des Liederbuchs der Burschenschaft „Germania“ mit NS-Verherrlichungen den Rücktritt des FPÖ-Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer: Wenn Landbauer seine Distanzierung ernst meine, müsse er zurücktreten, befand IKG-Präsident Oskar Deutsch am Mittwoch in einer Aussendung. Die IKG prüfe auch juristische Schritte zur Klärung der Verantwortlichkeit für das Liederbuch der „Germania“, hieß es.

Kritik kam am Mittwoch auch von der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch: „Landbauer versucht, die Öffentlichkeit jetzt an der Nase herumzuführen. Das brutal antisemitische Nazi-Liederbuch seiner Burschenschaft ist kein Ausreißer“, meinte Sprecher Alexander Pollak. Er verwies in einer Aussendung darauf, dass Landbauer „über einen längeren Zeitraum ein Naheverhältnis zur antisemitischen Zeitschrift ‚Aula‘“ gepflegt habe - und dort triefe es förmlich vor „Antisemitismus, Herrenrassendenken und Neonazisympathien“.

Bundespräsident kritisierte Burschenschaft

Bundespräsident Alexander Van der Bellen übte scharfe Kritik an den Nazi-verherrlichenden Liedern der Burschenschaft. „Die Mitglieder der Germania stehen jetzt im Verdacht der Wiederbetätigung. Wer immer dafür verantwortlich ist, hat in der Politik nichts zu suchen“, kritisiert Van der Bellen im „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe).

„Die bekannt gewordenen Liedtexte der Germania sind antisemitisch und rassistisch. Sie verhöhnen die Opfer des Massenmordes des Holocaust. Das ist zutiefst verabscheuungswürdig und darf in Österreich keinen Platz haben“, betonte Van der Bellen.

Den Plan der Regierung, Großquartiere für Flüchtlinge zu schaffen, lehnte der Bundespräsident ab: „Die wenigsten Schwierigkeiten gibt es dort, wo Flüchtlinge gut aufgeteilt werden und sich die Gemeinden gut kümmern können.“ Soziale Kontakte zwischen den Asylwerbern und der ansässigen Bevölkerung seinen wichtig, um Angst abzubauen. „Nur wer Angst aufbauen will, denkt über Massenquartiere für Asylwerber nach“, kritisierte Van der Bellen.